Vielfach in Skandale verwickelt: Rechtsextremer „Teufel der Nation“ Le Pen liebte die Provokation | ABC-Z

Vielfach in Skandale verwickelt
Rechtsextremer „Teufel der Nation“ Le Pen liebte die Provokation
07.01.2025, 18:03 Uhr
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Jean-Marie Le Pen wurde während seines Lebens mehrfach wegen Leugnung des Holocausts verurteilt. Für ihn waren die Gaskammern nur ein „Detail der Geschichte“. Jetzt ist der 96-Jährige gestorben und verpasst eine mögliche baldige Präsidentschaft seiner Tochter.
Er wird die mögliche Krönung seines Lebenswerks nicht mehr erleben: Der rechtsextreme Politiker Jean-Marie Le Pen hätte es nur allzu gerne gesehen, dass seine Tochter Marine Le Pen französische Staatspräsidentin wird. Er selbst hatte das Amt fünfmal vergeblich angestrebt. 2002 hatte Jean-Marie Le Pen es überraschend in die Stichwahl gegen Jacques Chirac geschafft und damit einen Aufschrei im Land ausgelöst. Am heutigen Dienstag starb er im Alter von 96 Jahren.
Über sieben Jahrzehnte war Jean-Marie Le Pen im politischen Leben Frankreichs präsent. In dieser Zeit machte er die von ihm mitgegründete rechtsextreme Partei Front National zu einer einflussreichen Kraft – bevor er die Zügel widerstrebend seiner Tochter Marine überließ. Diese wurde zur politischen Vatermörderin, versöhnte sich mit ihrem Vater aber zu dessen 90. Geburtstag wieder.
International ist Le Pen vor allem wegen seiner unablässigen Provokationen in Erinnerung geblieben, die ihm den Spitznamen „Teufel der Nation“ eintrugen. Seine Behauptung, die Gaskammern der Nazi-Zeit seien lediglich ein „Detail der Geschichte“ gewesen, wiederholte er häufig öffentlich. Mehrfach wurde er wegen Leugnung des Holocausts und Anstachelung zum Rassismus verurteilt.
An Folterungen beteiligt
Le Pen kam als einziger Sohn eines bretonischen Fischers auf die Welt und besuchte eine Jesuitenschule. Er studierte Jura, wurde Anwalt und meldete sich zum Einsatz in Indochina, wo er jedoch erst nach dem Ende der Kämpfe eintraf.
Mit 27 Jahren wurde Le Pen 1956 als damals jüngster Abgeordneter für eine rechtsradikale Splitterpartei erstmals ins französische Parlament gewählt. Im selben Jahr meldete er sich zum Einsatz im Algerienkrieg. Ein französisches Gericht kam später zu dem Schluss, dass Le Pen sich dort an Folterungen von Unabhängigkeitskämpfern beteiligte. Er selbst hatte sich anfangs dazu bekannt, es später aber bestritten.
Die 1972 von ihm mitgegründete rechtsextreme Partei Front National hatte zunächst einen lahmen Start, bei der Parlamentswahl im folgenden Jahr kam sie lediglich auf gut ein Prozent. 1974 kandidierte Le Pen erstmals für die Präsidentschaftswahl und holte lediglich 0,7 Prozent der Stimmen.
Le Pens Privatleben verlief zeitweise turbulent: Ende der 80er Jahre trennte sich Le Pens Frau von ihm, mit der er drei Töchter hatte. Ein öffentlich ausgetragener Scheidungskrieg des Paares hatte seinen Höhepunkt im Nacktauftritt seiner Frau im „Playboy“, nachdem er ihr nahegelegt hatte, sich als Putzfrau zu verdingen. Sie soll ihm zudem aus Rache sein Glasauge weggenommen haben. Sein Augenlicht hatte Le Pen bei einer Schlägerei bei einer Wahlkampfveranstaltung verloren.
Scheitert in Stichwahl um Präsidentenamt
Einen politischen Durchbruch feierte Le Pen 1984 mit dem Einzug seiner Partei ins Europaparlament, befördert durch ausländerfeindliche Wahlkampfparolen. „Eine Million Arbeitslose = eine Million zu viele Einwanderer“, hieß es damals.
2002 kam Le Pen dann in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl auf 17 Prozent und zog am Sozialisten Lionel Jospin vorbei in die Stichwahl ein. Damals gingen mehr als eine Million Menschen auf die Straße, um einen Wahlsieg des Rechtsextremisten zu verhindern. Chirac gewann die Wahl schließlich mit 82 Prozent.
Anschließend begann Le Pens Stern zu sinken. Marine Le Pen übernahm 2011 die Führung der Partei und distanzierte sich von den extremen Positionen ihres Vaters. „Entteufelung“ nannte sie ihre Strategie mit Blick auf den Spitznamen ihres Vaters. 2015 ließ sie ihn aus der Partei ausschließen, der Streit der beiden wurde jahrelang vor Gericht ausgetragen. 2018 wurde die Partei im Zuge der „Entteufelungs“-Strategie in Rassemblement National (RN) umbenannt.
In den vergangenen Jahren meldete Jean-Marie Le Pen sich kaum noch öffentlich zu Wort. Im vergangenen Sommer wurde er kurz vor Beginn eines Prozesses um die Veruntreuung von EU-Geldern aus gesundheitlichen Gründen für prozessunfähig erklärt. Der Prozess ist mittlerweile beendet, das Urteil steht noch aus. Die Staatsanwaltschaft fordert für Marine Le Pen unter anderem den sofortigen Entzug des passiven Wahlrechts.