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Die neue Union-Offensive gegen die Zivil­gesellschaft | ABC-Z

Berlin taz | Die Unionsfraktion im Bundestag hat es vorgemacht, einzelne CDU-Landtagsfraktionen ziehen nun nach: Eine Umfrage der taz in den verschiedenen Ländern hat ergeben, dass die christdemokratischen Fraktionen in Mecklenburg-Vorpommern und im Saarland nun ihrerseits Anfragen zur „politischen Neutralität“ von zivilgesellschaftlichen Organisationen gestellt haben. Die Unionsfraktion im Bundestag hatte kürzlich in 551 vom „tiefen Staat“ raunenden Fragen gegen linke NGOs mobil gemacht.

So bestätigte die Fraktion im Saarland der taz am Montag, dass sie gerade eine ähnliche Anfrage auf den Weg gebracht habe. Näheres wollte die Fraktion am Montag noch nicht verraten. In Mecklenburg-Vorpommern war man hingegen schon schneller: Gleich nach Bekanntwerden der CDU-Anfrage aus dem Bund legte die Fraktion aus dem Schweriner Landtag nach. Und das, obwohl die 551 Fragen für Friktionen in den Sondierungsgesprächen mit der SPD, breite gesellschaftliche Empörung und offene Briefe aus der Wissenschaft gesorgt hatten.

In Sachsen wiederum hat nicht die gesamte CDU-Fraktion eine Anfrage zum Thema gestellt, sondern die CDU-Abgeordnete Daniela Kuge. Sie fragt konkret zur staatlichen Förderung des Vereins „Buntes Meißen“ in ihrem Wahlkreis. Interessant: Die CDU-Abgeordnete ist berüchtigt dafür, ein erstaunlich gutes Verhältnis zum dortigen AfD-Stadtrat René Jurisch zu pflegen, einem ehemaligem NPD-Mitglied und Chef des „Vereins zur germanischen Brauchtumspflege Schwarze Sonne Meißen e. V.“. Die schwarze Sonne ist ein heute noch bei Neonazis gebräuchliches Symbol der SS. Der AfD-Stadtrat schwadronierte kürzlich noch beim politischen Aschermittwoch über „zügellose Selbstbedienung“ und griff den Verein an – als „bunten, finanziell aufwendigen Meißner Lieblingsverein für gewaltfreies Töpfern“. Gegen „Buntes Meißen“ wirken Kuge und der Rechtsextreme nun zusammen.

Der Fall zeigt: Der Angriff der CDU auf die kritische Zivilgesellschaft geht auf verschiedenen Ebenen weiter und richtet sich verstärkt gegen ohnehin schon unter Druck stehende demokratische Initiativen in Regionen, wo extrem rechte Parteien bereits bei 30 Prozent und teils deutlich darüber liegen. Auf kommunaler Ebene hat die Partei sogar bereits erste bewilligte Fördergelder für Demokratieprojekte gestrichen – etwa in Bautzen, Sachsen, und in Salzwedel, Sachsen-Anhalt, sogar in Zusammenarbeit mit der AfD.

Gegen „Omas gegen Rechts“ Meck-Pomm

Und auch in Mecklenburg-Vorpommern sieht die CDU offenbar Demokratie-Initiativen eher kritisch: Wie schon im Bundestag bezieht sich die CDU-Fraktion in einer Anfrage auf die „Omas gegen Rechts“ Mecklenburg-Vorpommern. Zudem geht es explizit um die kritischen Proteste nach dem Tabubruch von CDU-Chef Friedrich Merz. Dieser hatte kürzlich auch auf AfD-Stimmen für einen migrationspolitischen Antrag der Union gesetzt.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Marc Reinhardt schreibt, Hintergrund der Anfrage seien „Proteste gegen die CDU Deutschlands“ und behauptet ohne Belege, dass diese „teils von gemeinnützigen Vereinen oder staatlich finanzierten Organisationen organisiert oder unterstützt wurden“. Der Abgeordnete, der bereits 2015 als CDU-Rechtsausleger Merkels Flüchtlingspolitik kritisierte, will wissen, inwiefern zwischen 2021 und 2025 staatlich geförderte Organisationen im Bundesland „politisch neutral“ sind.

Kritik kommt unter anderem vom SPD-Generalsekretär Mecklenburg-Vorpommern, Julian Barlen, der sagte: „Ich empfinde das als einen Versuch, kritische Meinungen innerhalb der Demokratie einzuschüchtern und mundtot zu machen.“ Das sei eine gefährliche Entwicklung, die man aus autoritären Staaten wie Russland, Ungarn und auch von Trump aus den USA kenne.

Hennis Herbst von der Linken kritisiert, es gehe der Union darum, unausgesprochen zu drohen, man könne den Vereinen die staatliche Unterstützung streichen. Herbst nannte die Anfrage der Union ein „Unding“: „Gerade diese NGOs sind es, die die Zivilgesellschaft zusammenhalten, die Projekte organisieren und die für Demokratie einstehen. Dass die AfD die angreift, ist wenig überraschend – aber dass auch die CDU jetzt diesen Kurs verfolgt, finde ich dramatisch.“

AfD-Anfrage liest sich wie Feindesliste

Tatsächlich geht die AfD-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern noch deutlich weiter. Sie sekundierte kurz nach der Union am 3. März mit einer Anfrage zu 89 lokalen überwiegend Anti-Rassismus-Initiativen, die sich wie eine Feindesliste liest. Darin will der AfD-Abgeordnete Thomas de Jesus Fernandes wissen, ob Antifa-Gruppen von „Anklam für alle“ bis „Wolgast Weltoffen“ Fördermittel bekommen.

Wer die unlängst geleakten Gruppenchats von de Jesus Fernandes kennt, weiß, was er gerne mit seinen politischen Geg­ne­r*in­nen tun würde: In einer aufgeflogenen Chatgruppe antwortete de Jesus Fernandes auf Beiträge wie „und wenn jetzt auch noch die AfD scheitert, dann ist es eben gut, wenn man einen Schrank voller Gewehre in der Garage hat“, mit den Worten: „Recht hat er!“

Doch diese Abgründe der AfD halten die Union in Sachsen-Anhalt längst nicht mehr davon ab, auf kommunaler Ebene zu kooperieren, wenn es gegen vermeintlich linke Vereine geht. Die Landtagsfraktion der CDU in Magdeburg will auf taz-Anfrage weder dementieren noch bestätigen, ob sie eine ähnliche Anfrage wie die Union im Bund plant.

Auf kommunaler Ebene schafft die CDU in Sachsen-Anhalt unterdessen schon Fakten: Unter Mithilfe der AfD hat sie in Salzwedel im Altmarkkreis bereits durch den Bund bewilligte Gelder für Demokratieprojekte gestrichen. Mit Stimmen der CDU, der AfD und einer „Freien Fraktion“ hat der Stadtrat hier vor anderthalb Wochen 700.000 Euro Fördermittel für die Jahre 2025 bis 2032 abgelehnt. Die Gelder waren für Jugendbeteiligung und auch die Initiative „Miteinander e. V.“ gedacht, die verschiedene Projekte begleiten sollte. Ähnlich lief es bereits in Bautzen in Sachsen. Dort hatte der CDU-Landrat Udo Witschas, der selbst immer wieder wie die AfD klingt, kurzerhand alleine das Bundesprogramm „Demokratie leben“ beerdigt und damit sogar Fördergelder von 1,6 Millionen Euro bis 2032 gestrichen.

Autoritäre Tradition

Bislang sind das Einzelfälle. Zugleich gibt es Orte, in denen sich Kommunalpolitiker der Union an die Spitze von Demokratie-Initiativen stellen: Wie etwa im Landkreis Dachau, wo sich CSU-Landrat Stefan Löwl kürzlich zum Vorsitzenden der Partnerschaft für Demokratie wählen ließ und die 551 Fragen der Union sehr kritisch sieht.

Was sich aber feststellen lässt: Durch die Anfrage der Union im Bund fühlt man sich auch bei der AfD bemächtigt, weiter gegen politische Gegner nachzubohren. Die AfD Sachsen fragte unter derselben Überschrift wie die CDU im Bund zur „Politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen im Freistaat Sachsen“. Gestellt wurde die AfD-Anfrage vom Abgeordneten Carsten Hütter, vier Tage nach derjenigen der CDU im Bund.

Interessant: Hütter ist nach taz-Informationen auf Facebook wiederum mit Daniela Kuge befreundet, der Abgeordneten, die für die CDU zum Verein „Buntes Meißen“ nachfragte. Aber auch in Berlin kopierte die AfD den CDU-Antrag aus dem Bundestag in Teilen wortgleich, um ihrerseits gegen NGOs und Ini­tiativen wie die Omas gegen Rechts und „Berlin gegen Nazis“ anzugehen.

Immerhin zeigt die Umfrage der taz in den verschiedenen Länderparlamenten, dass die überwiegende Anzahl der Unionsfraktionen bislang keine ähnlichen Anfragen plant oder gestellt hat, so etwa in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen. Keine Antwort kam bislang aus Brandenburg und Hessen. In einem war sich aber ein Großteil der Fraktionen einig: Die Kritik an der Offensive gegen linke NGOs sei nicht nachvollziehbar.

Was sie dabei ausblendet: Die Union begibt sich mit ihren Angriffen in die Tradition rechtsextremer Ak­teu­r*in­nen wie etwa dem Netzwerk „Einprozent“. Das hat unlängst Handreichungen und Anleitungen veröffentlicht, mit denen Rechtsextreme missliebige Vereine und gemeinnützige Organisationen bei den Finanzämtern anzeigen sollen. Ihre Ziele: Aberkennung von Gemeinnützigkeit und Mundtotmachen, damit sich Vereine nach einem Brief vom Finanzamt mehrmals überlegen, ob sie sich politisch äußern. In Trump-Manier heißt es dort: „Es ist Zeit, den Sumpf trocken zu legen!“

Bei den Rechtsextremen frohlockt man regelrecht: „Linke Netzwerke sind nicht nur durch die Unions-Anfrage ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Wir können aber etwas machen, was die CDU/CSU nicht machen wird: nämlich diese Strukturen zerlegen.“

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