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DFB-Pokalfinale 1985: Wie das erste Pokalfinale in Berlin auf einer Insel stattfand | ABC-Z

Plötzlich sind wir mit unserem Kleinbus tatsächlich im Westteil von Berlin. Aber wir, 16 A-Jugend-Spieler und zwei Trainer, wissen nicht so recht weiter. Wir parken irgendwo am Stadtrand und entscheiden uns für die U-Bahn, ist sicherer, sagt der Coach nach einem Blick auf den Falk-Plan. “Vor dem Stadion gibt es bestimmt keinen Parkplatz.” 

Alles ist komisch an diesem Ausflug von einem Deutschland durch das andere und wieder hinein in die BRD. Die Grenze, die Kontrollen, die Grenzer. Das DFB-Pokalfinale 1985 auf einer Landkarten-Insel, das erste überhaupt in Berlin, eine Premiere, aus der eine Tradition erwachsen sollte. Und die Umstände, die Berlin-West überhaupt erst als Austragungsort ins Spiel brachten.

Nun aber sind wir da, sitzen zusammen ganz weit oben im Olympiastadion, der riesigen Anzeigentafel ganz nahe, hinter einem der Tore auf braunen Holzbänken ohne Lehne. Es ist warm an diesem 26. Mai 1985, damals der Pfingstsonntag. Ein schützendes Dach gibt es hier nicht, wir sitzen mitten in der Sonne, haben hier oben aber allerbeste Sicht.

30 Mark für ein Ticket

Um 18 Uhr ist Anstoß des Männerfinals, der FC Bayern trifft dabei auf Bayer 05 Uerdingen. Wir, die A-Jugend des SV Thomasstadt Kempen, sind aus purem Zufall da. Wir sind gerade Meister geworden, deshalb der gemeinsame Ausflug, der uns eigentlich nach Dahme an der Ostsee hätte führen sollen. Unser defensiver Mittelfeldspieler, ein Bayern-Fan, hatte die Karten besorgt, war nicht schwer, sagte er. Kempen ist ein Nachbarort von Krefeld, vielleicht lag es daran. Auf jeden Fall waren die Tickets erschwinglich, 30 Mark.

Also fuhren wir an jenem Sonntag nach Berlin. Passierten die Grenze, hielten den Blicken der Vopos kaum Stand und wunderten uns sehr über die bizarre Transitstrecke und die West-Leckereien, die es in abgesperrten Ost-Raststätten gab. Wie war das möglich? 

Noch eine Grenzkontrolle und wir waren da, in West-Berlin. “Wieder frei”, wie wir schrien und sangen. Wir jubelten, als hätten wir alle gleichzeitig ein Tor geschossen.

Die geografische Nähe zu Krefeld ist auch der Grund dafür, dass die meisten von uns zum Außenseiter hielten, den damals Karl-Heinz Feldkamp trainierte, und in dem Matthias Herget spielte, ein Nationalspieler. Mit dabei waren auch Friedhelm und Wolfgang Funkel sowie Wolfgang Schäfer, den sie nach diesem Spiel nur noch “Cup” nennen sollten, nicht mehr Wolfgang. 

Noch eine Besonderheit gab es vor 40 Jahren beim ersten Berliner Pokalfinale: Die Saison war noch nicht vorüber. Die Bayern etwa, Tabellenführer zu diesem Zeitpunkt, spielten am Dienstag vor dem Endspiel ihr Match des 32. Spieltags beim Karlsruher SC und gewannen mit 4:0, es trafen Matthäus, Kögl, Lerby und Michael Rummenigge. Uerdingen vollendete den 32. Spieltag drei Tage nach Berlin beim 1. FC Kaiserslautern. Heute alles undenkbar, längst bildet das Pokalfinale den Abschluss einer Saison nach dem 34. Spieltag.

“Njet” zu Berlin als EM-Stadt

Berlin als Austragungsort war eine Verlegenheitslösung. Das lag an der Europameisterschaft 1988, um die sich der DFB schon vier Jahre zuvor beworben hatte. Interesse zeigten auch England sowie in einem gemeinsamen Gesuch Norwegen, Schweden und Dänemark. England fiel wegen seines Hooligan-Problems durch. Die Skandinavier hatten keine Chance gegen die DFB-Bewerbung, Deutschland erhielt 5:1-Stimmen des EM-Organisationskomitees der Uefa. 

Doch das war nur eine Empfehlung, die Bestätigung durch das Uefa-Exekutivkomitee stand noch aus. Die aber wackelte, weil der DFB auf West-Berlin als Spielort bestand, was jedoch den vereinten Protest der Ostblockstaaten nach sich zog. Für die Sowjetunion war Berlin nicht Teil der BRD, sondern eine “selbstständige politische Einheit”. Zu Berlin als EM-Stadt gab es ein klares “Njet”.

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