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Ding Liren vs. Gukesh: Endlich, die langweiligste Partie dieser Schach-WM | ABC-Z

Die
langweiligste Partie? Wer möchte sich einreihen in die
Liste der Nörgler
, die an dieser Schach-WM ständig etwas auszusetzen haben?
Am Spielort wohl niemand, dafür ist es in Singapur zu spannend. Gleichwohl kann
oder muss es bei einem Kampf, der über 14 Runden angesetzt ist, natürlich eine
Partie geben, die unter allen die langweiligste ist. Betrachtet man den
bisherigen Verlauf des Duells zwischen dem Weltmeister Ding Liren und seinem
Herausforderer Gukesh, erringt diesen Ehrentitel zweifellos die neunte Partie,
die am Donnerstag im Equarius Hotel zu Singapur gespielt worden ist.

Das fällt
dem Publikum und der Presse auch deshalb so sehr auf, weil die beiden Partien
zuvor, die siebte und die achte, außerordentlich spannend und gehaltvoll waren.
“Der indische Tiger setzt zum Sprung an, der chinesische Drache zeigt seine
Krallen”, ganz so, wie es auf der Eröffnungsfeier versprochen wurde. Das faire Resultat war jeweils ein Unentschieden gewesen.

Remis nun
auch in der neunten Runde, und anwesende Großmeister preisen das Niveau und die
Fehlerfreiheit der 54 Züge, die aufs Brett kamen. Fehlerfreiheit ist aber nicht
notwendigerweise interessant. Und Dauerbalance mag etwas für Connaisseurs sein.
Das Publikum liebt Schlagseite.

Gukesh mit
den weißen Steinen gelingt es aus der Eröffnung heraus nicht, Ding vor Probleme
zu stellen. Besonders in den beiden Vorgängerpartien wartete der Inder mit
neuen Ideen gleich zu Partiebeginn auf, zumeist erdacht von seinem
Chef-Sekundanten, dem polnischen Großmeister Grzegorz Gajewski. Hier nun geht
im ersten Zug der Damenbauer voran, und bald entsteht Katalanisch, wie die
Schachspieler sagen, was heißt, dass der Königsläufer auf die Flanke zieht. Der
Chinese baut sich demgegenüber Damenindisch auf, was heißt, dass er seinen
Damenläufer auf das andere Ende der großen Diagonale spielt. Zwei Läufer
belauern sich aus der Ferne, über alles hinweg, was zwischen ihnen steht, ein
so bekanntes wie solides Konzept.

Welchen
Schocker würde Gukesh an diesem Spätnachmittag bringen, um die Sache
aufzumischen? Nun, keinen. Es gibt Feinheiten im Manövrieren, niemand erlangt einen
Vorteil, ganz am Schluss ist alles Material abgetauscht. Nach vier Stunden, die
sich dehnen, stehen nur noch die beiden Könige da.

Ein Teil
des immens jungen WM-Publikums vertreibt sich die Zeit im Nachbargebäude mit
der Teilnahme an einem Blitzturnier. Da gibt es pro Spieler und Partie drei
Minuten Zeit plus zwei Sekunden Zeitzugabe für jeden ausgeführten Zug. Man ist
in zehn, zwölf Minuten durch mit einer Runde. 234
Leute nehmen an der Konkurrenz teil.
Kinder, Senioren, Halbwüchsige,
Meister und Großmeister beiderlei Geschlechts. Sie kommen aus Singapur, Indien,
Malaysia, Sri Lanka, Australien, China, Vietnam, ja, sogar aus Deutschland und
Dänemark, eine sehr bunte Sache. In den Pausen zwischen den neun Runden
krakeelen die Achtjährigen auf dem Flur, dass man glauben könnte, das Turnier
fände in einem Freibad statt. Und dann setzen sie sich wieder an ihre Bretter
und grübeln.

Das
Blitzturnier bildet den Abschluss eines mehrtägigen offenen Turniers mit 500
Teilnehmern. Die Schachföderation Singapur nutzt die WM, so gut sie kann, um
den Denksport im Stadtstaat zu etablieren.

Ding und
Gukesh haben nun einen Ruhetag, bevor es am Samstag weitergeht. Auf der
Pressekonferenz nach der aktuellen Runde unkt der Chinese, dass sie nun wohl
bald alle neuen Eröffnungsideen ausprobiert hätten. Bestimmt will er damit
nicht sagen, dass die fünf verbleibenden Partien so werden könnten wie die
neunte.

In der
Schach-WM steht es nun 4,5:4,5.
Am Freitag ist Ruhetag in Singapur, die zehnte Runde beginnt am Samstag um 10 Uhr deutscher Zeit. Alle Berichte unseres Reporters Ulrich Stock von der Schach-WM in Singapur lesen Sie hier. Der Großmeister Niclas Huschenbeth liefert zudem für ZEIT ONLINE Videoanalysen aller Partien zu.

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