Die Künstlerin Poppy Baynham sorgt in Hay-on-Wye für Aufregung | ABC-Z
Die elektrisierende Potential von Kunst liegt im Auge des Betrachters. Anders formuliert: Kunstwerke, die die einen lieben, finden die anderen womöglich grauenvoll. Manch einer merkt auch gar nicht, dass es sich überhaupt um Kunst handelt. Überengagierte Putztrupps haben weltweit bekanntlich schon zahllose Kunstwerke schlicht weggefeudelt.
Im sogenannten Bücherdorf Hay-on-Wye, einem kleinen Ort in Südwales, der berühmt für sein viel Prominenz anziehendes Literaturfestival ist, erregt nun, wie der „Guardian“ berichtet, das Gemälde einer nackten Frau die Gemüter. Ort des Geschehens ist die Galerie „The Chair“, in deren Schaufenster das Werk der Künstlerin Poppy Baynham prominent und für alle Vorbeiflanierenden – es handelt sich um die Hauptstraße des Orts – sichtbar ausgestellt ist. Auf dem Gemälde spreizt eine mit Cowboystiefeln bekleidete und ansonsten Nackte ihre Beine. Zwischen diesen Beinen sieht man ein schwarzes Dreieck mit rosa Wolle – von einer expliziten Vagina-Darstellung kann also keine Rede sein.
Nun hat sich laut „Guardian“ die Polizei aufgrund mehrerer Beschwerden an die Galeriebesitzerin Val Harris gewandt und sie aufgefordert, nicht weiter die öffentliche Ordnung zu stören und das Werk aus dem Schaufenster zu entfernen. Tipp der Polizei: Sie solle es irgendwo „weiter hinten“ in der Galerie ausstellen. Val Harris, marketinggewieft, weigert sich indes das zu einer kuratierten Ausstellung von Poppy Baynham und ihrer Schwester gehörende Werk weniger prominent zu platzieren. Wie hätte die kleine Gemeine wohl auf jemanden wie die Künstlerin Rokude Nashiko reagiert? Die Japanerin ließ ihre Vagina vermessen, um das vielfache vergrößern und schließlich als Plastikvagina drucken. Daraus fertigte sie ein Kajak, „The Vagina Boat“.
Der weibliche Körper steht im Zentrum
Baynham studiert im dritten Jahr an der Central Saint Martins, einem Teil der University of Arts London, und sagte gegenüber dem „Guardian“, sie sei schockiert über die Reaktion auf ihr Gemälde, das nur deshalb für das Schaufenster ausgewählt worden sei, weil es die richtigen Proportionen habe (für eine Künstlerin kein ermunterndes Lob). „‚Sie haben gesagt, es sei Pornografie, was ich nicht wirklich verstehen kann’. Ich weiß nicht, welche Art von Pornografie sie sich angesehen haben, aber es ist definitiv nicht mein Gemälde’.“ In London jedenfalls rege sich niemand über ihre Kunst auf. Nun, London ist eben auch nicht Hay-on-Wye.
Bei ihrer Kunst, die den weiblichen Körper ins Zentrum des Schaffens rückt, gehe es ihr darum, diesen stets sexualisierten Körper zu normalisieren. Die Besitzerin der Galerie, Val Harris, hatte diesen kleinen Skandal derweil in ein Event verwandelt und zu einer Debatte auf Instagram eingeladen. Baynham las folgende Erklärung vor: „Die meisten heterosexuellen Frauen haben noch nie eine Vulva gesehen, daher verstehe ich, warum sie Angst davor haben könnten, und mir ist klar, dass es in Hay viele heterosexuelle Frauen geben muss.“
In einem Gespräch mit der BBC sagte sie: Die aufgebrachten Reaktionen zeigten nur, wie engstirnig die Leute seien. „Wenn ich ein berühmter Künstler wäre, würde wohl niemand etwas sagen.“
Der Kunststudentin Poppy Baynham jedenfalls hätte nichts Besseres als dieser Mini-Skandal passieren können. Ihr Kunstwerk steht zum Verkauf und einige hübsche Kaufangebote dürften folgen.