Diesel-Knall in München: Umwelthilfe wirftOB Reiter Rechtsbruch vor | ABC-Z
München – Ein Knall mit Ansage? Wie die Deutschen Umwelthilfe (DUH) bereits am Mittwochabend auf der eigenen Webseite mitteilte, hat die Stadt München beim Dieselfahrverbot eine herbe Schlappe erlitten. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat in einem Beschluss, der der Abendzeitung vorliegt, festgestellt, dass die Nichtzulassungsbeschwerde der Landeshauptstadt München zurückgewiesen wird.
Was kompliziert klingt, ist eigentlich ganz einfach: Die Stadt München wollte die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 21. März 2024 für mehrstufige Dieselfahrverbote – insbesondere für Diesel-5-Fahrzeuge – in der Landeshauptstadt abwenden. Das Gericht hatte aber keine Revision zugelassen. Dagegen erhob die Stadt München Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Das oberste Gericht aus Leipzig schreibt dazu nun im Beschluss: “Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.”
Damit ist das ursprüngliche Urteil des Verwaltungsgerichtshofs gültig und auch die darin geforderten erweiterten Dieselfahrverbote. Im Beschluss des obersten Gerichts aus Leipzig ist dazu zu lesen: “Soweit sich etwa (beschränkte) Verkehrsverbote für (bestimmte) Dieselfahrzeuge als die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener NO2-Grenzwerte erweisen, sind derartige Maßnahmen mithin aus unionsrechtlichen Gründen zu ergreifen.”
Gegen geltendes Recht verstoßen?
Für die Deutsche Umwelthilfe ergeben sich aus dem Beschluss ganz klare Konsequenzen: München muss den Luftreinhalteplan umgehend ändern und ein Diesel-Fahrverbote verhängen. Die Stadt München habe mit der Einführung von Tempo 30 statt der gerichtlich angeordneten Diesel-Fahrverbote gegen geltendes Recht verstoßen.
“Schlusspunkt unter jahrelanger Auseinandersetzung”
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch sagt, dass das Bundesverwaltungsgericht endgültig klargestellt habe, dass die Stadt München die gerichtlichen Vorgaben ignoriert und die Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger gefährdet habe. “Der Versuch, mit Tempo 30 die Einführung der notwendigen Diesel-Fahrverbote zu umgehen, war rechtswidrig. Oberbürgermeister Reiter hat diesen Rechtsbruch begangen und muss jetzt endlich handeln”, so Resch. Von der Stadt München fordert er die umgehende Umsetzung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und die Einführung der notwendigen Fahrverbote, “um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und die Einhaltung der ohnehin viel zu laschen gesetzlichen Grenzwerte zu gewährleisten”.
Das sieht auch DUH-Rechtsanwalt Remo Klinger so. München sei die letzte deutsche Stadt, der es nicht gelinge, die Luftgrenzwerte einzuhalten. “Die heutige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts setzt einen Schlusspunkt unter eine jahrelange Auseinandersetzung”, so Klinger.
Tempo 30 hat Wirkung gezeigt: Das sagt Dieter Reiter zum Beschluss aus Leipzig
Ist mit dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts alles eindeutig geklärt in Sachen Fahrverbot in München? Gegenüber der Abendzeitung teilt Oberbürgermeister Dieter Reiter mit, dass man das jetzt rechtskräftige Urteil akzeptieren werde. Er habe sein Fachreferat gebeten, das weitere Vorgehen zu prüfen und dem Stadtrat zur Entscheidung vorzulegen. Aber einen Hinweis möchte Reiter loswerden: “Die Einführung von Tempo 30 hat Wirkung gezeigt, die Werte sind gesunken und die Grenzwerte wurden seit Einführung von Tempo 30 im Juni hier durchwegs eingehalten.” Auch wenn grundsätzlich der Jahresmittelwert gelte, sei das ein Hinweis, dass das Tempolimit auf der Landshuter Allee zu einer Verbesserung der Luftwerte geführt habe.
Ähnlich äußert sich auch Grünen-Fraktionschefin Mona Fuchs gegenüber der AZ: “Wir Grüne nehmen Gerichtsentscheidungen immer ernst.” Was die jetzige Situation angehe, sei allerdings noch vieles im Unklaren, “da noch keine witterungsbereinigten Werte vorliegen”. Man warte ab, was die Verwaltung nach juristischer Beratung vorschlägt.
Keinen Grund für große Sorgenfalten
Anne Hübner, Fraktionsvorsitzende der SPD, sagt: “Selbstverständlich akzeptieren wir das Gerichtsurteil. Wir warten jetzt auf die Vorlage des Fachreferats, fänden es aber auf jeden Fall sehr ärgerlich, wenn es jetzt zwangsläufig zu weiteren Fahrverboten käme, obwohl die Messwerte an der Landshuter Allee seit Einführung von Tempo 30 konstant unter dem Grenzwert von 40 Mikrogramm liegen.”
Bei der Stadtratsfraktion aus CSU und Freien Wählern sieht man keinen Grund für große Sorgenfalten. Der umweltpolitische Sprecher Sebastian Schall sagt auf AZ-Nachfrage: “Der Stadtrat hat sich mehrheitlich auf Tempo 30 geeinigt, Anfang des Jahres werden die Auswirkungen evaluiert.” Das wolle man abwarten. Man zeige sich aber erfreut über die positive Tendenz, von der OB Reiter bei den Werten spreche. Fest stehe für Schall aber auch: “Münchens Luft wird seit Jahren immer sauberer. Selbst minimale Überschreitungen an nur einem Punkt im Stadtgebiet rechtfertigen kein flächendeckendes Fahrverbot.”
Tatsächlich überschreitet München seit Jahren die Grenzwerte für Stickstoffdioxid. Mit der Deutschen Umwelthilfe hatte die Stadt deshalb einen Stufenplan ausgehandelt, der Stadtrat hatte dem zugestimmt.
Tempo 30 statt Dieselfahrverbot: Es gab Bedenken aus der Verwaltung
Im Rahmen des Luftreinhalteplans gilt in München bereits seit dem 1. Februar 2023 mit Stufe 1 ein zonales Fahrverbot für Dieselfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 4. Das Verbot erstreckt sich auf die Umweltzone innerhalb der Grenzen des Mittleren Rings. Zur Ausweitung auf Stufe 2 und Stufe 3 kam es nicht mehr: Damit sollte das zonale Fahrverbot für Diesel der Schadstoffklasse Euro 5 ab dem 1. Oktober 2023 gelten und der Wegfall allgemeiner Ausnahmen für Anwohner- und Lieferverkehr ab dem 1. April 2024.
Statt das Dieselverbot zu verschärfen, entschied man sich im April auf einem 2,5 Kilometer langen Abschnitt auf der Landshuter Allee Tempo 30 einzuführen. Das hat eine Mehrheit des Stadtrats so beschlossen – trotz erheblicher Bedenken aus der Verwaltung. Klimareferentin Christine Kugler (parteilos) hielt die Maßnahme damals weder für rechtmäßig noch für zielführend. Kugler plädierte dafür, für Euro-5-Diesel ein Fahrverbot innerhalb und auf dem Mittleren Ring zu erlassen – mit Ausnahmen für Anwohner, Lieferverkehr, Schichtdienstleistende und andere Gruppen.
Und: Laut Klimareferat seien die Werte im April praktisch identisch wie im Vorjahr 2023 gewesen. Die Deutsche Umwelthilfe verklagte die Stadt und bekam recht. Im Urteil heißt es: Die Stadt sei “verpflichtet, weitere, über die bereits angeordneten Verkehrsverbote hinausgehende Fahrverbote für Dieselfahrzeuge anzuordnen”. Genau an diesem Punkt vom März 2024 ist die Stadt München mit dem Beschluss aus Leipzig jetzt wieder angekommen.