Die Kostümierung den Profis überlassen | ABC-Z

Ich hatte ein ziemlich teures Sommersakko dabei, als ich zum ersten Mal die Opernpremiere der Osterfestspiele in Salzburg besuchte. Weil die noch nobler und teurer sind als der Sommer, fragte ich im Pressebüro vorsichtshalber, ob dieses Sakko angemessen wäre. Ich würde mich nicht wohlfühlen, bedeutete man mir. Ich habe mich dann für einen Anzug entschieden.
Das ist eine ganz gute Grundregel für den Dresscode: Sich wohlfühlen. Der Smokingzwang in Salzburg oder Bayreuth wird von Nicht-Besuchern ohnehin überschätzt: Wenn Sie nicht gerade Bundeskanzler sind, wird keiner die Nase rümpfen, wenn Sie zu einem Sportsakko ein Polohemd tragen. Und im Rang des Großen Festspielhauses, wo die Karten nicht ganz so teuer sind, wäre ich mit meinem Sommersakko auch an Ostern nicht aufgefallen.
Heuer saß bei der Premiere von „One Morning Turns Into an Eternity“ in der Felsenreitschule ein reiferes französisches Ehepaar neben mir. Sie waren auf der Durchreise und trugen Funktionskleidung auf Plätzen, die über 200 Euro kosten. Weil Arnold Schönbergs „Erwartung“ gespielt wurde, sind sie nicht aufgefallen. Zu Neuer Musik, auch wenn sie wie bei „Erwartung“ über 100 Jahre alt ist, kann man immer leger gehen, weil solche Aufführungen primär kulturelle und keine gesellschaftlichen Ereignisse sind. Aber man kann natürlich auch Smoking tragen.

© Kolarik
von Kolarik
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Ich finde: Lassen Sie sich von Dresscodes nicht abschrecken. Fühlen Sie sich wohl. Überlassen Sie die Kostümierung den Profis auf der Bühne. Mich interessiert Oper als Kunstform, nicht als gesellschaftlicher Anlass. Und wenn ich ganz ehrlich sein sollte: Mich stören eher gut angezogene Menschen, die unbedingt ein Weinglas mit in den Zuschauerraum nehmen wollen. Oder die der erste Akt „Parsifal“ wie ein Wüstenmarsch dermaßen ausdörrt, dass sie immer wieder einen Schluck aus einer Wasserflasche nehmen müssen.
P.S.: Und was reitet die Mailänder Scala? Wohl Phantomschmerzen ihres nachlassenden künstlerischen Rufs. Deshalb bekommen da halt auch mal schlecht angezogene Touristen Karten an der Kasse. Dass die Scala auf deren Geld offenbar verzichten kann, wundert mich.