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Dom. Rep: Nachhaltiger Tourismus im Inland | ABC-Z

Der Duft trifft mit voller Wucht. Öffnet man die Tür zur winzigen Manufaktur, fühlt man sich von einer süßlichen Wolke umhüllt, fast in einen Schwebezustand versetzt. Schokolade!

Passend zur Aura bleibt der Blick an einer verführerischen Masse kleben, die Nereida Acosta gerade beidhändig mit Spachteln auf einer Arbeitsplatte hin und her wälzt. Daraus formt sie „Kakao-Brötchen“. Schokoladentafeln sind später dran.

Acosta ist eine von fünf Frauen, die unweit der Stadt Bonao im Dorf Caribe die Vereinigung der Schokoladenmacherinnen gegründet haben. Sie wollen nicht komplett den Fremden in der Ferne den Profit aus dem hiesigen Kakaoanbau überlassen. Ihre Arbeit beschränkt sich auf einen einzigen Raum. Dort kreieren die Autodidaktinnen wahre Spitzenprodukte.

„Cariver“ heißt ihre Marke. Mittlerweile könnten sie es mühelos mit jedem Meister-Chocolatier aus Belgien oder der Schweiz aufnehmen. Acostas Kollegin Juana Panyagua ist zufrieden mit dem Geschäft, das nur über den Direktverkauf läuft, und sagt: „Wir Frauen sind stolz darauf, das alles selber zu machen. Das Leben hat uns eine neue Chance gegeben.“ Für den Anschub hat eine Stiftung gesorgt.

Quartier ohne Chic im Kaffeeland

In den Tälern von Bonao und Cibao und deren Umland, fernab der beliebten Strände des Inselstaates, sind erstaunliche Initiativen entstanden, die dafür sorgen, dass die Einnahmen in den Gemeinschaften bleiben. Hier ist die „Dom. Rep.“ noch die Dominikanische Republik, ungeschminkt, authentisch.

So wie in der Zentralkordillere, in die sich ab Bonao ein Sträßchen hinauf windet. Riesenbambus fächert sich auf. Ohne Helme knattert eine vierköpfige Familie auf einer Vespa voran. Die Dorfjugend trifft sich in einem Billardsalon. Ziel ist der Ökotourismus-Komplex Río Blanco. Dahinter steht der „Zusammenschluss der Landbevölkerung für den Fortschritt“, dem etwa 600 Familien angehören, schätzt Andrés Sarita. Der 32-Jährige unterstützt das Projekt als Freiwilliger einer Non-Profit-Organisation.

Zimmer mit Bad geben Quartier ohne Chic, beim Vollpensionspaket kommt einfache Kost auf den Tisch. Die Blicke in die Bergwelt sind fantastisch. Ein Lehrpfad führt durch Kaffeeplantagen. Der Kaffee wird hier getrocknet, geröstet und verkauft. „Bei einem Aufenthalt kann man so viel Kaffee trinken, wie man will“, betont Sarita. Es ist eine andere Art von All-inclusive.

Früher oder später steigt in der Höhe jedoch die Sehnsucht nach den Top-Spots des Landes: den Stränden und der Kolonialpracht der Hauptstadt Santo Domingo. Dafür kann das Inland eine klasse Ergänzung sein, aber kein Ersatz.

Von der Hausfrau zum Natur-Guide

Unverändert fern von Küste und Andrang bewegt man sich im kleinen Naturschutzgebiet Saltos de Jima. „Willkommen im Paradies“, begrüßt ein Holzschild. „An manchen Tagen kommen lediglich fünf Besucher“, sagt Führerin Nadia Hernández Salcedo. Magnet ist der knapp zwei Kilometer entfernte Jima-Wasserfall, die Begleitung dorthin obligatorisch.

Von den 200 Pesos Eintrittsgeld, umgerechnet etwas mehr als drei Euro, fließt die Hälfte in die Kasse des 26-köpfigen Guideteams. „Dies hier ist ein touristisches Projekt für unsere Community“, umreißt Hernández den Hintergrund. Früher war die 40-Jährige Hausfrau, nun erklärt sie die Pflanzenwelt.

Der schattige Weg führt über Wurzelwerk, Treppen, Stege, Brücken. Wer keinen Mückenschutz aufgelegt hat, wird zum Blutspender. Am Ende stürzt der Wasserfall aus bescheidener Höhe durchs Grün. „Manche kommen hier her, um beim Rauschen zu meditieren“, sagt Hernández. Dann muss sie ebenso warten wie auf dem Rückweg beim Stopp an einem wildromantischen Naturpool des Flüsschens Jima.

Kunst aus Wegwerfmaterial

Das Bad erfrischt, ist aber kein Vergleich zu Palmenstränden. Was es in touristischen Küstenhochburgen dagegen nicht gibt, ist ein Familienbetrieb wie der von Marino Antonio Brito, etwa acht Kilometer südwestlich von Moca. Unter dem Label „Arteco“ verwandeln der 58-Jährige und sein Team Reste von Kokosnussschalen in kunstvolle Schmetterlinge.

Aus Wegwerfmaterial werden federleichte Dekorationsobjekte, bunt bemalt mit Acrylfarben. Originellere Souvenirs sind kaum denkbar – und mit Preisen ab 200 Pesos unschlagbar günstig. Damit unterstützt man gleichzeitig Frauen wie Mery Espaillat, die in der strukturschwachen Gegend einen Job gefunden haben.

Beim Blick über die Schulter zieht die 36-Jährige die Pinselschwünge mit viel Gefühl. Andenken, von deren Umsatz die Landbevölkerung profitiert, führt auch das nahe Kunstzentrum „Neoarte“. Seniorchef Henry Miguel Crisóstomo liegt es am Herzen, Frauen zu fördern. Deren Produkte, wie „Puppen ohne Gesicht“, sind im Shop erhältlich, ohne dass Provisionen an Zwischenhändler gehen.

„Puppen ohne Gesicht“, sagt der 57-Jährige, stünden für die Einheit der eingeborenen, der afrikanischen und der europäischen Insulaner. „Für uns Dominikaner gibt es keine einheitlichen physischen Merkmale. Wir sind ein Schmelztiegel.“

Crisóstomo nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er fordert: „Der All-inclusive-Tourismus sollte bei uns verschwinden.“ Er ist überzeugt davon, dass Reisende „mehr und mehr ein Bewusstsein dagegen entwickeln und Erlebnisse in ländlichen Gegenden“ suchen.

Dennoch erliegt man irgendwann dem Lockruf der Strände, wie im Norden in Sosúa und Cabarete, der Playa Dorada, „Goldstrand“ genannt, oder nahe Punta Cana im Osten. Für ihre schönen Küsten und vorgelagerten Korallenriffe ist die mit Haiti geteilte Insel bekannt.

Dort verwandelt sich die Dominikanische Republik in die „Dom. Rep.“ der Massen. Das ist der Preis der Schönheit aus Ozean, Palmen und Sand. Bei einem Stück Schokolade von „Cariver“ träumt man sich ins Inland zurück.

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