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Die rätselhafte Katzenseuche FIP | ABC-Z

Frau Wagner, die Katzenseuche FIP grassiert nicht nur in Hessen. Seit wann hat denn das Tierheim Cappel auffallend häufig mit FIP zu tun?

Wir hatten die Krankheit auch schon früher, auch vor gut 20 Jahren, hier im Haus, aber verschärft haben wir mit ihr seit 2022 zu tun. Auch außerhalb des Tierheims gibt es seitdem ungewöhnlich viele Fälle.

Vor mehreren Wochen haben Sie online eine Art Hilferuf veröffentlicht, von einem Ausnahmezustand auf der Katzenstation einschließlich Quarantäne gesprochen und zu Spenden aufgerufen. Wie ist die Lage derzeit?

Wir halten das Katzenhaus unter einer abgeschwächten Form der Quarantäne und beobachten einige geschwächte Tiere mit Grundverdacht auf FIP. Wir sind aber an dem Punkt, an dem wir sagen: FIP gehört zum Alltag dazu, und wir können neue Fälle in Zukunft nicht ausschließen. Auch müssen Katzen weiterhin Plätze bei uns bekommen können. Wir klären in der Vermittlung von Tieren und online über die Seuche auf und haben gute Erfahrungen damit gemacht.

Sehen Sie Besonderheiten im Vergleich zu früheren FIP-Wellen?

Ja. Wir beobachten und vermuten, dass die Krankheit nicht mehr nur über die Ausscheidung von Viren im Kot übertragen wird. Das war früher anders. Es werden Tiere unabhängig voneinander krank, die keinen direkten Kontakt gehabt haben. In solchen Fällen ist Tröpfcheninfektion durch Aerosole in der Luft zu befürchten. Da können wir aber keinen wissenschaftlichen Nachweis führen.

Freut sich über eine wirksame Arznei gegen FIP: Tierheimleiterin Maresi Wagner in MarburgPrivat

Zieht das Tierheim denn Forscher zurate?

Ja, wir stehen in Kontakt mit einem Virologen der Tiermedizin der Gießener Universität. Wir unterstützen Forschungen zu den Erregern mit Blutproben von Katzen aus unserem Haus. Doch wir wissen: Es ist kein von Tierheimen verursachtes Problem. Bei uns ballt es sich aber, weil es draußen viele Streunerkatzen gibt und wir viele Tiere aufnehmen müssen. Das Heim ist nicht groß genug, jedes Tier bis zu einer Vermittlung von anderen zu trennen. Es gibt automatisch Kontakte zwischen Katzen, die womöglich mutierte Viren in sich tragen, und anderen Katzen.

Bekommen Sie auch reine Hauskatzen mit FIP, die zuvor gar keinen Kontakt zu anderen Tieren hatten?

Ja. Solch einen Fall hatten wir vor etwa einem Jahr. Sie kam zu uns, war hier unter Quarantäne und hat in ihrem neuen Zuhause plötzlich FIP entwickelt.

Wie erklären Sie sich das?

Das ist für uns gar nicht erklärbar. Es kann ein unglücklicher Zufall gewesen sein. Vielleicht hatte die Katze als Jungtier schon FIP über ihre Mutter be­kommen.

Wie hat sich die Betreuung von Katzen durch die Krankheitswellen verändert?

Wir halten nun Ausschau nach minimalen Symptomen. Schon bei den kleinsten Anzeichen müssen wir hellhörig werden. Zum Beispiel, wenn eine Katze nicht gut gefressen hat und einmal erhöhte Temperatur hatte, dann ist das für uns ein Warnsignal für FIP. Das hatten wir früher so nicht. Seit einem Jahr lassen wir ein Blutbild machen, wenn uns eine Katze sozusagen schief anguckt.

Wie behandeln Sie von FIP gebeutelte Katzen?

Es gibt eine Pariser Apotheke, bei der ein wirksames Mittel erhältlich ist. Wir bewegen uns langsam darauf zu, dass FIP auch in Deutschland ganz normal behandelbar wird und Tierärzte das auch dürfen. In anderen Ländern wie Großbritannien ist das schon der Fall. Die Arznei wirkt und ist wie ein Wundermittel. Bevor sie verfügbar war, sind alle an FIP erkrankten Tiere verendet oder mussten eingeschläfert werden. Die Lösung kann aber nicht nur die Therapie sein, denn die Kosten sind hoch.

Das ist ein Durchschnittswert. Die Kosten hängen unter anderem vom Verlauf der Krankheit ab. Die Forschung muss Wege finden, für effektive Vorbeugung sorgen zu können. Daran geforscht wird schon. Und wir brauchen einen Impfstoff.

Welche Folgen hat das alles für den normalen Katzenbesitzer?

Katzenhalter telefonieren seit einiger Zeit häufiger mit uns. Und zwar Leute mit Katzen, die sie von privat haben, aus einer Zucht oder einem Bauernhof, und nicht von uns. Dabei geht es um FIP-Verdachtsfälle. Es wenden sich auch vermehrt Tierärzte an uns, die Kunden an das Tierheim verweisen, wenn es um FIP geht.

Ja, das tun sie offenbar, weil wir über viel Erfahrung mit der Krankheit verfügen. Gleichzeitig erfahren wir von überregionalen Tierarztpraxen, dass sie selbst auch häufiger mit FIP zu tun haben als früher.

Wie dramatisch ist denn vor diesem Hintergrund die Lage wegen FIP?

Sie ist zermürbend. Das Dramatische ist, wie viele Katzen es gibt, die ins Tierheim kommen müssen, weil es für sie keine andere Option gibt, und die den Erreger in sich tragen könnten. Wir stehen vor der sprichwörtlichen Wahl zwischen Pest und Cholera: Wenn wir weitere Katzen aufnehmen, könnten sie uns neue FIP-Fälle bescheren. Falls nicht, blieben sie draußen sich selbst überlassen und würden bei gewissen Infektionen elendig verenden. Das muss nicht einmal FIP sein, das kann ein schwerer Befall mit Ohrmilben oder ein Abszess am Gebiss sein. Uns bleibt das unterschwellige Gefühl: Egal, wie wir es machen, wir machen es falsch. Dieses Gefühl können sicher viele nachempfinden, die während der Corona-Pandemie in Pflegeeinrichtungen gearbeitet haben.

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