Dietramszell: Nein zu Flüchtlingsunterkunft in Bairawies – Bad Tölz-Wolfratshausen | ABC-Z
So viele Zuschauer wie am Dienstag hat es in einer Bauausschusssitzung vermutlich noch nie gegeben: Etwa 80 Bürgerinnen und Bürger waren gekommen, die meisten aus dem Ortsteil Bairawies. Denn auf der Tagesordnung stand ein Vorbescheidsantrag, der auf Widerstand stößt und auch im Bauausschuss einstimmig abgelehnt wurde.
Es geht um eine Containeranlage mit 24 Apartments für Geflüchtete am östlichen Ortsrand von Bairawies. 128 Menschen könnten dort unterkommen, in einer Ortschaft mit insgesamt knapp 300 Einwohnern. Ein zweiter Containerkomplex ist für Gemeinschaftsräume, Sanitäreinrichtungen, Verwaltungs- und Lagerräume sowie den Sicherheitsdienst geplant. Antragsteller ist der Lenggrieser Projektentwickler Christoph Hertwig, der die 6000 Quadratmeter große Fläche vom Eigentümer, einem Wolfratshauser, in Erbpacht übernommen hat und die Unterkunft an das Landratsamt verpachten will.
Hertwig ist in Lenggries kein Unbekannter: Er hat das Brauneck Hotel gekauft und ist bereits Eigentümer einer Flüchtlingsunterkunft an der Scharfreiterstraße in Lenggries. Die Containeranlage für 100 Geflüchtete war im Lenggrieser Bauausschuss abgelehnt, vom Landratsamt aber genehmigt worden und ging im Mai in Betrieb.
Das nun geplante Vorhaben in Bairawies liegt laut Bürgermeister Josef Hauser (FW) im Außenbereich auf einer landwirtschaftlichen Fläche und angrenzend an ein Naturschutzgebiet. Befristet sei die Anlage auf drei Jahre, eine Verlängerung wäre maximal bis Ende 2030 möglich. Für Flüchtlingsunterkünfte in Außenbereichslagen habe der Gesetzgeber Sonderregelungen geschaffen. Ob diese im konkreten Fall noch greifen, bezweifelte der Bürgermeister allerdings. Denn der Bauausschuss habe ja bereits einer Nutzungsänderung der ehemaligen Öko-Akademie in Linden für die Unterbringung von 113 Geflüchteten zugestimmt. Außerdem stünden noch zwei kleinere Liegenschaften zur Verfügung. Dietramszell könne seine Unterbringungsquote damit erfüllen. „Aus unserer Sicht besteht im Gemeindegebiet keine Notwendigkeit einer weiteren Flüchtlingsunterkunft“, sagte Hauser. Zumal die Öko-Akademie in Linden bislang noch gar nicht belegt worden sei. „Warum, wissen wir nicht“.
Ein leer stehendes Bestandsgebäude, das zu Wohnzwecken gedient habe, sei doch sinnvoller, „als im Niemandsland Container hinzustellen.“ Außerdem wäre in der kleinen Ortschaft Bairawies „sozialer Unfriede vorprogrammiert“. Denn zu den 292 Einwohnern kämen bis zu 128 Geflüchtete. Sie müssten sich selbst versorgen und seien auf den X-Bus angewiesen, „der allerdings nicht in der Nähe eines Lebensmittelladens hält.“ Er könne dem Vorbescheidsantrag „auf keinen Fall zustimmen“, sagte Hauser.
Wegen der Verschärfung des Asylrechts und massiver Grenzkontrollen sei die Zahl der ankommenden Migranten zuletzt deutlich gesunken, obendrein habe man die vorhandenen Kapazitäten in der Gemeinde noch gar nicht ausgeschöpft.
Er befürchte aber, dass es im Vorfeld Gespräche zwischen Antragsteller und Landratsamt gegeben habe und die Behörde das Vorhaben, trotz des gemeindlichen Vetos, genehmigen werde. Ludwig Gröbmaier (CSU) schlug vor, sich rechtlich beraten zu lassen, um Gegenargumente vorbringen zu können.
Im Bauausschuss wurden bereits diverse genannt und Fragen aufgeworfen. „Wer ist eigentlich der Antragsteller, und warum stellt er das Vorhaben nicht selbst vor?“, fragte Bernhard Fuchs, FW-Gemeinderat aus Bairawies. Es handle sich offensichtlich um ein „Geschäftsmodell auf Kosten der Bewohner und Steuerzahler“. Angesichts einer möglichen Belegung mit über 100 Menschen aus unterschiedlichen Kulturen gebe es im Ort „Ängste“. Könne das benachbarte Schullandheim unter diesen Umständen überhaupt überleben? Würden Kinder von Flüchtlingen bei der Vergabe von Krippen – und Kitaplätzen bevorzugt? Wie werde die Wasser- und Abwasserversorgung hergestellt, wie die Internetverbindung? Außerdem gebe es auf dem Areal schützenswerte Tulpenbäume, und die Container-Anlage entspreche nicht der Ortsgestaltungssatzung. Maria Spindler (Grüne) nannte die Planungen „menschlich unmöglich“: Jeweils sechs Menschen auf 26 Quadratmetern, die zum Duschen oder zur Toilette in ein anderes Gebäude wechseln müssten. Außerdem sei kein Spielplatz geplant. „Das ist moderner Menschenhandel“, kritisierte Spindler.