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Die Antwort, die der Papst schuldig blieb | ABC-Z

Kein Papst in jüngerer Zeit hat zu Beginn seines Pontifikats derart große Erwartungen geschürt, dass sich in der katholischen Kirche Grundlegendes verändern werde, wie Franziskus. Die Kardinäle wählten den damals schon 76 Jahre alten Jorge Mario Bergoglio im März 2013 zum Nachfolger von Benedikt XVI., weil der Erzbischof von Buenos Aires einen Wandel versprach: Der erste Papst, der sich nach dem heiligen Franz von Assisi benannte, stand für eine „verbeulte Kirche“ ohne Klerikalismus. Für eine Kirche, die ihre vornehmste Aufgabe nicht darin sieht, die Gläubigen mit dem moralischen Zeigefinger zu erziehen, sondern ihnen Hoffnung und Trost zu spenden. Römischen Zentralismus und vatikanische Selbstherrlichkeit lehnte der Jesuit ab.

Aber was hat Franziskus in seiner zwölfjährigen Amtszeit tatsächlich verändert? Was bleibt nach seinem Tod jenseits eines bloßen Klimawandels in der Kirche? Misst man ihn allein an seinen Vorgängern, dann könnte Franziskus als Revolutionär erscheinen. Er hat die Kirche wieder zu einem Raum gemacht, in dem mit Freimut über Zukunftsfragen debattiert werden kann, ohne den vatikanischen Bannstrahl fürchten zu müssen: über den Zölibat, über Weiheämter für Frauen, über eine größere Mitbestimmung von Laien und den Umgang mit Homosexuellen. Das wird kein Nachfolger rückgängig machen können.

Auch Franziskus hat Frauen das Weiheamt verwehrt

Noch im Pontifikat von Benedikt XVI. hätte sich kaum jemand vorstellen können, dass Frauen je an einer Bischofssynode im Vatikan teilnehmen und sogar stimmberechtigt sein würden. Undenkbar gewesen wäre auch, dass eine Frau eine vatikanische Behörde leitet, wie dies seit einigen Monaten der Fall ist.

Aber ein Papst wird nicht nur an seinen Vorgängern gemessen. Aus der Perspektive vieler Katholiken in Deutschland und in anderen Ländern, die in einer gesellschaftlichen Wirklichkeit leben, in der Gleichberechtigung als selbstverständlich gilt, wirken diese Veränderungen marginal. Nimmt man die Hoffnungen als Maßstab, die in Deutschland mit dem „Synodalen Weg“ verbunden waren, fällt die Bilanz des Pontifikats anders aus: Auch Papst Franziskus hat Frauen nicht zum Diakonat zugelassen, wie es die Würzburger Synode schon vor fünfzig Jahren forderte.

Ebenso wenig war er bereit, ein nationales Gremium zu erlauben, in dem Laien und Bischöfe in Deutschland über zentrale kirchliche Fragen auf Augenhöhe debattieren, wie es die Mitglieder des Reformprojekts „Synodaler Weg“ forderten. Auch die oft beschworene Abkehr vom römischen Zentralismus war allenfalls halbherzig. Als die Bischofssynode für Amazonien sich für die Zulassung verheirateter Männer zum Priesteramt aussprach, setzte sich Franziskus ohne eingehende Begründung darüber hinweg.

Ein Reformpapst?

Überhaupt legte Franziskus nicht einmal Wert auf kollegiale Arbeitsformen im Vatikan. Das Kardinalskollegium und die vatikanischen Behördenleiter versammelte er kaum je zu Beratungen. Aller Rhetorik zum Trotz pflegte er einen autoritären Regierungsstil.

Andererseits muss man auch diese Frage stellen: Wie realistisch war es überhaupt, anzunehmen, dieser Papst könnte in wenigen Jahren die katholische Kirche in die Moderne katapultieren, selbst wenn er das gewollt hätte? Dies umso mehr, als sich schon bei vergleichsweise geringfügigen Reformen, wie der Zulassung zur Kommunion von geschiedenen Katholiken, die in zweiter Ehe verheiratet sind, starker Widerstand artikulierte.

20. April 2025, Vatikan, Vatikanstadt: Papst Franziskus erscheint in der zentralen Loge des Petersdoms, um am Ende der von Kardinal Comastri geleiteten Ostermesse auf dem Petersplatz im Vatikan den Segen Urbi et Orbi (lateinisch für “der Stadt und der Welt”) zu erteilen.dpa

Franziskus war gewiss kein Reformpapst in dem Sinne, dass er von vornherein ein bestimmtes Vorhaben im Kopf hatte, das er dann zielstrebig durchsetzte. Ihm ging es vor allem darum, unumkehrbare Prozesse anzustoßen, die zu Veränderungen führen, ohne dass vorher schon das Ergebnis absehbar wäre. Ein solches In-der-Schwebe-Lassen wird sich Franziskus’ Nachfolger nicht mehr erlauben können. Zu groß sind die Herausforderungen, denen sich die Weltkirche gegenübersieht.

Die größte davon ist wohl die, auf die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen in der Weltkirche angemessen zu reagieren. Während in Deutschland und einigen anderen Ländern eine Kirche, die Frauen von der Priesterweihe ausschließt, kaum mehr vermittelbar ist, ist in vielen afrikanischen Ländern eine Kirche kaum vermittelbar, die praktizierte Homosexualität akzeptiert. In anderen Ländern, die von Krieg oder Armut gezeichnet sind, interessieren solche doktrinären Fragen nicht. Diese Fliehkräfte und Gegensätze auszutarieren, ohne dass sie die Kirche zerreißen, wird eine der schwersten Aufgaben des neuen Papstes sein.

Franziskus hat zwar wiederholt geäußert, es müsse nicht alles in Rom entschieden werden, die Ortskirchen sollten mutig voranschreiten. Er ist aber die Antwort darauf schuldig geblieben, was konkret einheitlich geregelt werden muss und was nicht. Diese Antwort muss nun sein Nachfolger geben.

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