Politik

Diese zwei Konflikte drohen Schwarz-Rot | ABC-Z

Exportweltmeister ist Deutschland zwar schon länger nicht mehr. Nach China und den USA gehört die deutsche Wirtschaft aber immer noch zu den Größten im Welthandel. Im Wahlkampf, der sich oft um innenpolitische Fragen drehte, ist das untergegangen. Doch nun werden Union und SPD auch darüber verhandeln müssen, wie die künftige Außenwirtschaftspolitik aussehen wird. Dies sind die wichtigsten Positionen und Streitpunkte:

Nationalismus versus Globalisierung

Im Prinzip scheinen sich CDU/CSU und SPD in ihrer Haltung zur Weltwirtschaft einig zu sein: „Antworten wie die Rückbesinnung aufs Nationale oder die rücksichtslose Verfolgung kurzfristiger eigener Interessen werden unsere Sicherheit und unseren Wohlstand nicht schützen“, heißt einer der Sätze im Wahlprogramm der Sozialdemokraten, und die Christdemokraten warnen vor „geoökonomischen Herausforderungen“, die ein „ernstes Problem für unsere Wirtschaft“ darstellten. Diese Positionen schienen in der deutschen Politik lange Konsens zu sein. In einem neuen Parteiensystem mit AfD und BSW sowie einer „America First“-Politik in Washington mussten die langjährigen Regierungsparteien dies offenbar nochmals betonen.

Folgerichtig sprechen sich beide Seiten für Freihandelsverträge aus. Beide setzen sich für eine zügige Ratifizierung des Mercosur-Abkommens mit Lateinamerika ein, dem mindestens noch EU-Kommission und EU-Parlament, womöglich aber auch die nationalen Parlamente zustimmen müssen. Auch ein entsprechendes Abkommen mit Indien, dem bevölkerungsreichsten Staat der Erde, unterstützen Union wie SPD. Allerdings ist das Verhältnis belastet, der deutsche Kaffeeverband etwa hat jüngst davor gewarnt, dass Brüssel im Zollstreit mit Indien Einführzölle auf Kaffee erheben könnte.

Verhandlungen mit der Afrikanischen Union (African Union, AU) und der Vereinigung der südostasiatischen Staaten (Association of Southeast Asian Nations, ASEAN) werden von beiden Parteien ebenfalls deutlich befürwortet, auch „um das Feld nicht China und Russland zu überlassen“, wie es bei CDU/CSU heißt.

Differenzen zeigen sich dort, wo beide Parteien Bedingungen an diese Freihandelsabkommen stellen: Die Union betont  etwa den Schutz der deutschen Landwirtschaft vor günstigeren Importen etwa aus Lateinamerika. Die SPD will über diese Verträge „soziale Rechte wie auch Menschenrechte stärken, Umwelt und Klima schützen“.

Die Zukunft des Lieferkettengesetzes

Ein Streitpunkt in Koalitionsverhandlungen dürfte das Lieferkettengesetz werden. Das Gesetz, das seit 2023 gilt, verpflichtet Unternehmen mit mindestens eintausend Beschäftigten, auch bei ihren Zulieferern auf die Einhaltung von menschenrechtlichen und umweltbezogenen Standards zu achten. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte im Juni 2024 im Bundestag versucht, das Gesetz zu kippen, das Union und SPD unter Kanzlerin Angela Merkel ausgehandelt hatten. „Das nationale Lieferkettengesetz schaffen wir ab“, heißt es dementsprechend im CDU-Wahlprogramm.

Damit wissen sie den Sozialdemokraten Olaf Scholz sogar auf ihrer Seite. Der Noch-Bundeskanzler hatte auf dem Arbeitgebertag die Abschaffung des Gesetzes versprochen. Allerdings hatte seine Partei im Bundestag die Regelung im Sommer verteidigt. In ihrem Wahlprogramm wird das nationale Gesetz zwar nicht explizit erwähnt, aber es wird darauf verwiesen, dass seit Juli 2024 eine entsprechende EU-Richtlinie gilt, die dem deutschen Recht ähnelt. „Von klaren Regelungen und gleichen Voraussetzungen für alle in Europa profitieren insbesondere deutsche Unternehmen, die schon jetzt auf starke Standards setzen.“ Dies EU-Richtlinie muss bis Mitte 2026 in nationales Recht umgesetzt werden.

„Selbstbewusst“ gegenüber China

China ist knapp nach den USA der wichtigste Außenhandelspartner Deutschlands, mit einem Außenhandelsumsatz (Import plus Export) von 246,3 Milliarden Euro. Union wie SPD sehen das Verhältnis jedoch nicht unkritisch. „China positioniert sich immer schärfer gegen die freiheitlichen Demokratien und agiert zunehmend expansiv in seiner Nachbarschaft und weit darüber hinaus“, heißt es von den Konservativen. „Nach außen tritt China immer selbstbewusster und auch aggressiver auf“, bemerken die Sozialdemokraten.

Tonal different, aber im Chor sprechen beide Seiten davon, sie wollten den Chinesen mit klareren Positionen als bisher gegenübertreten. Die Union will Peking „selbstbewusst“ begegnen, die SPD spricht von einem „robusten Dialog, in dem wir auch kontroverse Themen offen diskutieren“. Beide sprechen sich für „De-Risking“ aus, den Abbau wirtschaftlicher Abhängigkeiten etwa bei Rohstoffen und Technologie, etwa indem alternative Lieferanten gefunden werden. CDU/CSU wollen dafür die Produktion von Halbleitern und Batteriezellen in Europa fördern, wie es im Wahlprogramm vom Dezember 2024 heißt. Die Subventionen für den schwedischen und insolventen Batteriehersteller Northvolt hatten sie kurz zuvor noch als „desaströse Steuerverschwendung“ bezeichnet.

Wenige Antworten auf die USA

Vergleichsweise wenig ist in den Wahlprogrammen zu den Wirtschaftsbeziehungen mit den Vereinigten Staaten enthalten, auch wenn beide Programme nach der Wahl Donald Trumps formuliert und beschlossen wurden. Beide sprechen davon, die Partnerschaft vertiefen zu wollen. „Wir setzen alles daran, Handelshemmnisse abzubauen und einen Subventionswettlauf mit den USA zu vermeiden“, heißt es bei den Sozialdemokraten, die Union wirbt für einen „transatlantischen Wirtschafts-, Handels- und Zukunftsraum“. US-Präsident Donald Trump hatte im Februar konkret Zölle auf Stahl und Aluminium angekündigt, allgemein gedroht hatte er damit auch schon vor der Wahl.

Friedrich Merz hatte als Kanzlerkandidat von einer „gefährlichen Zollspirale“ gewarnt und angekündigt, sich für abermalige Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP) stark zu machen. Die TTIP-Verhandlungen waren 2017 in der ersten Trump-Amtszeit von Washington gestoppt worden. Der SPD-Handelspolitiker Bernd Lange sagte dagegen im Gespräch mit F.A.Z. PRO Weltwirtschaft, er sehe für TTIP derzeit „keine Möglichkeit“.

Knackpunkt Klima

Rhetorisch liegen Union und SPD beim Klimaschutz auf einer Linie: Die Union spricht von der „Menschheitsaufgabe Klimawandel“, die SPD von der „globalen Herausforderung“. 

Überschneidungen gibt es auch beim Ziel, Klimaneutralität zu erreichen – wenn auch womöglich etwas später als bislang geplant. Die Union sagt, sie habe das von der Ampelkoalition ausgegebene Zieljahr 2045 „fest im Blick“, stellt es aber zugleich unter den Vorbehalt, dass der „Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft“ gewahrt werde. Die SPD erklärt, sie bekenne sich „klar zu den Klimazielen für Deutschland und die EU“ – für die EU gilt das Jahr 2050. Zudem müsse die Umsetzung „sozial gerecht“ erfolgen. Vor der Wahl waren Forderungen laut geworden, die deutsche Jahresvorgabe um fünf Jahre zu verschieben.

Unterschiede zeigen sich mit Blick auf die Konsequenzen: Für die Union ist Klimapolitik zunächst eine bürokratische Belastung: Sie stellt sich beispielsweise gegen eine Einstufung von Investitionen nach Nachhaltigkeitskriterien (EU-Taxonomie) oder gegen die Pflicht zu Nachhaltigkeitsberichten in Unternehmen. Einen Bremsklotz sieht sie zudem in den sogenannten klimapolitischen Leitlinien für Exportkreditgarantien. Diese Leitlinien des bisher grün geführten Wirtschaftsministeriums für die Sektoren Energie, Transport und Industrie sehen vor, dass die staatlichen Garantien bei klimafreundlichen Technologien und Produkten günstiger sein sollen und klimaschädliche keine Ausfallgarantie erhalten sollen. Diese Einteilung in „gewünschte und weniger gewünschte Wirtschaftstätigkeit deutscher Unternehmen im Ausland“ schade der Wirtschaft und verwehre ihr den Zugang zu Finanzierung.

Keine nationale Kontrolle der Rüstungsexporte mehr

Nachhaltigkeitskriterien sieht die Union auch als Hindernis für den Aufbau einer europäischen Verteidigungsindustrie. Die Kriterien würden den Unternehmen den Zugang zu Kapital erschweren, heißt es.

Ansonsten sprechen sich CDU/CSU wie SPD für einen Ausbau der europäischen Rüstungsindustrie aus. „Ein sicheres Europa braucht eine gut aufgestellte europäische Verteidigungsindustrie“, heißt es bei den Sozialdemokraten. Die Union sieht sie „von strategischer Bedeutung für die europäische Souveränität“. Gefördert werden soll die Industrie durch mehr europäische Kooperation der Hersteller und gemeinsamer Beschaffung durch die Mitgliedstaaten. Beide sprechen sich dafür aus, dass nicht länger die Bundesregierung die Rüstungsexporte – etwa nach Saudi Arabien – regelt, sondern sehen diese Aufgabe bei der EU.

Die Union will wieder eine Art der Wehrpflicht einführen und die Bundeswehr um zehn Prozent auf 203.000 Soldaten aufstocken. Wie sie will auch die SPD künftig mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgeben, aktuell sind es 2,1 Prozent. Das sei auch deshalb nötig, da „Washington nicht mehr die Hauptlast für den Schutz Europas tragen wird“.

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