Die englische Premier League wehrt sich gegen die geplante Regulierungsbehörde – Sport | ABC-Z
Die Auseinandersetzung zwischen der Premier League und der britischen Regierung wirkt gerade ähnlich spannend wie der Kampf um die englische Meisterschaft. Vor drei Wochen reichte das Ministerium für Kultur, Medien und Sport einen Gesetzentwurf zur Einführung einer von der Liga unabhängigen Fußballregulierungsbehörde ein, die in Zukunft das Geschäftsgebaren der Profiklubs zum Nutzen der Fußballfans und des Gemeinwohls überwachen soll. Ein solches Aufsichtsgremium empfahl die frühere Sportministerin Tracey Crouch in ihrem Abschlussbericht (“Fan-led Review of Football Governance”), der sich an den Forderungen der Fans orientiert. Den Report zum Zustand des Inselfußballs hatte Ex-Premier Boris Johnson in Auftrag gegeben, nachdem sich sechs englische Spitzenvereine an der letztlich gescheiterten Gründung einer europäischen Superliga im April 2021 beteiligt hatten.
Der Livestatus des 130 Seiten umfassenden Antrags lässt sich auf der Internetseite des Parlaments verfolgen. Derzeit befindet sich der Entwurf bei der mit einer Sanduhr gekennzeichneten zweiten Lesung im Unterhaus, die erste Lesung ist bereits grün abgehakt. Jeweils fünf Schritte muss eine neue Vorschrift im Unter- und dann im Oberhaus durchlaufen, bevor sie die königliche Zustimmung erhalten kann – und damit zum Gesetz wird.
“Wir könnten aufhören, die Spitzenliga zu sein”, fürchtet West Hams Miteigentümer David Sullivan
Der Beschlussvorlage stand die Premier League von Beginn an skeptisch gegenüber. Die Vereine argumentieren mit markigen Worten, dass eine Überregulierung den Wettbewerbsvorteil der finanziell und kommerziell sehr erfolgreichen Premier League gefährden würde. “Wir könnten aufhören, die Spitzenliga zu sein”, fürchtet West Ham Uniteds Miteigentümer David Sullivan in der BBC. Um die kaum mehr abzuwendende Kontrollinstanz doch noch zu verhindern, lässt die Liga nichts unversucht – und macht dabei einen zunehmend verzweifelten Eindruck.
In dieser Woche hat die Premier League offensichtlich eine Exklusiv-Werbeanzeige im zweimal täglich veröffentlichten digitalen London-Playbook-Newsletter des Magazins Politico geschaltet, das überwiegend Fachleute des Politikbetriebs lesen dürften. Das Bulletin wurde am Montag und Dienstag in der Kopfzeile jeweils “von der Premier League präsentiert”, sogar mit dem offiziellen Liga-Logo.
In der Auflistung der wichtigsten News heißt es stets unter der Überschrift “Eine Nachricht der Premier League” an prominent platzierter Position: “Die Premier League ist der meistgesehene Wettbewerb der Welt […] Trotzdem wird das Vereinigte Königreich bald das erste große Land sein, das den Fußball reguliert. Wir müssen uns vor den unbeabsichtigten Folgen hüten, die den Erfolg des englischen Fußballs gefährden würden.”
Der am Anfang und Schluss mit zwei Sternchen markierte Text beinhaltet ebenfalls einen Link zum eigenen Internetauftritt. Dort wird angepriesen, wie die Liga “den Communitys und dem Spiel insgesamt” helfe. Auch weiter unten im Newsletter wird das eigene soziale Engagement betont und sogar eine Kontaktadresse inkludiert. Die Reklame der Premier League sieht aus wie eine Gegendarstellung zu den bisher gescheiterten jahrelangen Verhandlungen mit der für die unteren Profiligen zuständigen English Football League um einen neuen Solidaritätsvertrag.
Das bestimmt nicht günstige Inserat scheint eher der Bekanntheit des “Politico”-Newsletters zu nützen
Allerdings scheint das bestimmt nicht günstige Inserat nach dem ersten Eindruck eher der Bekanntheit des Politico-Newsletters zuträglich zu sein als der Premier League selbst. Der ehemalige Manchester-United-Profi Gary Neville postete einen Screenshot der Werbung auf seinem Instagram-Account. Dazu kommentierte Neville, der ein leidenschaftlicher Unterstützer der Aufsichtsbehörde ist, dass die Liga “einen neuen Tiefpunkt erreicht” habe, indem sie bezahlte Anzeigen schalte, “um den neuen Regulator anzugreifen”. Sein Fazit: “Wie man sich blamiert und klein aussieht!”
Tatsächlich unterstreicht die Premier League mit ihrem derzeitigen Vorgehen geradezu die Notwendigkeit für eine unabhängige Kontrollinstanz. Denn der Liga mangelt es momentan nicht nur an Transparenz, sondern vor allem am Vertrauen der Fans in England. Das Fußballvolk hält die Entscheidungen über die Integrität von neuen Klubbesitzern und die Punktabzüge für Vereine wegen Missachtung der Finanzregeln für kaum stringent. Anders als im englischen Titelkampf scheint in diesem Duell der Sieger bereits festzustehen: die UK-Politik.