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Fürstenfeldbruck: Mehr Wohnraum durch geringere Standards – Fürstenfeldbruck | ABC-Z

Das Eldorado hat zwei Geschosse, quadratische Grundrisse und Außentreppen – Blaupausen mit grünen Fassaden: Die vier Häuser in Puchheim-Ort sind Paradebeispiele für zukunftsfähiges Bauen, wie es sich die vier Politiker auf der Bühne des Veranstaltungsforums Fürstenfeld in größerem Umfang wünschen. Bei der Regionalen Wohnungsbaukonferenz am Donnerstag in Fürstenfeldbruck sind sich Oberbürgermeister Christian Götz (BBV), sein Münchner Kollege Dieter Reiter (SPD), Landrat Thomas Karmasin sowie der bayerische Bauminister Christian Bernreiter (beide CSU) weitgehend einig: Von allein wird die Wohnungsnot in der Münchner Region nicht abklingen. Mit künstlich gedeckelten Mieten und Baulandpreisen auf Dauer auch nicht, zumal dann privaten Bauherren die Anreize für Investitionen fehlen.

Aus der drängendsten Krise kann nur ein Bündel an Maßnahmen führen – das nicht nur auf den geförderten Wohnungsbau abzielen darf, sondern unbedingt auch dem frei finanzierten Pendant einen Schub geben muss. Es ist der Dreiklang aus schnellem und billigem Bauen sowie dem Mut zur Lücke bei der Erfüllung von Normen und Standards. Spielen die Städte und Gemeinden mit, dann könnte der zum 30. Oktober bundesweit in Kraft getretene Bau-Turbo den Weg ebnen. Er erlaubt sogar den Verzicht auf zeitraubende Bebauungspläne, wenn es um Neubauten, Erweiterungen oder Aufstockungen geht.

Man müsse sich aber wohl auch verabschieden von dem Anspruch, allen Menschen gleichermaßen immer den höchsten Wohnstandard garantieren zu wollen, mahnt Reiter im Bewusstsein eines besorgniserregenden Trends, der die Mittelschicht erreicht hat: 50 oder 60 Prozent des Einkommens frisst allein die Miete auf. Deshalb darf von kleineren Wohnungsgrößen bis zu seriellem Bauen „von der Stange“ nichts mehr tabu sein, um eines der drängendsten Probleme der Gegenwart zu lösen. Credo der Debatte vor 300 Tagungsgästen in der historischen Tenne des Veranstaltungsforums Fürstenfeld: besser ein einfaches Dach über dem Kopf als eine unendliche Wohnungssuche auf einem abgegrasten Markt. Gebäudestandard E ist eines der Zauberworte. E wie einfach. E wie effizient.

Finden schnell zu einem gemeinsamen Nenner (von links): Landrat Thomas Karmasin, Fürstenfeldbrucks OB Christian Götz, Bauminister Christian Bernreiter und Münchens OB Dieter Reiter.
Finden schnell zu einem gemeinsamen Nenner (von links): Landrat Thomas Karmasin, Fürstenfeldbrucks OB Christian Götz, Bauminister Christian Bernreiter und Münchens OB Dieter Reiter. (Foto: Johannes Simon)
300 Konferenzteilnehmer haben sich in der Tenne des Veranstaltungsforums Fürstenfeld eingefunden.
300 Konferenzteilnehmer haben sich in der Tenne des Veranstaltungsforums Fürstenfeld eingefunden. (Foto: Johannes Simon)

Dass einfach mitnichten schlecht sein muss, zeigen die vor sechs Jahren auf städtischem Grund errichteten Häuser an der Schwarzäcker Straße in Puchheim. Die sind eines der Ziele der drei morgendlichen Exkursionen zu außergewöhnlichen Bauprojekten rund um den Tagungsort. Puchheims Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) und Johann Stürzer, Chef der Städtischen Wohnraumentwicklungsgesellschaft Puchheim, sind sichtlich stolz auf die vier zweigeschossigen Holzhäuser, die in nur neun Monaten in kostensparender Modulbauweise und damit „von der Stange“ errichtet wurden.

Auf Kostentreiber wie Tiefgarage, Aufzug, Keller und Treppenhaus wurde verzichtet. Nicht aber auf Einbauküche, Wärmepumpe und Photovoltaik-Anlage für die Strom-Eigenversorgung. Die Wohnungen in zwei Häusern wurden regulär vermietet, die in den beiden anderen an obdachlos gewordene Menschen sowie an Geflüchtete aus der Ukraine vergeben. Die Quadratmetermiete beträgt zurzeit (noch) konkurrenzlos günstige 13 Euro – und das im frei finanzierten Wohnungsbau, also völlig ohne öffentliche Fördermittel.

31 Wohnungen sowie Gemeinschaftsräume: die Anlage der Wohnungsbaugenossenschaft Wohngut in Olching.
31 Wohnungen sowie Gemeinschaftsräume: die Anlage der Wohnungsbaugenossenschaft Wohngut in Olching. (Foto: Johannes Simon)

Auch wenn sie nach Meinung des Fürstenfeldbrucker Landrats Thomas Karmasin eine Nische bleiben: Wohnungsbaugenossenschaften sind nach Einschätzung von Oberbürgermeister Christian Götz ebenfalls „ein interessanter Baustein“, um die Kosten für den Wohnungsbau im Rahmen zu halten. Das zeigt das Mehrgenerationen-Projekt Wohngut Olching am Großen Berg, das in der Nachbarschaft eines kommunalen Bauprojekts in Erbpacht entstanden ist und 31 Wohnungen sowie Gemeinschaftsräume umfasst.

Genossenschaften können, anders als kommunale Bauträger, pauschal und ohne Ausschreibung Arbeiten vergeben, wodurch oftmals die Kosten gesenkt werden können. Und sie müssen keine Gewinne einfahren, müssen lediglich kostendeckend arbeiten. Die Genossenschaftsmitglieder sind „Mieterinnen und Mieter im eigenen Haus“. Ergebnis in Olching: Mieten um die 14 Euro.

Viele Wege führen also zum Ziel, das Reiter bei der Podiumsdiskussion unter dem Motto „Zusammenleben gestalten. Gemeinsam investieren in die Zukunft“ so in Worte fasst: „bezahlbarer Wohnraum für möglichst viele.“ Das Maximum für alle kann nicht einmal Bayern als „deutscher Meister im geförderten Wohnungsbau“ (Bernreiter) leisten. Dafür würden die im Doppelhaushalt reservierten 3,6 Milliarden Euro nicht reichen.

Potenzial sehen Dieter Reiter und Christian Bernreiter freilich noch im privatwirtschaftlichen Bereich. Sie appellieren an leistungsfähige und finanzstarke Unternehmen, viel mehr eigene Werkswohnungen für ihre Mitarbeiter zu errichten.

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