Diskussion über Pressfreiheit mit Wolfgang Krach in München: „Eine Gefahr für die Gesellschaft insgesamt“ – München | ABC-Z

Es steht nicht gut um die Pressefreiheit. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Staaten, in denen unabhängiger Journalismus kaum oder gar nicht möglich ist. Die Gründe sind vielfältig und reichen von fehlender politischer Stabilität bis zu wachsendem Autoritarismus. Doch wer sich fragt, wie es um die Pressefreiheit in Deutschland bestellt ist, landet schnell bei einem anderen, weniger dramatisch klingenden, aber nicht minder wichtigen Thema: Wovon leben Medien – und was passiert, wenn alte Geschäftsmodelle bröckeln, Aufmerksamkeit sich fragmentiert und Verlage unter zunehmendem ökonomischem Druck ächzen?
Vielleicht wirkt der Ort, an dem an diesem Abend in München diesen Fragen nachgegangen werden soll, deshalb etwas entrückt: Unter der Glaskuppel des Salon Luitpold haben die Veranstalter in einem stillgelegten Mosaik-Brunnen eine samtrote Bühne errichtet. Drei Palmen rahmen das Tableau, rundherum sitzen die Gäste, manche mit Drei-Gänge-Menü und Weinbegleitung.
Eingeladen hat die Hochschule für Philosophie München. Auf der Bühne sitzen Martin Balle, Verleger der Mediengruppe Attenkofer, zu der unter anderem die Abendzeitung und das Straubinger Tagblatt gehören, und Wolfgang Krach, Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung. Moderiert wird das Gespräch von der Ethik-Professorin Julia Inthorn.
Es soll um die Frage gehen, wie sehr die Pressefreiheit unter Druck steht. Krach beginnt mit einer Bestandsaufnahme: Deutschland habe trotz aller Probleme noch eine „vielfältige Tagespresse“ und einen funktionierenden öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dennoch sei die Lage „so schwierig wie seit Langem nicht mehr“. Schuld daran seien vor allem ökonomische Zwänge: Der Einbruch des Printgeschäfts vieler Publikationen und das veränderte Mediennutzungsverhalten junger Menschen erschwerten es Zeitungen, finanziell über die Runden zu kommen. Hinzu komme der Versuch der Einflussnahme – nicht nur politisch, in Ländern wie Ungarn oder den USA, sondern auch durch große Unternehmen in Deutschland, die Berichterstattung lenken oder steuern wollten.
Auch Balle erkennt den ökonomischen Druck und seine Auswirkungen. Vor 30 Jahren habe man prophezeit, dass es im Jahr 2000 keine einzige Zeitung mehr geben werde, sagt er. Heute existieren sie immer noch. Zwar hätten sich die Rahmenbedingungen geändert, doch ebenso hätten sich auch die Verlage angepasst. Problematischer seien hingegen die großen Techkonzerne: Sie sammelten Texte für KI-Trainingszwecke, ohne dass die Politik die Verlage schütze. Das habe auch spürbare Auswirkungen auf die Umsatzzahlen.
Doch so sehr künstliche Intelligenz auch in aller Munde sei, sie könne nicht das leisten, was eine Lokalzeitung ausmache: die Nähe zu den Menschen vor Ort. Und damit beginnt Balle, was an diesem Abend häufiger zu beobachten sein wird: Er erzählt Anekdoten, kleine Momentaufnahmen aus dem Alltag. Vom Straubinger Weihnachtsmarkt, von seiner Zeit als Co-Trainer einer F-Jugend, von Kindern, die nach dem Training sofort aufs Handy starren und kaum noch längere Texte lesen könnten.
Medien müssten Verantwortung für das Veröffentlichte übernehmen, sagt SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach
Die Moderatorin Inthorn versucht, das Gespräch auf die Ausgangsfrage zurückzuführen: Wenn sich Aufmerksamkeit und Lesegewohnheiten so stark verschieben, wie beeinflusst das die Pressearbeit? Man müsse dorthin, wo die jungen Menschen seien, also auch in die sozialen Medien, aber „journalistisch sauber“, sagt Krach. Denn es wachse eine Generation heran, „für die gar nicht mehr klar ist, was wahr ist“. Auf sozialen Plattformen zirkuliere längst alles nebeneinander: Recherchiertes und Erfundenes. „Das ist die Verwirrung des Begriffs Wahrheit“, sagt Krach. Und diese Verwirrung sei nicht nur ein Problem der Branche, sondern „eine Gefahr für die Gesellschaft insgesamt“.
Journalismus könne nicht am Publikum vorbei produziert werden, sagt Krach. „Wir leben davon, dass die Leute uns bezahlen.“ Balle wiederum sucht auf seine Weise den direkten Draht zum Publikum, etwa mit zugespitzten politischen Seitenhieben oder Vergleichen aus dem Fußball. Als Krach über investigative Recherchen wie die „Panama Papers“ spricht, entgegnet Balle: „Ich bin froh, dass wir nicht alles aufdecken, was wir wissen.“ In einer Stadt wie Straubing könne man sonst kaum noch leben.
:Welt und Stadt
Die SZ ist überall zu Hause, aber je näher man München kommt, umso größer wurde schon immer ihre Anhängerschaft. Doch die Anforderungen an den Lokaljournalismus haben sich stark verändert.
Doch zurück zur Leitfrage des Abends: Gerät die Pressefreiheit unter Druck? Sie funktioniere nur mit Presseverantwortung, sagt Krach. „Wir müssen Verantwortung übernehmen für das, was geschrieben wird, und es auch verteidigen können.“ Direkte Versuche der politischen Einflussnahme seien in Deutschland noch selten. Die eigentliche Bedrohung leite sich aus den ökonomischen Rahmenbedingungen ab: Das Anzeigengeschäft schrumpft seit Jahren, viele Medien kämpfen ums Überleben. Nicht so bei der SZ: Die Zeitung finanziere sich inzwischen zu 80 Prozent aus Verkäufen von Abos und Einzelausgaben.
Mit Blick auf die Lokalzeitungen steht für Balle hingegen fest, dass auch in schwierigen Zeiten Substanz bewahrt werden müsse. Geschäftsstellen dürfe man nicht schließen. Im Gegenteil: Sein Verlag beschäftige so viele Mitarbeitende wie noch nie. Man müsse akzeptieren, dass die Zeiten herausfordernd sind, doch gerade dann müsse man besser werden. Denn das Beispiel der USA zeige: Wo Lokalzeitungen verschwinden, leide die Demokratie.
Gegen Ende meldet sich ein Mann aus dem Publikum. Er habe sich gefühlt „wie im Feuilleton-Teil der SZ“. Die Runde lacht. Vielleicht, weil es die Veranstaltung so passend beschreibt.





















