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DFB-Frauen verlieren gegen die USA: Erst mit viel Mut, dann ohne Ruhe – Sport | ABC-Z

Wie man ein vermeintlich aussichtsloses Spiel noch dreht, dafür hatten etwas früher am Abend die Fußballerinnen Australiens jede Menge Anschauungsmaterial geliefert. Gegen Sambia hatten sie ein Tor nach dem anderen kassiert, nach knapp einer Stunde lagen sie 2:5 zurück. Zwei zu fünf! Aber dann war es, als wären sie aufgewacht und auf einmal waren es die Matildas, die trafen und trafen und trafen – bis es nach 90 Minuten tatsächlich 6:5 stand. Das Problem war nur, dass der Eilbote einen Zusammenschnitt nicht rechtzeitig vom Stade de Nice die 200 Kilometer rüber ins Stade Vélodrome von Marseille bekam. Die deutschen Nationalspielerinnen hätten es gut gebrauchen können.

Ab der 44. Minute rannten sie einem 1:3 Rückstand gegen die USA hinterher, sie versuchten viel, aber der Ball wollte nicht mehr ins Tor. Und so wuchs der Pausenstand noch zu einem 1:4-Endergebnis heran – statt zum Gruppenersten aufzusteigen, bleibt das Team von Interims-Bundestrainer Horst Hrubesch auf Platz zwei, dank besserer Tordifferenz im Vergleich zu den punktgleichen Australierinnen. Diese Position wollen sie auch nach dem dritten und letzten Gruppenspiel nächsten Mittwoch (19 Uhr, ARD) in Saint-Étienne gegen Sambia halten – um sicher die nächste Runde des olympischen Fußballturniers zu erreichen. Zum Weiterkommen würde ein Punkt reichen. Neben den ersten beiden Teams der Gruppe erreichen auch die beiden besten Tabellendritten das Viertelfinale.

Horst Hrubesch wischte sich vor dem Anpfiff erstmal mit einem Tuch übers Gesicht. Was aber weniger Angstschweiß als den hochsommerlichen Abendtemperaturen von 30 Grad geschuldet gewesen sein dürfte. Angst, nein, die verspürten die Deutschen nicht, auch wenn die Bilanz wenig glänzt gegen diesen Gegner: Von bisher 37 Begegnungen hatten die USA 25 gewonnen, sieben endeten Remis. Nummer 38 sollte kein weiterer Eintrag in diesen beiden Statistikspalten bringen.

Zwei Expertinnen für die US-Profiliga NWSL, wo die Mehrheit des Nationalteams spielt, hatte Bundestrainer Horst Hrubesch in seinen Reihen: Torhüterin Ann-Katrin Berger war im Frühjahr nach fünf Jahren beim FC Chelsea in die USA zu NJ/NY Gotham FC gewechselt. Sie kennt zudem die neue US-Trainerin Emma Hayes aus der gemeinsamen Zeit in London gut. Und weil Sarai Linder erkältet ausfiel, rückte Felicitas Rauch in die Linksverteidigung. Die 28-Jährige war im Januar vom VfL Wolfsburg zu North Carolina Courage weitergezogen. Wobei Berger direkt die Hoffnung auf Insiderwissen enttäuschte: „Ich schaue nicht so viel Frauenfußball, muss ich ehrlich sagen.“

Die USA nutzen gleich ihr erste Chance zur Führung

Aber die Wissenssammlung über die viermaligen Weltmeisterinnen und viermaligen Olympiasiegerinnen war auch so reichhaltig, auf deren hohe individuelle Qualität sowie ihr robustes, schnelles Spiel konnten sich die Deutschen einstellen. Dass die USA mit ihrem Achtelfinalaus bei der WM 2023 wie die DFB-Frauen, die sich damals noch früher aus dem Turnier verabschiedeten, noch etwas geradezurücken hatten, machte sie umso gefährlicher. Jedenfalls deutete sich früh an, dass niemand auf der Tribüne befürchten musste, einzuschlafen. Im Gegenteil, es blieb kaum Zeit, sich einen Pastis zu holen.

Die von Hrubesch ausgegebene Taktik war deutlich zu erkennen: Mutigen Offensivfußball wollte der 73-Jährige sehen – und seine Spielerinnen lieferten das gewünschte Programm in einer Form, der die USA sichtlich überraschte. In der vierten Minute griff Jule Brand einen Ball von Lindsey Horan ab und dribbelte sich auf der rechten Seite Richtung Strafraum, legte quer zu Lea Schüller. Die Szene war prädestiniert für einen Führungstreffer, aber Torhüterin Alyssa Naeher ahnte, was Schüller vorhatte, und parierte. Die Deutschen blieben dran, aber die US-Amerikanerinnen erinnerten sich und alle anderen an ihren Status bei diesem Turnier und groovten sich dann so richtig ein.

Einmal klappte das mit dem Ausgleich ganz gut: Giulia Gwinn jubelt nach ihrem Treffer zum 1:1 gegen die USA. (Foto: Daniel Cole/AP)

Gleich ihre erste Chance nutzten sie zur Führung. In der zehnten Minute kam Rauch der mit Ball sprintenden Trinity Rodman nicht hinterher, parallel bekam Giulia Gwinn in der Mitte Sophia Smith nicht unter Kontrolle – und dann flog der Ball an Berger vorbei ins Netz. Nun mussten sich wiederum die Deutschen sammeln – und es gelang ihnen bestens. Der Ausgleich wurde eingeleitet durch ein Foul an Alexandra Popp, Sjoeke Nüsken bekam den Ball und gab ihn schnell weiter zu Gwinn. Die 25-Jährige vom FC Bayern hatte beim 3:0 zum Auftakt gegen Australien zwei Vorlagen gegeben, gegen die USA schloss sie in der 22. Minute selbst ab, mit einem schönen, flachen, langen Schuss ins linke untere Eck.

Wie gefährlich Rodman und Smith in der Offensive sind, hatten sie beim 1:0 schon gezeigt, nun mischte sich auch noch die Dritte im effizienten Angriffsbund dazu: Mallory Swanson. Den ersten Abschluss in der 26. Minute setzte zwar wieder Smith los, den abprallenden Ball aber donnerte Swanson aus kürzester Distanz zwischen die noch auf sie zuhechtende Berger und den Pfosten zum 2:1. Die DFB-Frauen wollten sich davon keineswegs einschüchtern lassen, aber unter Kontrolle bekamen sie die athletische Trias nicht. Und dann kam auch noch Pech dazu: Popp klärte und gab damit die Vorlage für Smith. Die 23-Jährige schickte den Ball in hohem Bogen auf die Reise. Und ihr Schuss wäre vielleicht gar nicht so bedrohlich geworden, doch Rauch fälschte ab und verlieh dem Ball den entscheidenden Effet und er landete vom rechten Pfosten auf der gegenüberliegenden Seite im Netz.

Und das Problem der Deutschen war: Sie bekamen auch nach der Pause die Spielkontrolle nicht zurück. Statt wie zum Start der ersten Halbzeit selbst das Tempo und die Richtung vorzugeben, jagten sie nun hinterher. Vielleicht hätte das Momentum wieder von dem Team in Weiß auf das Team in Pink gewechselt, wenn Jule Brand das Tor nicht so knapp verpasst hätte (58.) oder wenn erst Sjoeke Nüsken und dann Lea Schüller den Ball aus nächster Nähe über die Linie gebracht hätten (62.). Was fehlte, waren nicht Ideen, aber die Ruhe. In zu vielen Situationen agierten die Deutschen zu hektisch und ineffizient. Und nach einer stärkeren Drangphase übernahmen die USA wieder die Kontrolle.

Das vierte Tor hätte in der 84. Minute beinahe Trinity Rodman erzielt, Berger parierte sehenswert. Wenige Minuten kam es dann trotzdem, nach einem Zuspiel von – natürlich – Mallory Swanson abgesendet von der eben eingewechselten Lynn Williams. Das Videomaterial vom 6:5 der Australierinnen gegen Sambia sollten sich die Deutschen in den nächsten Tagen also vielleicht zur Sicherheit anschauen.

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