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Die Schwarzen/CSU, SPD, Grüne stellen Wahlprogramme vor | ABC-Z

„Lieber Markus, wir haben das gemeinsam erarbeitet“, sagt Friedrich Merz am Dienstagvormittag über das Programm von CDU und CSU für den bevorstehenden Wahlkampf. Zu seiner Linken steht Markus Söder. Der CSU-Vorsitzende seinerseits kann dem Unionskanzlerkandidaten gar nicht oft genug danken, die Einigkeit der beiden Schwesterparteien lobpreisen und den Wunsch bekräftigen, Merz solle Bundeskanzler werden.

Nicht einmal 24 Stunden ist es her, dass der sozialdemokratische Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag die Vertrauensfrage gestellt und ebenso gewollt wie erwartungsgemäß verloren hat. Das war ein wichtiger Schritt hin zur vorgezogenen Bundestagswahl. Und deswegen stellen gleich mehrere Parteien am Dienstag in Berlin ihre Programme vor, mit denen sie um Wähler werben. Die Kanzlerpartei SPD macht das ebenso wie die Grünen. Die FDP berät immerhin intern in den Gremien über ihr Programm.

Die Führungsgremien der Unionsparteien haben sich zu einer gemeinsamen Sitzung im „Telegraphenamt“ in Berlin getroffen. Nachdem das Programm mit dem Titel „Politikwechsel für Deutschland“ beschlossen ist, äußern sich Merz und Söder dazu. Sie haben verteilte Rollen, was die Schwerpunktsetzung angeht. Merz spricht viel von den wirtschaftlichen Herausforderungen und den Lösungsvorschlägen der Union. Steuern und Abgaben seien zu hoch, man wolle sie auf ein international wettbewerbsfähiges Maß senken. Merz nennt die Marke von 25 Prozent.

SonntagsfrageWie stark ist welche Partei?

Söder kümmert sich vor allem um die Migrationspolitik. Er wirkt erleichtert, dass der Streit zwischen seiner Partei und der CDU über die Flüchtlingspolitik, wie er in den Jahren 2015 und danach getobt hat, vorbei ist. Im Wahlprogramm stehen nun Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen. Das ist nicht mehr die Migrationspolitik von 2015, sagt Söder. Er gräbt einen schon fast in Vergessenheit geratenen Begriff wieder aus: „Das ist Law and Order.“

Merz rügt Wirtschaftspolitik der Grünen

Und sogar bei dem einzigen Thema, das derzeit für eine gewisse Unruhe zwischen den beiden sorgt, bekommen Merz und Söder einen harmonischen Auftritt hin. Der CDU-Vorsitzende rügt die Wirtschaftspolitik der Grünen scharf, sieht sie mit diesem Kurs nicht an der Seite der CDU, schließt aber nichts kategorisch aus. Söder zeigt sich zufrieden, hämmert jedenfalls dieses Mal nicht sein hartes Nein zu jedem schwarz-grünen Bündnis in die einvernehmliche Stimmung.

Verärgert zeigt sich Söder davon, wie Scholz am Vorabend im ZDF über Merz gesprochen hat. „Fritze Merz erzählt gern Tünkram“, hatte Scholz gesagt – ­also dummes Zeug. Söder spricht von Verunglimpfung, nennt Scholz den „peinlichsten Bundeskanzler, den das Land je hatte“. Scholz hatte sich darauf bezogen, dass Merz am Montag im Bundestag gesagt hatte, es sei „zum Fremdschämen“, dass der Kanzler auf EU-Gipfeln öfter schweigend dabeisitze.

Der Ko-Vorsitzende der SPD, Lars Klingbeil, Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ko-Vorsitzende Saskia Esken am Dienstag in Berlin
Der Ko-Vorsitzende der SPD, Lars Klingbeil, Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ko-Vorsitzende Saskia Esken am Dienstag in Berlindpa

Am Dienstagnachmittag geht es bei der SPD aber erst mal nicht um Merz. Die Partei ist ganz bei sich. Die Sozialdemokraten haben auf 62 Seiten aufgeschrieben, was sie sich alles wünschen für die künftige Regierung. Scholz tritt zusammen mit den Parteivorsitzenden im Willy-Brandt-Haus vor die Presse. Saskia Esken spricht von der Sorge vieler Menschen um ihren Arbeitsplatz. Die SPD wolle die Themen des Alltags in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs stellen.

Als konkretes Vorhaben nennt sie dann als Erstes die Verlängerung der Elternzeit. Dann geht es um die Pflege. Scholz dreht sich zu Esken, hört ihr aufmerksam zu. Womöglich als ergänzende körperliche Entschuldigung, nachdem Scholz schon am Vorabend per Social-Media-Post bei Esken um Nachsicht gebeten hatte, nachdem er sie im Bundestag nach der Abstimmung über die Vertrauensfrage trotz Blickkontakts stehen ließ.

Scholz ist bereit zur Ruppigkeit – aber innerparteilich will er lieber Frieden. Der Kanzler, der es gerne bleiben will, spricht davon, dass Arbeitsplätze erhalten und geschaffen werden müssten in Deutschland. Der Mindestlohn müsse auf 15 Euro erhöht, die Schuldenbremse moderat reformiert werden. Parteichef Lars Klingbeil sagt, die Vorschläge der SPD würden sich von jenen der Union auch darin unterscheiden, dass sie gegenfinanziert seien.

Ein wichtiges Thema der SPD ist die Rente. Als wollte sie den Vorwurf abwehren, sie mache daher auch einen Rentnerwahlkampf, setzt die Partei bei ihrer Plakatkampagne auf das Digitale. Generalsekretär Matthias Miersch zeigt am Dienstag einige Plakatmotive. Zu sehen sind bekannte Slogans, ergänzt durch einen QR-Code, der mit dem Handy gescannt werden kann, um mehr zu erfahren. Es ist auch als winterkonforme Wahlkampfform gedacht. Insgesamt duzt die SPD die vielen Millionen Wahlberechtigten im Land, sie verspricht „mehr für dich“. Scholz sagt auf Nachfrage, ihn würden eh viele auf der Straße duzen.

Ein Best-of der Küchentisch-Gespräche

Bei den Grünen beginnt die Programmpräsentation mit einer barrierefreien Dauerwahlsendung. Wer von den anwesenden Journalisten an der Berliner Friedrichstraße das Konzept „Küchentisch“ noch nicht verstanden hat, kann es sich nochmals vorführen lassen oder neu verstehen. Der Spitzen- oder Kanzlerkandidat Robert Habeck lässt ein Best-of seiner bisherigen Treffen mit Bürgern vorführen, dann tritt er gemeinsam mit Annalena Baerbock und den beiden Vorsitzenden Franziska Brantner und Felix Banaszak auf die Bühne.

Auch die haben bereits erste Küchentische in der Republik gesehen, ebenso etwa Franziska Dröge, die Fraktionsvorsitzende. Die Botschaft: Die Grünen wollen den Bürgern näherkommen, auf Augenhöhe. Und mit Respekt. Und es soll sich auch für Bürger lohnen, diese Gespräche zu führen. Denn manche Wünsche fänden sich nun im Wahlprogramm.

Die Ko-Vorsitzende der Grünen, Franziska Brantner, Kanzlerkandidat Robert Habeck, Außenministerin Annalena Baerbock und der Ko-Vorsitzende Felix Banaszak am Dienstag in Berlin
Die Ko-Vorsitzende der Grünen, Franziska Brantner, Kanzlerkandidat Robert Habeck, Außenministerin Annalena Baerbock und der Ko-Vorsitzende Felix Banaszak am Dienstag in Berlindpa

Ein Mensch, ein Wort, so steht es als Titel über der Bühne. Habeck soll so einer sein, einer, auf den man sich verlassen kann. Am Küchentisch und in der Weltpolitik. So weit die Bilder. Vorgestellt wird dann das Wahlprogramm. Es sollte unbedingt weniger ausführlich sein, 67 Seiten sind es geworden, drei Kapitel: erstens Wachstum, ökologisch und wirtschaftlich. Zweitens: Gesellschaft , „fair und bezahlbar“. Und drittens: „Frieden in Freiheit sichern – innen und außen“.

Man wolle aber, so Habeck, nicht nur den Inhalt von Politik präsentieren, sondern auch einen anderen Stil. Das sei es, was „anführende Politik“ aus Habecks Sicht zu leisten habe. Das Scheitern der Ampel reiche über die inhaltlichen Differenzen hinaus. Es müsse allen eine Aufgabe sein, über den Stil von Politik zu reden. Wer erfolgreich sein wolle, müsse unterschiedliche Interesse zusammenbringen können, darüber werde Erfolg in der Politik künftig definiert. Das klingt bereits nach einem Integrationsangebot in Richtung CSU.

Und Habeck weiter, quasi an Söder gerichtet: „Gelingt es, nicht nur überzeugt von sich selbst zu sein, sondern auch die politischen Mitbewerber in eine Situation zu bringen, dass man bereit ist, für eine Sache für eine gewisse Zeit die Selbstherrlichkeit zurückzustellen?“ Zusammenarbeit sei möglich, wenn man einander zuhöre, sich vertraue, das gegebene Wort halte. Wenn man also, um ein Scholz-Wort zu gebrauchen, die sittliche Reife dafür hat.

Die Grünen präsentieren ein grünes Wahlprogramm, kein Wunder. Es sieht das Ende des klassischen Ehegattensplittings ebenso vor wie Klimageld und Klimasubvention. Das Wahlprogramm sei nicht die Summe von Einzelmaßnahmen, es gewinne, so Habeck, „seine Kraft und Stärke daraus, die großen Probleme unserer Zeit zu adressieren“. Deutschland müsse sich „noch einmal neu erfinden“.

Es gehe um eine wettbewerbsfähige Wirtschaft als Voraussetzung für die Soziale Marktwirtschaft. Deutschland habe die vergangenen 15 Jahre „systematisch zu wenig für seine Wettbewerbsfähigkeit getan“. Habeck setzt, so sagt er, „auf die Kraft der Zuversicht“. Am 26. Januar soll eine außerordentliche Bundesdelegiertenkonferenz das Wahlprogramm diskutieren und beschließen, vier Wochen später wird voraussichtlich gewählt.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner warnt am Dienstag vor einem weiteren Abwandern von Wählern an die politischen Ränder, sollte die nächste Bundesregierung bei den erforderlichen Reformen in Deutschland scheitern. „Der 23. Februar nächsten Jahres markiert eine Richtungsentscheidung für unser Land“, sagt er mit Blick auf die vorgezogene Bundestagswahl. Seine Partei berät zumindest intern über ihr Wahlprogramm, das unter anderem erhebliche Steuererleichterungen vorsieht. Öffentlich vorstellen wollen die Freien Demokraten es erst später.

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