Kultur

“Die Saat des heiligen Feigenbaums”: So etwas kannst du nicht erfinden | ABC-Z

In der griechischen Mythologie, die zum Bezugsrahmen Europas wurde, tötet Ödipus unwissentlich seinen Vater Laios. In der persischen Mythologie verläuft die Sage genau umgekehrt: Rostam tötet unwissentlich seinen Sohn Sohrab. Man könnte die zweieinhalbtausendjährige Kultur Persiens anhand dieses Motivs erzählen: Ein ums andere Mal lehnt sich das Alte gegen das Neue auf, ermorden die Väter die Söhne. Auch die klassische Poesie besingt die Sehnsucht der Alten, seltener die Leidenschaft der Jungen wie in Europa seit der Renaissance. Selbst die Revolutionen der Moderne, die immer friedlich begannen und stets die Freiheit wollten (sodass der Iran früher als etwa Deutschland eine demokratische Verfassung erlangte, nämlich 1906, um sie alsbald wieder zu verlieren), waren Aufstände der Männer, angeführt von Greisen wie dem liberalen Ministerpräsidenten Mohammed Mossadegh, der den Schah 1953 zum ersten Mal in die Flucht schlug, und dem Eiferer Ajatollah Chomeini, der die Monarchie endgültig beendete. Noch die Massendemonstrationen von 2009, als allein in Teheran drei Millionen Menschen auf die Straße gingen, entzündeten sich am Wahlsieg eines Alten, des Reformers Mussawi, der ihm von einem Jungen, dem Fanatiker Ahmadinedschad, offenbar gestohlen worden war. In all seiner Tragik bleibt der Vater in der persischen Mythologie ein Held. Als Kind war ich in meiner Fantasie immer Rostam, nicht Sohrab. Bis 2022: bis “Frau, Leben, Freiheit”, zan zendegi azadi.

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