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“Dogue” statt “Vogue”: Hunde, die ganz groß rauskommen – eine Stilkritik – Medien | ABC-Z

Bei der Produktion dieses Textes sind keine Hunde zu Schaden gekommen. Sie wurden angeschaut, begutachtet, angeschmachtet. Es wurden Tränen geweint vor Lachen. Und es wurde in Kissen geschrien, weil die Idee halt zuckrigsüß ist wie ein Kuchen aus Schokolade und Butterkeksen, weshalb der Körper sonst nicht wusste, wohin mit all den Glücksgefühlen.

Das Fashion-Magazin Vogue hat anlässlich der elendig heißen Hundstage eine spezielle, ja praktisch monothematische Digitalausgabe herausgebracht. „Dogue“ heißt sie, es geht natürlich um Hunde. Und weil die Vogue nun einmal die Vogue ist, muss man vor allem auf die Bilder schauen. Die dog pics sind nicht nur gut; sie sind phänomenal. Jeder Dogfluencer kann bei dem Anblick einpacken.

Nachdem im vergangenen Sommer bereits die erste Dogue erschienen ist, wird jetzt nachgelegt: Die neue Version ist noch einmal konsequenter darin, ihre typischen Themen tierisch durchzudeklinieren. Wer ganz genau hinschaut, lernt sogar etwas darüber, was es heißt, heutzutage ein Modemagazin zu sein.

Lesen Hunde inzwischen Feuilleton?

Die Redaktion hat jedenfalls keine Mühen gescheut, prominente Hunde und ihre noch prominenteren Besitzer für sich zu gewinnen. Der Malteser-Mix Goodwin und die Pudel-Spaniel-Mischung Louie etwa dürfen in einer Miniatur-G-Klasse mit Miniatur-Mercedes-Stern posen. Das Auto ist weiß, im Hintergrund sieht man die kalifornische Sierra Nevada, und die Tiere legen die Grandezza alter Hollywood-Stars an den Tag.

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Goodwin, 14, und Louie, ein Jahr alt, sind die Haustiere der Sängerin Sabrina Carpenter. Die sagt im Interview mit der Dogue etwa: „Hunde holen aus uns das echte Ich raus“, und enthüllt: „Goodwin ist Steinbock. Louie ein Stier.“ Passenderweise erscheint Ende August Carpenters neues Album, „A Man’s Best Friend“, der beste Freund des Menschen also.

Neben Carpenter präsentieren die Schauspielerin Mikey Madison (Dogue: „stolze Mutter von drei Chihuahuas“), der Formel-1-Athlet Lewis Hamilton und der kolumbianische Rapper Maluma ihre Tiere. Die Manieren-Kolumne der Ausgabe beschäftigt sich mit richtiger Hundeerziehung. Vogue-Redakteure verraten ihre liebsten Tierhalter-Gadgets. Und der in Berlin und Wien tätige Fotograf Daniel Koekkoek durfte die neuesten Sonnenbrillen an Hunden fotografieren.

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Glaubt man Koekkoeks Bildern, dann lesen Hunde inzwischen Feuilleton und schauen auch noch gut dabei aus. Wobei der ganze Shoot einer „Riesenherausforderung“ glich, wie der Fotograf bei einem kurzen Telefonat sagt. Hunde halten nun einmal nicht still, posieren nicht auf Kommando. „Erzwingen kann man gar nichts“, sagt Koekkoek. Der Fotograf hat schon eine gewisse Erfahrung mit Hunden als Models. Vor einigen Jahren fotografierte er eine ähnliche Serie namens „Doggystyle“, die 2022 zum Kalender wurde.

Dass die Vogue jetzt diesen wie vergangenen Sommer einen großen tierischen Aufschlag macht? Dürfte gleich mehrere Gründe haben. In der Entscheidung, wer ein Vogue-Covershoot bekommt, steckt immer eine weit darüber hinausreichende Aussage. In der Vergangenheit war man da bei Condé Nast ausdrücklich politisch und hob etwa die Poetin Amanda Gorman aufs Cover, die bei 2021 bei Joe Bidens Amtseinführung aufgetreten war.

Hunde sind das, was sich jedes Magazin wünscht

Hunde sind da anders. Goodwin und Louie sind herrlich unpolitisch und damit massen- und instagramtauglich. Ganz generell dürften Hunde das sein, was sich jedes Magazin wünscht, das einst bestimmte, was schön und gut ist, und nun mit Abertausenden Mode-Influencerinnen und -Influencern mithalten muss: Hunde sind Klickgaranten. Holen Reichweite. Treiben das Engagement nach oben, also Shares, Likes und Comments.

Überraschen mussten Modemagazine schon immer. Eine Community zu bespielen, ist aber eine ganz andere Nummer: Greller, schriller, und wenn die neueste Vogue nicht knallt oder mindestens die Herzen von Hundehaltern trifft, dann hat die Ausgabe ein Problem. Vogue selbst versteht sich inzwischen nicht mehr als Magazin, sondern als multiplatform. Da ist es auch nur schlüssig, dass für die Dogue die eigene Followerschaft gebeten wurde, Hundebilder für einen Wettbewerb einzuschicken. Das kann man massendemokratisch und zeitgemäß nennen; alte Magazin-Haudegen dürften eher in Schockstarre verfallen. Wer sich als Richter über den guten Geschmack versteht, als tastemaker, der tut sich mit Masse und „user-generated content“ eher schwer.

Mehr als 50 000 Bilder kamen über den Wettbewerb zusammen, was die Redaktion überforderte und nicht nur für das Konzept Dogue spricht, sondern vor allem für die totale Vernarrtheit des Menschen in den Hund. Aus den besten drei Einsendungen wurden Cover gemacht. Den Wettbewerb gewonnen hat Tango, ein Labrador mit schokoladenbraunem Kopf, der dabei fotografiert wurde, wie er lasziv in einem Ohrensessel sitzt und in die Kamera schaut. Der „Global Design Director“ des Magazins nennt es, grob übersetzt, „dezent, aber außergewöhnlich stylish“. Der geneigte Beobachter denkt nur: Wuff.

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