Pistorius gegen Vance: Konfrontation unter Partnern | ABC-Z

Die Münchner Sicherheitskonferenz ist schon öfters zu einem Ort geworden, an dem internationale Konflikte auch im verbalen Schlagabtausch ausgetragen werden. Die Wegmarken an denen Russland und der Westen wieder zu Gegnern wurden, lassen sich auch an den Auftritten des russischen Präsidenten Wladimir Putin bei der Konferenz ablesen. Und auch deutsch-amerikanische Konflikte, etwa 1990 über den amerikanischen Einmarsch in Irak, führten in München für Wortgefechte.
Doch nie, so empfanden es am Freitag weite Teile der mehr als vierhundert angereisten Staats- und Regierungschefs, Minister, Militärs und Sicherheitsfachleute aus aller Welt, war der Graben tiefer, der Ton schärfer geworden. Es war der amerikanische Vizepräsident J.D. Vance, der Europa die Partnerschaft praktisch aufgekündigt hat und in einer nie gekannten Weise die transatlantischen Beziehungen grundsätzlich in Frage stellte. Und durch eine Zufall der Tagesordnung war es Verteidigungsminister Boris Pistorius, der diesem Angriff entgegen trat. Bundeskanzler Olaf Scholz, der diese Gelegenheit hätte nutzen können, Stimme Europas zu sein, fehlte am Freitag, er tritt erst an diesem Samstag auf. Der Kanzler hatte terminlich andere Prioritäten gesetzt. So trat Pistorius ans Mikrofon.
„Ich kann nicht so beginnen, wie ich das geplant hatte“
Eigentlich wollte der deutsche Verteidigungsminister zur gemeinsamen Sicherheit in Europa sprechen, „aber ganz ehrlich, ich kann nicht so beginnen, wie ich das geplant hatte.“ Es sei „überzeugter Transatlantiker, leidenschaftlicher Transatlantiker, ein großer Freund Amerikas“, gerade deswegen, könne er nicht zur Tagesordnung übergehen. Und dann stellte sich Pistorius minutenlang gegen die Beschuldigungen, Behauptungen und Forderungen des amerikanischen Vizepräsidenten entgegen. Vance hatte zuvor in seiner Rede Europa als einen größeren Gegner ausgemacht hatte, als es China und Russland seien. Und er hatte Deutschland und anderen europäischen Staaten vorgeworfen, Meinungsvielfalt zu unterdrücken, die „Stimmen des Volkes“ – gemeint waren die AfD und andere Rechtsaußen-Parteien – so sehr zu ignorieren und nicht an Regierungen zu beteiligen, dass Amerika sich fragen müsse, ob man dieses Europa verteidigen solle.
Schon die ersten Begegnungen mit seinem neuen Kollegen Pete Hegseth und das rüde amerikanische Vorgehen gegenüber der Ukraine und den europäischen Verbündeten hatte den deutschen Verteidigungsminister in dieser Woche mehr als bloß irritiert. In ungewöhnlicher Deutlichkeit hatte er bereits in Brüssel dem amerikanischen Verzichtsvorschlägen widersprochen, Mitsprache gefordert. Im Bayerischen Hof nun nahm er den nächsten Angriff der transatlantischen Verbündeten auf und trat ihm hart entgegen.
Teilnehmer über Pistorius: Ein angemessener Auftritt
„Wir kämpfen auch dafür, dass Du gegen uns sein kannst“, das sei, sagte Pistorius, das Selbstverständnis der Bundeswehr und stehe damit auch für die deutsche Demokratie. Diese sei vom amerikanischen Vizepräsidenten „vorhin für ganz Europa in Frage gestellt“ worden. Es vergleiche Zustände in Teilen Europas mit denen in autoritären Regimen. „Das ist nicht akzeptabel“, so Pistorius unter lang anhaltendem Beifall. „Das ist nicht das Europa, nicht die Demokratie, in der ich lebe, und in der er gerade Wahlkampf mache und in der jeder, auch die AfD ihre Stimme habe und die in Teilen extremistische Parteien „ganz normal Wahlkampf machen“ könnten. Hätte Vance sich die Zeit genommen, hätte er eine Spitzenkandidatin dieser Partei zur „Prime Time“ im deutschen Fernsehen gesehen. Demokratie bedeute aber nicht, „dass die laute Minderheit automatisch recht hat und die Wahrheit bestimmt“. Und sie müsse sich „wehren können, gegen die Extremisten, die sie zerstören wollen.“
Pistorius sagte, er sei stolz auf die europäischen Demokratien, die sich und ihre Art in Freiheit zu leben „jeden Tag gegen ihre inneren Feinde verteidigen, und ihre äußeren.“ Deswegen trete er dem Eindruck, den Vizepräsident Vance erweckt habe „energisch entgegen“, dass in Europa Minderheiten unterdrückt und zum Schweigen gebracht würden. Auf dem Kontinent kämpfe man „für Demokratie, Meinungsfreiheit, den Rechtsstaat und die Würde jedes einzelnen“. Und nun wolle Europa, anders als der amerikanische Vizepräsident, doch auch noch über die drängendsten Fragen internationale Sicherheit reden.
Der Eindruck den Pistorius hinterließ, war ungeteilt: Ein richtiger, ein angemessener Auftritt. Wer auch auf den deutschen Wahlkampf schaute, fragte, ob die SPD nicht doch gut beraten gewesen wäre, auf ihn als Kanzlerkandidaten zu setzten. Man war gespannt, wie Bundeskanzler Scholz sich am Samstag positionieren würde.