Die mit Medientagen, mehr GenAI und Vorstands-Armageddon | ABC-Z

Was war für mich ohne Frage die gelungenste Diskussionsrunde auf den diesjährigen Medientagen München?
El Clásico, der „TV-Gipfel“, dieses Jahr unter der Überschrift „Mehr Effizienz, weniger Programm?“. Nicht nur wegen der wieder überaus gelungenen Moderation vom geschätzten Kollegen Torsten Zarges. Sondern auch und vor allem wegen der ebenso interessanten wie klugen und eloquenten Protagonist*innen des Panels: Henrik Pabst – Chief Content Officer (CCO), ProSiebenSat.1, Katja Wildermuth – Intendantin, Bayerischer Rundfunk (BR), Christoph Schneider – Country Director Germany, Prime Video & Managing Director, Amazon Digital Germany, Andreas Briese – Director Content Partnerships Central Europe, YouTube und Elke Walthelm – Chief Operating Officer (COO), Sky Deutschland gaben sich die Ehre, und bildeten damit sehr gut die Bandbreite des deutschen Content- und Distributions-Geschäfts – von BR bis YouTube – ab. Neben vereinzelten, pointierten Argumenten wie Henriks Appell an die Branche zu einem radikalem Kosten- und Produktionsumbau oder Frau Wildermuths Warnung vor den Abhängigkeiten von Big Tech, ging es für mich vor allem um eine philosophische Diskussion der zukunftweisenden Bereitstellung von Inhalten, um die Debatte Exklusivität und Absendertreue vs. Reichweiten-Optoimierung und Return-on-Investment von Programmen. Vor zwei Wochen hatte ich hier bereits geschrieben: „(…) die richtigen IPs werden zunehmend wichtiger als einzelne Plattformen und Kanäle.“ Genau darin liegt aber natürlich auch die Gefahr für lineare Sendermarken, zukünftig an Wert zu verlieren. Wenn ZDF-Programme bei Disney+ oder RTL+ gleichzeitig ein Prime Video Channel ist, dann ist das für die Konsumenten irgendwann immer schwieriger zu durchschauen und der ursprüngliche Absender wird immer unwichtiger. Klar, die Privaten müssen Reichweite (und Abo-Zahlen) bestmöglich monetarisieren und der Bundling-Kuschelkurs ist nachvollziehbar. Aber es tat gut vom BR zu hören, dass man nicht automatisch „mehr“ schreit, wenn mal ein ARD-Format durch zusätzliche YouTube-Nutzung auch Konversionen in die Mediathek erzeugt.
Eine gute Zusammenfassung des Panels findet ihr hier
Wo fährt in den USA ab 2026 die Formel 1?
Bei Apple. Es zieht die F1 hinter die eigene Paywall. Ab 2026 laufen alle Grands Prix, Sprints, Qualis und Trainings in den USA exklusiv bei Apple TV, dazu „einige Rennen“ sowie alle Trainings frei im Apple-TV-App-Fenster. F1 TV bleibt bestehen, ist in den USA aber nur noch via Apple-Abo nutzbar (für Apple-Kund*innen ohne Aufpreis). Das Ökosystem spielt mit: Live-Aktualisierungen in Apple Sports, Widgets am Homescreen, Amplifizierung über News, Maps, Music & Fitness+. Spanische Tonspur inklusive. Verkündet wurde das Ganze am 17. Oktober 2025, pünktlich vor der neuen Rechteperiode. 2018 startete ESPN mit der Formel 1 faktisch zum Nulltarif, verlängerte dann (2023–2025) für geschätzte 75–90 Millionen US-Dollar pro Jahr. Jetzt zahlt Apple laut Berichten 140 bis 160 Millionen US-Dollar jährlich für fünf Jahre. Für lineare Sender, die die F1 in den USA traditionell ohne Werbebreaks zeigen, war hier die wirtschaftliche Decke wohl erreicht. Bei einem Streamer rechnet sich Premium-Sport einfach anders. Inhaltlich verspricht Apple „fan-first“ Produktion und experimentierfreudige Bildsprache, auch dank Tech-Transfer aus dem erfolgreichen Brad-Pitt-Blockbuster „F1 The Movie“, der Apples Beziehung zur Serie sichtlich vertieft hat. Dass Apple Teile gratis zeigt, die F1-Datenlage in Apps verheiratet und die spanischsprachige Audience gezielt anspricht, ist die Blaupause aus dem MLS-Paket (Fußball) – nur jetzt mit dickerem Motor. Für Liberty Media, den Eigentümer der kommerziellen F1-Rechte, ist das der logische US-Turbo, für ESPN ein ärgerlicher Boxenstopp und für Apple der Weg zur Sport-Superapp. Wer in den USA Formel 1 schauen will, kommt ab 2026 an ihnen nicht mehr vorbei. Und für mich ist die Frage nicht, ob das Paywall-Delta am Anfang Zuschauer kostet, sondern wie schnell Push, Widgets, Bundles und „Brad-Pitt-Glow“ diese Lücke wieder schließen.
Zur Apple-Mitteilung geht es hier
Wer geht „all in“ mit GenAI?
Netflix. Es steht schwarz auf weiß im Shareholder Letter und wurde im kürzlich abgehaltenen Earnings Call bekräftigt. Ted Sarandos’ Tonlage: KI sei ein Werkzeug für Kreative, kein Ersatz. „Es braucht weiterhin große Künstler, KI macht dich nicht automatisch zum Storyteller.“ Diese Meinung teile ich. Gleichzeitig dreht Netflix die Regler überall hoch. Bei Conversational Search in Beta (natürliche Sprache statt Klick-Wirrwarr), lokalisierten Promo-Assets per GenAI, Creator-Tools von Previsualisierung bis De-Aging, z.B. in „Happy Gilmore 2“, usw. In Ads testen sie per KI neue Formate, Creative-Varianten und Placement – flankiert von einer ausgebauten Ad-Tech-Pipeline. Kurz gesagt, Produkt, Werbung und Produktion werden zu einem Dreiklang, der Effizienz und Ertrag pushen soll. Das ist die nächste Stufe gegenüber den bisher „klassischeren“ KI-Einsätzen und den im Frühjahr angekündigten LLM-Suchfunktionen. Man könnte also sagen, aus punktueller Nutzung wird jetzt eine Strategie. Und in Deutschland? Da ist man eigentlich auch schon ganz gut unterwegs. RTL unter Stephan Schmitter hat von außen betrachtet wohl die Nase vorn („Newsroom of the Future“, RTL+, Ads, Produktion), ProSiebenSat.1/Joyn und Springer folgen. ARD/ZDF setzen auf Nutzung mit strengen Leitplanken, schöpfen aber bei weitem das Potenzial nicht aus. Mein Take: Den letztlichen Vorteil werden die haben, die die „Pilotitis“ beenden und KI messbar in Reichweite, Verweildauer und Werbewirkung strategisch übersetzen. Von meiner Seite aus also ein klarer Appell für mehr Geschwindigkeit im KI Thema, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Den ganzen Shareholder Letter von Netflix inkl. Q3 Zahlen gibt es hier
Wo geht es heiter weiter?
Paramount/Skydance hat Warner Bros. Discovery drei Angebote gemacht (zuletzt bis 23,50 US-Dollar je Aktie), verknüpft mit dem Vorschlag, David Zaslav im fusionierten Konzern zum Co-CEO/Co-Chairman zu machen. WBDs Board lehnte dennoch ab und startete stattdessen einen formalen “Strategic Alternatives”-Prozess, parallel zur bereits geplanten Aufspaltung in “Warner Bros.” (Studios/Streaming) und “Discovery Global” (Linear) bis Mitte 2026. In den Medien kursieren weitere Interessenten-Namen (u. a. Comcast, Amazon, Apple; Netflix gibt sich zurückhaltend). Hollywoods größtes Puzzle legt eine neue Ecke frei. Dave Ellison lockt mit Cash und einem Co-CEO-Titel für Zaslav, doch WBD scheint im Driver’s Seat. Der “Strategic Review” ist ein weiterer geschickter Move, um Interessenten zu generieren. Entweder kommt jetzt ein wirklich überzeugendes Komplettangebot oder die Company trennt erst sauber in 2026 und verkauft dann gezielt Filetstücke. Regulatorisch ist das Brett auf den ersten Blick dick: Paramount × WBD (CNN/TNT/Sports + CBS) schreit nach Auflagen, Big Tech × HBO nach Politik. Doch der Zugang der Ellisons zur Politik ist bekanntlich gut. Die Chance liegt m.E. in Tempo und Klarheit, in einer Story, die Kreative, Werbekunden und Wall Street zugleich überzeugt – ohne den nächsten integrationsmüden Koloss zu bauen. Meine Wette aber ist: Erst die Trennung, dann selektive Verkäufe. Die Kronjuwelen (HBO/Warner Studios) werden bestimmt nicht im Paket verramscht.
Und was darf diese Woche natürlich nicht fehlen?
Der Versuch einer Einordnung zum Vorstandsbeben in Unterföhring. Am Dienstag hatte der ProSiebenSat.1-Aufsichtsrat mal eben den gesamten Vorstand entlassen. Und dies obwohl die Verträge von Bert Habets (im April) und Martin Mildner (am 1. September!) – NB: PPF kündigte den Verkauf seines Pakets an MFE am 28. August an; damit war faktisch absehbar, dass MFE die Kontrolle übernimmt – um jeweils drei Jahre verlängert wurden. Da würde ich als Aktionär beim Aufsichtsrat bei der nächsten HV mal nachfragen. Egal. Offensichtlich hat der Mehrheitsaktionär MFE (75,61%) jetzt die Notwendigkeit zum Handeln gesehen. Wer sich auf den Medientagen umhörte, konnte verschiedene Reaktionen hören, selbst von ProSiebenSat.1-Menschen wurde ich fast stoisch gefragt: „Überrascht dich das jetzt wirklich?“ Andere sprachen vom „Ende der Company“. Das neue Vorstands-Setup aus Marco Giordani als CEO (ein erfahrener CFO) und Interims-Finanzchef Bob Rajan (ein erfahrener Sanierer) spricht für eine übergangsweise klare Agenda, die Giordano in einer internen Mitteilung an die Belegschaft auch nicht verhehlte: „Ab heute werde ich die bestehende Struktur genau unter die Lupe nehmen, Chancen identifizieren und auf Basis fundierter Analysen und Gesprächen die nächsten Schritte definieren.“ Was das heißt, kann sich jeder selbst zusammenreimen. Natürlich ist es das gute Recht eines Mehrheitseigentümers – und auch die Pflicht gegenüber den Restaktionären – nach weiteren Einsparpotenzialen und Synergien zu suchen. Ich hoffe nur sehr, dass beim Agendasetting auch andere Stakeholder des zukünftigen Erfolgs nicht vergessen werden. VAUNETs Herbstprognose vom 22. Oktober 2025 rechnet für den TV-Werbemarkt 2025 in Deutschland mit einem Rückgang um 7 % auf ca. 3,3 Milliarden Euro netto. Da sind vertrauensbildende Maßnahmen und Kontinuität unfassbar wichtig für einen Vermarkter. Ebenso lebte ProSiebenSat.1 auch immer vom großen Vertrauen zum Talent- und Produzentenmarkt. Auch hier ist nun Kontinuität gefragt. Und, wenn man als Ziel setzt: „Wir werden ProSiebenSat.1 wieder auf Erfolgskurs bringen und einen großen europäischen Medien- und Entertainment-Champion aufbauen“, dann sollte man intensiv mit den Leistungsträgern der Organisation arbeiten. Und viel kommunizieren. Ich wünsche es mir so sehr, dass das alles funktioniert. Aus Liebe zu Unterföhring.





















