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Die ARCO 2025 in Madrid | ABC-Z

Der Auftakt der 44. ARCO Madrid war eine Hommage an die legendäre deutsch-spanische Sammlerin und Galeristin Helga de Alvear, die im Februar im Alter von 88 Jahren gestorben ist. Der Stand ihrer Galerie zeigt ausgesuchte Stücke aus der Sammlung de Alvears, von Jonathan Judd bis Man Ray, die sie allesamt auf der ARCO gekauft hatte. „Sie wollte es unbedingt noch schaffen“, erzählt die Tochter Patricia de Alvear im Gespräch mit der F.A.Z. „Sie hat es auch den Ärzten und Krankenschwestern gesagt: Sie wollte unbedingt noch einmal zur ARCO.“ Es sollte nicht sein. Freunde und Wegbegleiter begannen den Messemittwoch mit langem Applaus für die Verstorbene.

Die Stimmung auf der Messe ist gut, wie die Direktorin Maribel López bekräftigt. 214 Aussteller aus 36 Ländern sind gekommen, darunter neun neue Galerien, die sorgfältig ausgesucht wurden, denn die ARCO kann (und will) nicht wesentlich größer werden, als es die 38.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche auf dem IFEMA-Gelände erlauben. Neben dem hohen Anteil der Spanier (rund ein Drittel) und Lateinamerikaner (ein weiteres Drittel) sind Portugal, Frankreich und Deutschland stark vertreten.

Ungelöst bleibt der Streit um die spanische Mehrwertsteuer auf den Kauf von Kunstwerken. López beklagt, die 21 Prozent in Spanien – gegenüber sieben Prozent in Deutschland und 5,5 Prozent in Frankreich – sorgten für einen ungleichen Wettbewerb unter den Galeristen. Aus Protest schalteten die spanischen Stände am Mittwoch für ein paar Minuten die Lichter aus. Die Regierung, findet die Direktorin, müsse dem einheimischen Kunsthandel mit einer Senkung auf zehn oder gar vier Prozent entgegenkommen.

Eugenio Merino hat wieder seinen ARCO-Auftritt

Eines der auffälligen politischen Statements zu Beginn der Messe stammte von dem Madrilenen Eugenio Merino, der schon öfter die ARCO aufgemischt hat. ADN verkaufte seine Spülmaschine „White Washing“, die Teller mit den Por­träts von Donald Trump, Javier Milei, Elon Musk und anderen wieder auf Hochglanz bringen soll, schon nach wenigen Stunden für knapp 22.000 Euro. Gefürchtete politische Player haben popkulturellen Status erlangt, wobei fraglich ist, ob das einem solidarischeren Politikverständnis nützt. Mancher wird sich nach den Katastrophennachrichten der vergangenen zehn Tage gedacht haben, auch der echte Trump könnte einen Spülgang vertragen.

Politische Botschaften kommen aus allen Weltgegenden, sie finden sich auch im Werk des Kurden Ihsan Oturmak bei der türkischen Galerie Öktem Aykut. Auf seinem gut zwei Meter breiten Ölbild „Dining Hall“ (25.000) verzehren fünfzig gescheitelte Jungen in schwarzen Anzügen ihr furchterregend sauber arrangiertes Essen. Die Tische und Sitzbänke stehen pedantisch in Reih und Glied, als stammten sie aus dem Architekturkatalog: der leise Terror des Ordnungsstaats.

Daneben gibt es Prophetinnen der reinen Farbe und reduzierten Form wie Ade­laide Cioni, die am Stand der Galerie P420 aus Bologna ihre leuchtenden, gut gelaunten Redesigns der grundsätzlichen Dinge zeigt: einen roten Ball für die Sonne, fünf blaue Wellenlinien für das Meer oder viele bunte Punkte, unter denen man sich mancherlei Obst vorstellen kann, aber nicht muss (je 15.000). Ähnlich leuchtend, doch etwas schwermütiger sind die Interieurs des Spaniers Dis Berlin, mit denen der Regisseur Pedro Almodóvar gern seine populären Filme bestückt. Bei Guillermo de Osma (Madrid) sticht sein „Junggeselle“ heraus (4400).

Von Kiew nach Miami

Als vor drei Jahren der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ausbrach, befanden sich Max und Julia Voloshyn gerade in Miami, und weil ihre Galerie in Kiew von Zerstörung bedroht war, verlagerten sie ihren Standort nach Florida. Entsprechend leicht fällt ihnen der Zugang zur lateinamerikanischen Szene, einem festen Schwerpunkt der ARCO. In Madrid präsentieren sie den 1994 geborenen Kubaner Jonathan Sánchez Noa, der für seine Skulpturen und Papierarbeiten eines der Beutematerialien der Kolonialzeit seines Landes benutzt: Tabakblätter, Tabakstaub und Tabakfarbe.

Dass Lateinamerika seine eigene abstrakte Avantgarde hatte, dafür steht unter anderem der Name des Uruguayers Joaquín Torres García (1874 bis 1949). Die Galería de Las Misiones aus Montevideo zeigt eine kleine Werkschau von dessen Sohn Horacio Torres aus den Siebzigerjahren. Auf dem wunderbaren Aktbild von Torres’ Frau scheint ein tiefes Blau die teilweise unter der Bettdecke liegende Figur zu überschwemmen (48.000). Kleinere Ölformate zeigen Kissen und Bettzeug aus derselben Serie – damals eine Rückkehr des Figurativen angesichts der Herrschaft von Abstraktion und Minimalismus.

Ideen für einen Amazofuturismus

Schon im dritten Jahr in Folge feiert die ARCO ein Gewässer. Nach dem Mittelmeer und dem Ozean ist diesmal der Amazonas dran. Schon das Wort suggeriert Leben, Natur und die indigenen Wurzeln des globalen Südens, aber auch skrupellose Abholzung und die Erstickungsgefahr des Planeten im Klimawandel. Eine eigene Ausstellung in der Casa de Ámerica mit dem Titel „Wametisé: Ideen für einen Amazofuturismus“ verrät den Anspruch der lateinamerikanischen Kunst, neben den Identitätswurzeln eines Kontinents auch Nachhaltigkeit und den verantwortlichen Umgang mit Ressourcen zu betonen.

In diesem Sinne, sagt die Kuratorin María Wills, gehe „Amazonien“ weit über das Politische hinaus. Auf der ARC­O passt dazu die Serie „Mata“ der Brasilianerin Alice Shintani bei Marcelo Guarnieri, die in 26 Bildern (je 8000) die Pflanzenwelt des Amazonas vor einem pechschwarzen Hintergrund beschwört, den Pessimisten schon für unsere Zukunft halten könnten. Bei Herlitzka & Co. hängen drei schöne, auf indigenes Handwerk zurückgehende Webstücke aus dem Norden Argentiniens, gefertigt von einem Dreier-Kollektiv mit dem Namen Tsufwelej (je 8000).

Madrid hat in diesen verregneten Tagen in jedem Winkel etwas zu bieten. Das Museum Thyssen-Bornemisza zeigt Proust und die Künste, die Fundación Juan March eine Schau über die Autonomie der Farbe, und die Fondazione Sandretto Re Rebaudengo setzt ihre Förderung junger Künstler fort mit einer Schau von Pol Taburet, kuratiert von Hans Ulrich Obrist, die das Publikum in den restaurierten „Pavillon der Hexagonalen“ entführt: die Wiederauferstehung eines filigranen Gebäudes der Brüsseler Weltausstellung von 1958. Taburet sagt der F.A.Z., er habe sich im Prado intensiv mit Goyas „schwarzen Gemälden“ beschäftigt. Seine düstere, von starken Farbfeldern und surrealen Elementen geprägte Malerei wird Ende des Monats auch im Berliner Schinkel Pavillon zu sehen sein.

ARCO Madrid, IFEMA-Messegelände, bis 9. März, Eintritt und Katalog zusammen 65 Euro

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