Die Bayerische Staatsbibliothek zeigt prachtvolle, japanische Farbholzschnitte. – Kultur | ABC-Z

Spricht man in München von „der Welle“, ist in der Regel die zuletzt durch ein tragisches Unglück in die Medien gespülte Surfer-Welle auf dem Eisbach gemeint. Aber vielleicht ändert sich das bald. Denn in der bayerischen Hauptstadt gibt es seit zwei Jahren auch noch eine andere, eigentlich viel berühmtere Welle. Die Rede ist vom japanischen Farbholzschnitt „Unter der Welle im Meer vor Kanagawa“ von Katsushika Hokusai. Oder kurz: die „Große Welle“.
Die Bayerische Staatsbibliothek hat diese nämlich im Jahr 2023 zusammen mit zwei weiteren Blättern aus Hokusais legendärer Holzschnittserie „Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji“ erworben. Und um das zu feiern, präsentiert sie unter dem Titel „Farben Japans“ nun eine prächtige Ausstellung.
Dort sind Hokusais „Welle“, das „Sommergewitter am Fuße des Berges“ und „Südwind, klares Wasser“, besser bekannt als „Roter Fuji“, als Höhepunkte zu sehen. In einer Schau, die auch sonst nicht mit visuellen Reizen geizt. Mehr als 130 japanische Holzschnitte aus der eigenen Sammlung sind zu sehen. Darunter aufwendig illustrierte Bücher, seltene Triptychen und Einblattdrucke. Und neben Hokusai sind mit Kitagawa Utamaro, Utagawa Hiroshige oder Tsukioka Yoshitoshi weitere große Namen dabei. Zeitlich bewegt sich der Reigen von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zu den „shin-hanga“, sogenannten „Neuen Drucken“ des 20. Jahrhunderts, bei denen westliche Einflüsse und Techniken zum Einsatz kamen.
Die Holzschnitte in den abgedunkelten Schatzkammern zu finden, ist trotz der Größe des Hauses nicht schwer. Denn bereits am Eingang schwappt Hokusais „Welle“ in einer fototauglichen Vergrößerung die Stufen der großen Freitreppe herab. Oben erwarten einen dann „Bilder von Schönheiten“ („bijinga“) mit prächtigen Frisuren und Gewändern, aufgedruckt auf Bannern, die vor den Fenstern der Südgalerie den Weg weisen. Die Originale stammen von Künstlern wie Tsukioka Yoshitoshi oder Kitano Tsunetomi und stellen Kurtisanen, Teehausmädchen oder Geishas dar. Im Fürstensaal sind Motive von Hokusai als Reproduktionen oder Aufsteller zu sehen.
Das ist ein Aufwand, wie er selten in der Staatsbibliothek betrieben wird. Das zeigt, wie stolz man auf die eigene Japan-Sammlung ist, die rund 90 000 gedruckte Bände, 100 Handschriften und 1000 Einblattdrucke umfasst. Untergliedert ist die Schau mit „Theater“, „Schönheiten“ oder „Natur“ in sieben Themen. Außerdem wird anhand von Schaubildern und Druckstöcken der Herstellungsprozess von Farbholzschnitten vorgeführt. Daran waren neben den Künstlern Holzschneider und Drucker beteiligt. Gedruckt wurde mit bis zu 15 Farben. Und man kann über die handwerkliche Präzision nur staunen. Sehr ausführlich wird das im umfangreichen Katalog erklärt.

Ein Begriff, den man sich merken sollte, ist „Ukiyo-e“. Das bedeutet „Bilder der fließenden Welt“. So wurden die Farbholzschnitte in der Edo-Zeit (1603 – 1868) genannt. Gemeint war damit eine Welt sinnlichen Vergnügens, für die sich das damals aufstrebende Bürgerturm faszinierte. Der Holzschnitt als Gebrauchskunst lieferte diese in hoher Auflage. Für die Motive spielte das Kabuki-Theater mit seinem Mix aus Schauspiel, Musik und Tanz eine große Rolle. Entsprechend sind auf zahlreichen Drucken Schauspieler und Theaterszenen zu sehen. Darunter ein dramatischer Stockkampf zwischen den Schauspielern Ii Yōhō und Yamaguchi Sadao, die auf einem Blatt von Toyohara Kunichika eine Szene aus den „Erzählungen vom Wasserufer“ darstellen.

Die drei Frauen bei den „Vorbereitungen für Tanabata“, dem „Sternenfest“, auf einem Holzschnitt von Kitagawa Utamaro gehören zur Kategorie der „Schönheiten“. Hokusais „Ansichten des Berges Fuji“ finden sich im Kapitel „Unterwegs“. Und im Kapitel „Edo“ (heute: Tokio) fällt etwa Utagawa Hiroshiges Darstellung eines Pflaumenbaums durch die extreme Nahsicht auf. Dann sind da noch wunderbare „Natur“-Ansichten wie der „Königsfasan“ von Kono Bairei, der sich eine Schlange als Beute auserkoren hat. Oder das zarte Reh auf einem Bild von Sakai Hoitsu. Auch die japanische Mythen- und Sagenwelt lieferte Motive und Geschichten, mit ruhmreichen Samurais, schurkischen Banditen, rachsüchtigen Geistern und furchterregenden Monstern.
Da ist der Sprung zu heutigen Animes und Mangas nicht weit, zu denen es auch ein kleines Kapitel gibt. Wie früher die Holzschnitte sind Mangas heute populäre Druckwerke. Auch auf vielen Holzschnitten wurden wie im Comic Bilder mit Texten kombiniert, wobei es aber noch keine Panels oder Sequenzen gab. Dafür spuken etwa in den wunderbaren Mangas von Shigeru Mizuki immer noch Yokai, japanische Geisterwesen, herum. Und seine kindlichen Figuren hat er vor geradezu altmeisterliche Hintergründe gesetzt. Dass auch im Game-Bereich der Geist von Hokusai & Co weiterlebt, zeigt die Ausstellung nicht. Aber an „Oku“ von Irox Games aus Garching lässt sich das sehen.
„Oku“ ist ein japanisches Raumkonzept. Es wird beim Bau von Häusern und Gebäuden verwendet. Und inzwischen auch, wie man von Claudio Belloni von Irox Games erfährt, beim Level-Design von Spielen. Das noch in der Entwicklung befindliche und voraussichtlich im August als Demo erhältliche Game „Oku“ soll den Spielern dieses Konzept näherbringen. Dann aber auch die japanische Literatur, Lyrik und Musik. Der visuelle Stil? Der ist von den „Ukiyo-e“ und vor allem Hokusais Holzschnitten inspiriert. Auf der Münchner Games-Messe „GG Bavaria“ im März konnte man „Oku“ schon mal antesten. Das war tatsächlich so, als würde man in einem Bild von Hokusai herumspazieren. Und es zeigt, wie die Farben Japans auch heute noch junge Menschen faszinieren.
Farben Japans – Holzschnitte aus der Sammlung der Bayerischen Staatsbibliothek, bis 6. Juli, Ludwigstr. 16, bsb.bayern/farbenjapans