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Dieter Baumann: Bis heute gibt die „Zahnpasta-Affäre“ der Sportwelt Rätsel auf | ABC-Z

Vor 25 Jahren kam es zu einem Vorfall, der die deutsche Sportszene bis heute beschäftigt: Dieter Baumann, Leichtathletik-Olympiasieger von 1992, wurde wegen Dopings gesperrt – zu Unrecht, wie er sagt. Nach wie vor beteuert er seine Unschuld und spricht von einem „perfekten Verbrechen“.

Eine Zahnpasta-Tube und ein Olympiasieger, dessen Karriere sich von einem Tag auf den anderen schlagartig veränderte, standen im Mittelpunkt eines der größten Rätsel der deutschen Sportgeschichte: Vor 25 Jahren, am 19. November 1999, erschütterte eine Nachricht die Szene. Der renommierte Langstreckenläufer Dieter Baumann wurde vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) mit sofortiger Wirkung suspendiert.

Grund dafür waren zwei positive Dopingtests, die bei Trainingskontrollen am 19. Oktober und 12. November durchgeführt worden waren. In beiden Proben wurde ein weit über dem erlaubten Grenzwert liegender Anteil des anabolen Steroids Nandrolon nachgewiesen.

Der Fall nahm eine überraschende Wendung, als am 3. Dezember Untersuchungsergebnisse des Kölner Doping-Labors bekannt wurden. Professor Wilhelm Schänzer, Leiter des Labors, gab an, dass das anabole Steroid Norandrostendion in Baumanns Zahnpasta gefunden worden war. Diese Entdeckung führte zur sogenannten „Zahnpasta-Affäre“, die bis heute ungeklärt ist.

„Ich konnte es nicht glauben“

Dieter Baumann beteuerte von Anfang an seine Unschuld, zumal der Olympiasieger von 1992 über 5000 Meter stets als Vorkämpfer gegen Doping aufgetreten war. Am 25. November erklärte er an Eides statt, niemals Dopingmittel genommen zu haben.

Nach Bekanntwerden der Zahnpasta-Kontamination sprach Baumann von einem „kriminellen Akt“ und erstattete Strafanzeige wegen vorsätzlicher Körperverletzung. „Ich konnte es nicht glauben, denn es konnte nicht sein. Ich hatte und habe nie etwas zu mir genommen, Dopingmittel, und deswegen konnte es nicht sein, dass eine Kontrolle von mir positiv ist“, sagte der ins Fadenkreuz geratenen Mann später über den bis dato beispiellosen Vorgang.

Es folgte ein langwieriger juristischer Kampf. Zunächst beantragte der DLV eine zweijährige Sperre für Baumann. Nach mehreren Gerichtsverhandlungen hob der Rechtsausschuss des DLV am 23. Juni 2000 die Suspendierung auf, da kein dringender Tatverdacht wegen Dopings mehr bestand. Der als „weißer Kenianer“ bezeichnete Ausdauerläufer durfte wieder an Wettkämpfen teilnehmen – und erfüllte sogar die Olympianorm für die Sommerspiele 2000.

Die Freude über den Freispruch währte jedoch nur kurz. Der Internationale Leichtathletik-Verband (IAAF) widersetzte sich dem Urteil des DLV-Rechtsausschusses. Am 18. September 2000, kurz vor dem Start der Olympischen Spielen in Sydney, sperrte die IAAF Baumann für zwei Jahre.

Selbst Experten standen vor einem Rätsel – und vermuteten späte Einflüsse durch den Staatssicherheitsdienst der DDR. „Baumann hat sich sehr für den Kampf gegen Doping engagiert. Seine Zahnpastatuben waren verseucht, erwiesenermaßen eine alte Stasi-Methode. Baumann hat zu viele Leute an sich rangelassen“, sagte Molekularbiologe und Dopingkritiker Werner Franke 2006 dem „Spiegel“.

Fragen und Debatten

Bis heute bleibt der Fall Dieter Baumann ein ungelöstes Rätsel des deutschen Sports. Die Frage, ob Baumann tatsächlich dopte oder Opfer einer Intrige wurde, konnte nie abschließend geklärt werden. Der am 9. Februar 1965 in Blaustein/Baden-Württemberg geborene Baumann selbst beteuert nach wie vor seine Unschuld und spricht von einem „perfekten Verbrechen“.

Die „Zahnpasta-Affäre“ hat nicht nur Baumanns sportliche Karriere nachhaltig beeinflusst, sondern auch die öffentliche Wahrnehmung des einstigen Anti-Doping-Kämpfers verändert. Sie bleibt ein dunkles Kapitel in der Geschichte des deutschen Sports, das auch 25 Jahre später noch Fragen aufwirft und Diskussionen anregt. „Die Sache mit der Zahnpasta gehört zu meiner Vita. Ich gehe nicht auf dem Mond spazieren, sondern auf der Erde“, so Baumann, der 40 nationale Meistertitel gewann und mit dem sensationellen Olympiasieg 1992 für einen Coup sorgte, einst in einem Interview.

jb

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