Diese Abschieds-Show hätte nicht seine letzte sein sollen | ABC-Z

Thomas Gottschalk steht noch einmal in einer Samstagabendshow. Sein letzter. „Macht euch um mich bitte keine Sorgen“, sagt er vorab auf Instagram. Doch der Abend zeigt: Sorgen macht sich an diesem Abend kaum jemand um ihn – sondern vor allem um die Sendung, die ihn eigentlich feiern soll.
Die Kölner Band Kasalla spielt „Adios Amigos“, das Publikum hält Plakate hoch: „Tommy, du bist eine Legende“, „Wetten, dass wir dich vermissen“. Barbara Schöneberger sagt: „Wir sind heute alle ein bisschen Gottschalk.“ Günther Jauch steht daneben – beide im Schottenrock – und kündigt an: „Wir wollen eine richtig schöne, tolle, abenteuerliche Sendung machen.“ Es ist ein Satz, der sich im Verlauf der Sendung immer mehr wie ein frommer Wunsch anhört.
Der Liveticker zum Gottschalk-Abschied zum Nachlesen: Um 22.13 Uhr endet die TV-Karriere von Thomas Gottschalk
Gottschalk wirkt müde – und überlässt die Bühne seinen Co-Moderatoren
Gottschalk steht auf der Bühne, trägt einen dunklen Anzug. Doch er sagt kaum etwas. Seine Aussprache wirkt verlangsamt, seine Sätze sind kürzer als früher. Immer wieder schweift sein Blick nach oben, in eine Ferne, die vielleicht Privatsphäre heißt. Manchmal lächelt er. Seine Co-Moderatoren übernehmen. Schöneberger übernimmt Witze, Jauch die Struktur. Giovanni Zarrella und Jörg Pilawa spielen das gegnerische Team, Mike Krüger fungiert als verbindendes Element aus früheren Show-Zeiten: mal Moderator, mal Kommentator, mal Running Gag.
Gottschalk wirkt dagegen, als wolle er niemanden belasten – und als wäre jeder Satz, den er nicht sagt, ein Akt von Vorsicht. Seine Krankheit schwebt sichtbar im Raum, fast wie ein zweiter Gast.
Peinlich oder Kult? Die Spiele sorgen für Fremdscham-Momente
Bis dahin versucht die Show krampfhaft lustig zu sein. Manchmal ist sie es. Meistens wirkt sie wie aus einer Zeit gefallen, in der Fernsehunterhaltung auf Kosten anderer funktionierte. Ein Beispiel: Beim Tic-Tac-Toe-Spiel scheitern Kandidaten, auf die die Promis setzen müssen, an Fragen wie: „Wie heißt der Bundespräsident?“ oder „Welche Farben haben die olympischen Ringe?“ Barbara Schöneberger kommentiert: „Ich liebe dieses Spiel.“
In der Sendung „Denn sie wissen nicht, was passiert“ mit Schöneberger, Gottschalk und Jauch (v.l.n.r.) werden lustige Spiele gespielt – doch nicht bei allen geht das Konzept auf, findet unsere Autorin.
© Julia Feldhagen/RTL/dpa | Julia Feldhagen
Es ist eine Art Humor, der an alte Gottschalk-Abende erinnert – allerdings an jene, über die man später diskutiert hat. An Witze, die zu viel waren. An Momente, die verletzten.
Ironischerweise wirkt ausgerechnet der Mann, für den diese Art Unterhaltung einmal stand, heute wie der Einzige, der damit nichts mehr anfangen kann. Er schweigt.
Jauch-Interview über Gottschalks Krebs: Ein unangenehmes Gespräch
Erst spät am Abend wird es leise. „Thomas, komm“, bittet Günther Jauch seinen Kollegen, für ein Gespräch Platz zu nehmen. Gottschalk setzt sich, lehnt sich zurück, die Arme verschränkt. „Mir geht es ausgezeichnet“, sagt er erst – und im gleichen Atemzug wird klar, dass dieser Satz weniger Bericht ist, sondern ein Versuch, die Kontrolle zu behalten.
Jauch fragt nach der Diagnose „epitheloides Angiosarkom“, wie er mühsam vorliest. „Ich rede da nicht gerne drüber. Gerade eine Krebserkrankung ist etwas sehr Privates.“ Dann erzählt er doch. „Das ist sehr selten und sehr gefährlich“, so Gottschalk – und setzt seinen Bericht fort: Eine Operation am Harnleiter, ein Stück Blase entfernt, ein Muskel im Oberschenkel durchtrennt. „Darunter leide ich immer noch“, sagt er, und in dem Moment schaut er wieder nach oben – weit weg, wie jemand, der sich nicht auf seine eigene Verletzlichkeit konzentrieren will.
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Gottschalk erzählt von „Brain Fog“ bei der Bambi-Gala und der Romy-Verleihung
Jauch lässt ihn nicht ausweichen. „Ist jetzt alles weg?“ „Das kann man nur hoffen. Ich bin ein positiver Mensch.“ Zwischendurch blitzt Humor durch. Brain Fog – „Das ist schon öfter passiert“, scherzt Gottschalk – „nur hat’s früher keiner bemerkt.“ Doch an zwei Abenden wurde es deutlich, bei der „Bambi“-Gala und der „Romy“-Verleihung.
Jauch holt Erinnerungen hervor. Einmal seien sie gemeinsam Auto gefahren. Am Straßenrand habe ein weinendes Mädchen gestanden. Gottschalk sei schließlich ausgestiegen, um sie zu trösten. Gottschalk umarmte die Fremde, hörte ihr zu, und am Ende winkte sie lachend hinter ihm her. „In dem Moment habe ich verstanden, warum du das 50 Jahre im Fernsehen geschafft hast“, sagt Jauch. Gottschalk lächelt – erschöpft, aber echt. „Da war ich wohl ein frühzeitiger Influencer.“
„Der Instagram-Kanal wird dichtgemacht“, kündigt er dann an. „Ab einem gewissen Punkt hat die Öffentlichkeit nichts mehr mit mir zu tun.“ Jauch fragt, ob ihm nicht langweilig werde. „Vielleicht. Dann rufe ich dich an.“
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Abschied am Lagerfeuer: Mike Krügers Song für Gottschalk
Nach dem Gespräch folgt ein letzter Programmpunkt, der als Abschiedsgeste gedacht ist: Ein künstliches Lagerfeuer erscheint, Mike Krüger setzt sich mit Gitarre neben die anderen prominenten Gäste. Er singt einen umgetexteten Song – mal persönlich, mal ironisch, immer mit Blick auf die Gottschalks Fernsehhistorie. „Und hat zufällig manche Dame gestreift – doch jetzt ist er älter und streift nur noch Omas, die Kritiker seufzen: Mein Gott, Thomas“, singt er da zum Beispiel. Gottschalk lächelt – so, als würde er die Zeile akzeptieren, wie alles, was diese lange Karriere mitgebracht hat.
Dann steht er auf – und kommentiert trocken: „Das sieht man nicht oft im deutschen Fernsehen: Ein Mann geht in Rente.“ Er gibt seinen Gästen die Hand, winkt ins Studio, fragt ein Mädchen, ob sie weiß, wer er sei – halb Scherz, halb Abschiedsritual. Goldenes Konfetti fliegt durch die Luft und am Ende der Treppe wartet seine Partnerin Karina. Als er schließlich weg ist, bleiben Jauch, Schöneberger, Pilawa, Krüger und Zarella zurück. „Jetzt müssen wir’s allein schaffen“, sagt Schöneberger – und setzt den Spieleabend fort. Ohne denjenigen, um den es eigentlich ging.

















