Die SPD erwähnt Habeck nicht mal | ABC-Z
Mit dem Wahltag haben Wahlkämpfe ein klares Ende, ihr Anfang ist deutlich schwerer zu bestimmen. Parteien laden deshalb gerne zum Wahlkampfauftakt. Jetzt gilt es, soll das den Wählern zeigen. Und wie sehr es gilt, zeigt schon Robert Habecks Redetempo am Montagabend in Lübeck an. Hierher, in eine Verstaltungshalle direkt an der Trave, haben die Grünen zum Wahlkampfauftakt geladen. Es geht später los, weil Hunderte mehr gekommen sind, als zunächst angenommen. Viele der Grünen-Anhänger müssen stehen.
Ihr Kanzlerkandidat, der gebürtige Lübecker und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, hat mit dem Kämpfen spätestens vor einigen Tagen begonnen. Zumindest mischt er seit einigen Tagen kämpferische Töne in seine Interviews. Am Montagmorgen bezeichnete ein Radiomoderator die Wirtschaftspolitik als „dirigistisch“ und warf Habeck vor, ein philosophisches Seminar abzuhalten, als der diesen Begriff für nicht sinnvoll erklärte. Habeck blaffte zurück, dass „dirigistisch“ ohnehin kein philosophischer Begriff sei. „Dumm“ sei es außerdem und „fast kaum noch auszuhalten, dass wir die Debatten der 80er Jahre wiederholen.“
Robert Habecks Grüße an Söder
Habeck will jetzt Wahlkampf führen, über Lösungen debattieren, um die richtige Lösung kämpfen. Am Montagabend in Lübeck überschlägt sich seine Stimme immer wieder, er rast durch seine Rede. Deutschland, ruft Habeck immer wieder, stehe wirklich vor einer Richtungswahl. Denn die Wirtschaftskrise im Land habe das Zeug zur Demokratiekrise. „Demokratische Stabilität in Deutschland ist auf einer starken Volkswirtschaft gegründet“, ruft Habeck.
Habeck spricht gleich zu Beginn seiner Rede im Norden Deutschlands vom südlichen Nachbarn, von Österreich. Dort hätten mit der ÖVP früher am Tag „Russlandfreunde“ von rechts außen den Auftrag zur Regierungsbildung bekommen, beklagt Habeck. So weit dürfe es in Deutschland nicht kommen. Deshalb macht er gleich klar, dass es irgendwann auch wieder gut sein müsse mit Kämpfen: „Es darf nicht passieren, dass die Parteien der Mitte vergessen, dass sie mehr verbindet als sie von den Feinden der Demokratie trennt.“ Wer Koalitionen ausschließe, bereite seinen eigenen Wortbruch vor „oder sorgt dafür, dass dieses Land immer schwieriger zu regieren wird.“ Schöne Grüße an Markus Söder. „Die Lage ist weit ernster als die dummen Sprüche, die wir aus Bayern immer wieder hören.“
Zu dieser ernsten Lage zählt Habeck vor allem die Wirtschaftsflaute. Seit 2018 herrsche Stagnation. An den Ampeljahren ab 2021 allein könne das also nicht liegen. Auf bessere Bedingungen für die Exportnation Deutschland zu setzen, sei nicht genug. „Durch Hoffen werden wir dieses Land ruinieren und zu einem Museum machen.“ Stattdessen seien Investitionen notwendig, „Spielregeln“ wie die Schuldenbremse müssten zumindest hinterfragt werden. Denn es sei keine Frage, findet Habeck, dass Deutschland mehr ausgeben müsse: Für Bildung, gegen den Klimawandel, für Verteidigung.
Die SPD erwähnt Habeck nicht mal
Das Wahlprogramm der Union nennt Habeck hingegen „eine einzige Flunkerkanone“, da es Steuersenkungen verspreche, die nicht gegenfinanziert seien. Zwar, gibt er zu, könnte es sein, dass Unternehmer mehr investieren, wenn sie weniger Steuern zahlen müssten. Es könnte aber auch sein, dass sie es nicht täten. Deshalb schlage er vor, steuerliche Senkungen an Investitionen zu binden. Über die SPD redet Habeck nicht einmal eigens. Wenn er gegen ein unambitioniertes Weiter-So wettert, kann man sich immerhin vorstellen, an wen er dabei denkt. Nur so viel: „Die Antworten müssen groß genug sein für Herausforderungen unserer Zeit“, ruft Habeck.
Dass er dabei in Größenordnungen denkt, die weder von den Grünen noch sonst von Parteien in Deutschland in jüngerer Vergangenheit vertreten worden waren, hatte er am Freitag deutlich gemacht. Da forderte Habeck Verteidigungsausgaben in Höhe von 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung, finanziert gegebenenfalls durch Schulden. Die Partei, in deren vorläufigem Wahlprogramm nur ein Wert von „deutlich mehr als 2 Prozent“ steht, blieb dennoch ruhig.
Außenministerin Annalena Baerbock, lange Habecks einzige Konkurrentin im Rennen um die Spitzenkandidatur, ließ es sich nicht nehmen ließ, das Mikrofon an den grünen Kanzlerkandidaten zu übergeben. Habecks Kanzlerkandidatur ist angesichts der Umfragen ein äußert ambitioniertes Unterfangen. Auch wenn die Grünen, anders als die anderen beiden Ampelparteien in den aktuellen Umfragen mit etwa 14 Prozent immerhin in der Nähe ihres Wahlergebnisses bei der vergangenen Bundestagswahl sind – das wird nicht reichen, damit Habeck „Kanzler werden, Mensch bleiben“ kann. Das war sein Neujahrsvorsatz, den seine Medienleute auf einer Instagram-Kachel verbreiteten. Aber in Lübeck kann seine Vorrednerin Baerbock selbst dieser Ausgangslage etwas Positives abgewinnen: Wenn keine Partei eine eigene Mehrheit habe, brauche es Bündnisse und gerade diese machten die Demokratie stark.
Habeck kommt darauf zurück. In Schleswig-Holstein, erzählt er in Lübeck, seien die politischen Lager einst verfeindet gewesen. Heute regierten sie über Lagergrenzen hinweg, das Ergebnis:„Die AfD ist hier übrigens nicht im Landtag.“ Da jubelt die Halle lauter als bei allen Kampfansagen davor.