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Dieter Rempt: Künstlerischer Nachlass in Schloss Seefeld – Starnberg | ABC-Z

Angefangen hatte alles mit ein paar Bildern, die er zum Rahmen brachte: Ein älterer Herr, der mit einer großen Mappe unter dem Arm zu Fuß von Widdersberg herüberkam und nicht viel von sich erzählte. Irgendwann rückte er dann doch damit heraus, dass er selbst der Künstler war. Schließlich entstand die Idee für eine kleine Ausstellung. Und nun liegt der komplette künstlerische Nachlass von Dieter Rempt in der Kunstwerkstatt von Bettina Siegmund-Felber im Schloss Seefeld: Ein großer Stapel mit Ölkreide- und Pastellzeichnungen, einige wenige Ölgemälde und als besonderer Schatz aus einer Kiste auf dem Dachboden die originalen Druckstöcke für Holzschnitte, die vielleicht sogar aus den späten Fünfzigerjahren stammen.

Erst nach und nach hat Bettina Siegmund-Felber erfahren, mit wem sie es zu tun hatte: Rempt war Gründungsmitglied der Gruppe „SPUR“, einer der bedeutendsten deutschen Künstlergemeinschaften nach 1945. Rempt, 1937 in Suhl in Thüringen geboren, studierte von 1956 an Malerei bei Erich Glette an der Akademie der Bildenden Künste in München. Er saß an jenem denkwürdigen Abend des Jahres 1957 mit dem Bildhauer Lothar Fischer und den Malern Heimrad Prem, Helmut Sturm und HP Zimmer im Wirtshaus „Zum Grünen Eck“ in Schwabing, als die Gruppe SPUR gegründet wurde.

Auch der Maler Josef Konrad Senft, der sich später JKS Hohburg nannte, und Herbert Zeiler, Maler und Jazz-Musiker, waren anwesend. Zu den Gründungsmitgliedern werden außerdem der Glaskünstler Erwin Eisch und seine spätere Frau Gretel Stadler gezählt. Im November 1958 gehörten Rempt, Eisch und Stadler zu den Unterzeichnern des ersten Manifests der Gruppe SPUR, das sehr selbstbewusst mit den Sätzen endet: „Die Welt kann nur durch uns enttrümmert werden. Wir sind die Maler der Zukunft!“.

Als jedoch die vier späteren SPUR-Protagonisten Fischer, Prem, Sturm und Zimmer im Oktober 1959 in der Galerie van de Loo in München ausstellten, hatten sie die Entstehungsgeschichte bereits ein wenig geglättet. Im Ausstellungskatalog heißt es nun: „1957 fanden sich in München einige Maler und Bildhauer zu einer Künstlergruppe zusammen, woraus 1958 die Gruppe SPUR hervorging.“ Diese vier waren es auch, die als Gruppe SPUR Anfang der Sechzigerjahre nicht nur die Kunstszene aufmischten, sondern mit ihren Aktionen sogar die Justiz im erzkonservativen Bayern beschäftigten.

In den Sechzigerjahren ist dieses Ölgemälde auf Leinwand entstanden. (Foto: Arlet Ulfers)
Ein Elefant im Porzellanladen ist auf diesem Bild zu sehen. (Foto: Arlet Ulfers)

Das Sittendezernat der Kriminalpolizei München beschlagnahmte damals eine von der Gruppe herausgegebene Zeitschrift. Es waren gerade die kunstpolitisch provokanten Aktivitäten, mit denen die SPUR-Künstler die Aufbruchstimmung dieser Zeit befeuerten. 1965 löste sich die Gruppe auf. Heute sind Fischer, Zimmer, Sturm und Prem weithin berühmt. In Cham widmet sich das „Museum SPUR“ ihrem Werk, und in Neumarkt in der Oberpfalz werden sie im „Museum Lothar Fischer“ gewürdigt.

Dieter Rempt aber ist als Künstler in Vergessenheit geraten. Er hatte die Gruppe wohl bald wieder verlassen, ein Dokument zu seinem Austritt gibt es nicht. Noch bis 1962 war er an der Akademie eingeschrieben, er lebte jedoch bereits von 1958 an am Pilsensee. In Widdersberg hatte er zunächst eine Art Gartenlaube, die er auch als Atelier nutzte.

Nach Einschätzung seiner Tochter Katharina Rempt hatte er sich dorthin vor dem Akademiebetrieb geflüchtet. Ihr Vater sei ein Einzelgänger und mit sich selbst sehr kritisch gewesen. „Er war nicht der Typ, der in einer Gruppe agiert“, sagt sie. Die Malerei, so vermutet sie, sei nach ihrer Geburt im Jahr 1962 mehr und mehr in den Hintergrund gerückt. Unter dem Druck, eine Familie versorgen zu müssen, arbeitete Rempt viele Jahre lang als technischer Zeichner und Grafiker für verschiedene Industriebetriebe. Nach dem frühen Tod seiner Frau kümmerte er sich allein um seine Tochter.

1974 trat er noch einmal mit einer Einzelausstellung in einer Galerie in Reutlingen an die Öffentlichkeit. Wie aus der Einladungskarte hervorgeht, zeigte er damals kleinteilige Buntstift- und Federzeichnungen. Danach zog er sich weitgehend aus dem Kunstbetrieb zurück. Die meisten seiner frühen Arbeiten hatte er vernichtet.

Die vielen Mappen mit Pastell- und Ölkreidezeichnungen legen jedoch nahe, dass er in all den Jahren immer gemalt hat, wenn auch mehr oder weniger im Verborgenen. Nur weniges hatte vor seinem eigenen kritischen Blick Bestand, selten signierte er ein Bild. Erst spät wollte er wohl einige Blätter verschenken und sie deswegen rahmen lassen. Nur zögerlich willigte er ein, als Bettina Siegmund-Felber ihm eine Ausstellung in ihren Räumen vorschlug. Dann aber starb er am 3. Februar dieses Jahres, wenige Wochen vor der geplanten Eröffnung. Die Ausstellung soll dennoch stattfinden, aber aus der kleinen Werkschau ist nun eine veritable Retrospektive geworden. Zu sehen sind auch zwei abstrakte Gemälde in Öl auf Leinwand aus den Sechzigerjahren. Sie sind mehr als eindrückliche Zeugnisse einer großen Begabung.

Zu den Arbeiten des Künstlers zählen auch viele mehr oder weniger verfremdete Porträts. (Foto: Arlet Ulfers)

Die farbigen Zeichnungen offenbaren einen virtuosen Strich und eine große stilistische Bandbreite. Sie stehen für eine intensive Auseinandersetzung mit den malerischen Strömungen des 20. Jahrhunderts wie auch mit dem Zeitgeschehen. Im Zentrum von Rempts Schaffen stand jedoch seit vielen Jahren die menschliche Figur, der er sich immer wieder aufs Neue näherte: Als Aktzeichnung, als mehr oder weniger verfremdete Porträts und nicht zuletzt in Form von Selbstporträts, die wohl auch für seine große innere Zerrissenheit stehen dürfen. Dazwischen findet sich Heiteres und Merkwürdiges wie der bezaubernde „Elefant im Porzellanladen“, entstanden erst im vergangenen Sommer.

Bettina Siegmund-Felber und ihr Mann Christian Felber haben sich tief in die Lebensgeschichte von Dieter Rempt hineingegraben. Anhand von Briefen und Dokumenten konnten sie viele der undatierten Arbeiten den verschiedenen Schaffensperioden zuordnen. Mit Hilfe eines befreundeten Druckers wollen sie mit den hölzernen Druckstöcken eine kleine Edition herstellen. Motive und Formensprache lassen vermuten, dass es sich um sehr frühe Arbeiten handelt, die seit mehr als einem halben Jahrhundert auf dem Dachboden lagen und dort beinahe für immer vergessen worden wären.

Die Ausstellung mit Arbeiten von Dieter Rempt wird am Samstag, 15. März, um 14 Uhr in der „Kunstwerkstatt“ im Schloss Seefeld eröffnet und ist danach zu den Öffnungszeiten Donnerstag bis Samstag von 13 bis 18 Uhr sowie nach Vereinbarung unter der Telefonnummer 08152-794932 zu besichtigen.

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