Die Einheizer der Transformation treiben uns in den Ruin | ABC-Z
Es ist zu befürchten, dass dieser Wahlkampf wieder so bundesrepublikanisch-bieder verläuft wie der von 2021. Auch damals war viel von Umbruch, sogar von Revolution und noch mehr von Aufbruch die Rede. Aber debattiert wurde dann über Mindestlohn, Schulspeisung und den Lacher eines Kanzlerkandidaten. Auch heute ist wieder von Umbruch die Rede und von epochalen Fragen, von einer Schicksalswahl für Deutschland, vom Politikwechsel, doch es drohen uns wieder ein Rentenwahlkampf, Mindestlohndebatten und Gegacker, ob jemand ein falsches Wort in den Mund genommen hat. Große Themen, kleines Karo.
Zu den gewohnten Alles-muss-sich-ändern-Parolen ist immerhin eine noch dramatischere hinzugekommen: die Umkehr. Die Einsicht zu deren Notwendigkeit ist Ursache wie Produkt des Scheitern der rot-grün-gelben Koalition. Die Liberalen kündigten, weil sie nicht verantwortlich für die um sich greifende Sklerose sein wollten; die lange Zeit regierende CDU tat sich in der Opposition leichter, sich von ihrer Vergangenheit zu lösen und erst einmal in eigener Sache eine Umkehr zu praktizieren. Getrieben wurde diese Opposition von neuen Parteien, die davon profitieren, dass es damit so furchtbar lange dauerte.
Grüne Dogmen bröckeln ohne wirkliche Umkehr
In der Migrationspolitik gibt es deshalb fast schon parteiübergreifend einen neuen Kurs. In der Sicherheitspolitik hat der Krieg in der Ukraine zum Handeln gezwungen. Und auch in der Klimapolitik, der dritten großen Frage unserer Zeit, ist zu spüren, dass die grünen Dogmen, die sich nahezu alle traditionellen Parteien zu eigen machten, bröckeln. Hinzufügen muss man allerdings in allen drei Fällen: Eine wirkliche Umkehr ist daraus (noch) nicht geworden. Noch immer klaffen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander – in der Verteidigung, in der Einwanderung, in der Wirtschafts- und Klimapolitik. In allen drei Fällen hat dieser Widerspruch zu unabsehbaren Folgen geführt.
Wie die Überforderung gesellschaftlicher Integration, wie militärische Unfähigkeiten behoben werden sollen, steht zwar noch in den Sternen – der „Ernstfall“, ob in der Ukraine oder als parallelgesellschaftlicher Terror, gebietet aber fortwährenden Handlungsdruck. Der ist längst auch in der Klimapolitik entstanden, doch tut sich in dieser Richtung nur wenig. Da Korrekturen bislang nur für Extremisten und Leugner ein Herzensanliegen sind, traut sich sonst niemand, die richtigen Schlüsse aus einem fatalen deutschen Sonderweg zu ziehen.
Die Folgen der Rezession sind womöglich unumkehrbar
Die Klimapolitik ist damit die letzte Bastion einer nahezu unangetasteten, moralisch aufgeladenen Politik geworden, die nicht am Machbaren, sondern allein am Wünschenswerten gemessen wird. Deutschland hat sich damit in eine selbst verschuldete Rezession manövriert, die sich von früheren darin unterscheidet, dass ihre Folgen nicht rückgängig gemacht werden könnten. Gern wird über Kipppunkte des Klimawandels spekuliert, wenig über den Kipppunkt der Wirtschaftskraft, der Deutschland jetzt droht. Dabei gilt in der Klima- dasselbe wie in der Sozialpolitik: Es lässt sich nur leisten, was auch erwirtschaftet wird.
In der Klimapolitik herrscht aber geradezu das umgekehrte Prinzip: Abbau des Alten, ohne dass mit dem Neuen im Wettbewerb zu bestehen wäre. Die deutsche „Transformation“, ohnehin in Deutschland immer auch grün-identitätspolitisch statt liberal-wettbewerbsorientiert geprägt, hat sich auf diese Weise in einen Wandel durch Kahlschlag hineingeritten. Das kommt dem Klima nur insofern zugute, dass sinkende industrielle Leistung sich in sinkenden CO2-Werten äußert. Der Rest ist Verlust von Fähigkeiten und Leistungen, die gewährleisten, dass Deutschland die Mittel hat, die es braucht, um klimapolitisches Vorbild zu sein.
Nichts davon ist in Sicht. Der Wille zur Umkehr wird gerade in diesem Fall nur äußerst zaghaft geäußert, obgleich gerade hier die Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssten, dass alle anderen Baustellen – Soziales, Verteidigung, Integration – finanzierbar sind und erwirtschaftet werden können. Es reicht nicht, dass Technologieoffenheit, Entbürokratisierung oder Subventionsabbau propagiert werden, wenn nicht gegen alle Einheizer der Transformation klargestellt wird, dass auf deutscher wie europäischer Ebene die Illusionen eines Wasserstoffkuckucksheims mit E-Autos und Dunkelflauten angesprochen werden.
Die Zukunft Deutschlands entscheidet sich nicht an der Mütterrente, dem Mindestlohn oder der Unternehmensteuerreform, sondern daran: Was muss passieren, damit diese Umkehr, diese dringend notwendige Wende garantiert werden kann?
Darauf muss der Wahlkampf Antworten geben, von bürgerlichen Politikern, die weder der Lyrik rot-grüner Kapitalismuskritik noch dem rechtsradikalen Abriss-Blabla anheimfallen. Viel wurde über die „geistig-moralische Wende“ gelästert, als sie vor vierzig Jahren propagiert wurde. Es ist aber genau das, worum es jetzt geht.