Die Udo-Jürgens-Gala zum zehnten Todestag des unvergessenen Künstlers | ABC-Z
Innerhalb seines weit über sieben Jahrzehnte dauernden Schaffens komponierte Udo Jürgens (Geburtsname Udo Jürgen Bockelmann) als Solist weit über tausend Lieder, mehr als hundert Millionen Tonträger gingen über den Verkaufstresen. Er war einer der einflussreichsten deutschen Musiker, der die Herzen seiner unzähligen Fans eroberte.
Am 21. Dezember 2014 verstarb er während eines Spazierganges in der Schweiz, kurz nach seinem 80. Geburtstag. Jenny und John, seine beiden absolut sympathischen Kinder und Erben des Nachlasses, haben zum doppelten Jubiläum des großen Sängers das gewaltige Privatarchiv voller Audiodokumenten, Musikkassetten, Postkarten, Briefen und Privatfilmen durchstöbert und sowohl die überaus liebevoll gestaltete Dokumentation “UDO!”, als auch eine durch und durch gelungene Tribut-Revue im Circus Krone Bau ermöglicht. Beide Beiträge werden am Tag vor Heiligabend in der ARD zur Prime Time ausgestrahlt.
Udo-Jürgens-Gala: Michelle Hunziker führt durch den Abend
Präsentiert wird der Abend von Michelle Hunziker und Sasha in bestgelaunter Heiterkeit. Der Auftakt “Ein ehrenwertes Haus” lässt gleich zu Beginn die Grandiosität des Abends erahnen. Das Pepe-Lienhard-Orchester, jahrzehntelanger Bestandteil seiner Tourneen, begleitet das Staraufgebot. Jeder durfte sich eines seiner Lieder aussuchen. So singt Conchita Wurst in seinem charmanten österreichischen Stil “Ich weiß, was ich will”. Das Bühnenbild wird für jeden neuen Akt umdekoriert, Wencke Myhre, Thomas Anders, Vanessa Mai, Annett Louisan und, als Einspieler, Tim Bendzko, sind dabei. Auch Michi Mittermeier ist da und erzählt von emotionalen Begegnungen mit dem Udo.
Immer wieder gibt es Original-Ton-Einspieler, auf einem sagt Udo launig, dass er nicht nur Meisterwerke geschaffen habe, sondern in seinen Augen durchaus auch “Gurken” dabeigewesen wären. Sein eigentliches Geheimrezept war das untrügliche Gespür für Melodien, Udo-Songs erkennt man an drei Harmonien. Er schuf sozusagen sein eigenes Genre.
“Udo Jürgens hat unser Leben vertont”
“Er hat nicht nur die Geschichte der Bundesrepublik vertont, sondern quasi unser aller Leben”, erzählt sein Textdichter Oliver Spiecker. “Sei es Lieben, Leiden, Wut oder Mut – zu jeder Lebenslage gibt es ein Lied von Udo.”
Howard Carpendale bekennt, dass er sich mit Udo eigentlich nicht sonderlich grün war, sagt dazu ganz offen und ehrlich: “Man muss nicht so tun, als ob wir uns alle liebhaben.” Lässt man den Blick durchs Publikum schweifen, fallen weitere bekannte Gesichter auf. Nanu? Sitzt da nicht Alice Schwarzer? Ist sie ein Udo-Fan? Hatte sie ihn nicht einst als “gigantischen Macho” bezeichnet?
Sie erzählt im nonchalanten Plauderton, dass sie viele Jahre vor Gründung ihrer Frauenzeitschrift “Emma” für das Satiremagazin “Pardon” in Begleitung des Dichters Robert Gernhardt, als Reporterin nach Agadir gereist war. Auf einmal stand in einem marokkanischen Club Udo Jürgens vor ihnen, der gerade für die “Bravo” vor Ort eine Fotostory machte. Man verabredete sich für den nächsten Tag zum Plantschen im Atlantik, ein Ereignis, das Gernhardt fotografisch festgehalten hat. Somit gibt es die Aufnahme mit dem klatschnassen Udo, der auf der Hollywoodschaukel Alice Schwarzer ein Küsschen auf die Wange gibt.
Stars im Duett mit Udo Jürgens
Immer wieder taucht der echte Udo als gestochen scharfes Videobild in der Show auf, singt mit den jeweiligen Auftretenden ein Duett oder spielt ein kurzes Solo auf dem Flügel. Während der Show werden auch Ausschnitte einer neuen Doku gezeigt, die im Anschluss an die Gala ausgestrahlt wird. Darin wird das Porträt eines sensiblen Künstlers gezeigt, dem der Spagat zwischen großer Öffentlichkeit und Privatleben nicht immer leichtfiel.
Als Knabe war er kränklich und fühlte sich minderwertig; erst als er die Musik entdeckte, wurde das Leben für ihn interessant. Er wurde ein großer Künstler und später ein höchst liebevoller Familienmensch, über dessen Lippen nie ein strenges Wort kam. Auf der anderen Seite war er ein Mensch, der zeitlebens mit innerer Einsamkeit zu kämpfen hatte. Eine Einsamkeit, die der bis ins hohe Alter erfolgreiche Frauenschwarm bisweilen durch amouröse Abenteuer zu kompensieren suchte. Im Interview mit Alfred Biolek äußerte er mal die Vermutung, dass es für Männer nicht leicht sei, einer Frau “mit Sternen in den Augen” zu widerstehen. Männer seien von den Genen her programmiert, darauf anzuspringen wie ein Motor. Der bekennend homosexuell lebende Biolek erwiderte: “Der eine mehr, der andere weniger”, worauf Udo schmunzelnd zustimmte: “Wahrscheinlich ich mehr.”
Ein nicht folgenloses Beisammensein
Jenny, die die Fähigkeit ihres Vaters, albern zu sein, sehr liebt, hat häufig erzählt, dass die offene Beziehung ihrer Eltern für sie als Kind etwas völlig Normales war, dennoch erkennt sie: “Ruhm ist wie Gift”. Ihr Vater kokettiert nicht nur mit seinen Sehnsüchten, Wünschen und dem Image eines Schürzenjägers, sondern lebt jenes Temperament intensiv aus, indem er die Bestätigung bei jungen Frauen sucht. 1966 trifft er auf eine siebzehnjährige, Wiener Schwärmerin mit blondem Haar. Es kommt zum Flirt, er schreibt ihr voller Empathie den Evergreen “Siebzehn Jahr, blondes Haar”. Ein halbes Jahr später bekommt er einen Brief: “Unser Beisammensein ist nicht folgenlos geblieben.” So geschieht es, sehr zum Leidwesen seiner damaligen Ehefrau Panja, dass zwischen John und Jenny eine Halbschwester namens Sonja auf die Welt kommt.
In der Show interpretiert Götz Alsmann “Siebzehn Jahr, blondes Haar” am gläsernen Flügel und arbeitet grandios das jazzhafte des Songs heraus. Am selben Flügel brilliert Enkelin Jasmin Jürgens mit Adel Tawil bei “Was wichtig ist”.
Kürzlich hatte John im Archiv einen bislang unveröffentlichten Titel seines Vaters auf einem Audioband entdeckt. Curt Cress, der vor vierzig Jahren die Drums auf einigen Udo-Songs spielte, hat das Stück neu arrangiert: “Als ich fortging”. Für Curt Cress war diese Arbeit eine Herzangelegenheit. Ein sehr bewegendes Lied, das nun der Welt geschenkt wurde. Es klingt beinahe so, als habe Udo jenes Lied für die Show im Circus Krone geschrieben, beginnend mit dem Satz: “Ich hab’ noch was vergessen hier bei dir.”
ARD, 23.12, 20.15 Uhr; im Anschluss läuft eine neue Doku über Udo Jürgens