Kim Kardashian sagt aus im Prozess wegen Raubüberfall im Hotel | ABC-Z

„Hi! Ich bin Kim Kardashian“: Mit diesen Worten hat die Milliardärin aus Los Angeles am Dienstag ihre Zeugenaussage begonnen. Das historische Gebäude des Justizpalastes auf der Pariser Binneninsel Île de la Cité hat schon manch denkwürdigen Prozess erlebt, von dem der Königin Marie Antoinette bis zu dem der Terroranschläge vom 13. November 2015. Aber selten versammelten sich so viele Schaulustige, um einen Blick auf eine Zeugin zu ergattern.
Der amerikanische Instagram-Star mit 357 Millionen Followern schritt ganz in Schwarz gekleidet, die Haare elegant nach oben gesteckt, die Treppenstufen hinauf. Nur einmal drehte sie sich kurz um und blickte durch eine dunkle Sonnenbrille in Richtung der Kameraleute, die wie auf Kommando „Kim“ riefen. Kardashians Mutter Kris Jenner begleitete sie. Die französischen Medien sprechen von einem „Strafprozess mit Glamour“. Und mit Drama.
Kardashian berichtete mit bebender Stimme im Zeugenstand, wie sehr sie der Raubüberfall in der Nacht zum 3. Oktober 2016 in Paris verändert habe. Sie brauche fortan „vier bis neun Leibwächter zu Hause“, um sich sicher zu fühlen. Aber sie gestand im Laufe der Befragung auch ein, dass ihre Social-Media-Auftritte die Gangster erst auf ihre Spur gebracht hatten. In Episode 2 der 13. Staffel von „Keeping up with the Kardashians” sagte sie nach Worten des Richters, dass sie unter Beobachtung der Täter stand und diese ihr Kommen und Gehen dank ihrer Posts verfolgten. Kardashian räumte ein, dass sie in einem „Snap“ gesagt hatte, alle seien ausgegangen und sie sei allein in Paris. „Sie haben diese Gelegenheit beim Schopf ergriffen“, sagte sie.
„Wir dachten, wir wären sicher genug“
Warum aber war kein Bodyguard bei ihr, als sie am 2. Oktober in ihre Hotelsuite nach Veranstaltungen der Fashion Week zurückkehrte? Damals habe sie es nicht für notwendig gehalten, er sei nur dabei gewesen, wenn sie sich draußen aufhielt. „Damals war das so. Wir dachten, wir wären sicher genug. Aber diese Erfahrung hat alles für uns verändert“.
Sie sei sich sicher gewesen, dass sie den Raubüberfall nicht überleben werde. Eindringlich schilderte sie, wie verletzlich sie sich fühlte. Sie sei nur mit einem seidenen Bademantel bekleidet eingeschlafen, als mehrere Männer in Polizeiuniformen in ihr Zimmer stürmten. Die Männer hätten sie aus dem Bett gezogen und gepackt. „Da habe ich die Waffe deutlich gesehen“, sagte sie. „Ich war überzeugt, dass sie mich erschießen würden.“
Sie habe sich hysterisch gefühlt, und das glaubt man der Vierundvierzigjährigen sofort. „Ich habe Babys“, habe sie gefleht. Ihr Bademantel sei heruntergefallen und sie habe befürchtet, vergewaltigt zu werden. Die Täter hätten sie auf das Bett geworfen, gefesselt und ihr ein Klebeband über den Mund geklebt. Sie habe an ihre Schwester gedacht, die bald zurückkommen musste, und die sie tot auf ihrem Bett entdecken würde. Einer der Räuber habe sie „auf Englisch mit Akzent“ angebrüllt: „Ring! Ring!“ Dann fand er den Schmuck neben dem Bett und begann, mit seinem Komplizen zu streiten.
„Ich habe Paris immer geliebt“
Die Fragen des Richters zum Aussehen der Täter kann Kardashian nicht beantworten: „Ich dachte zu sehr an meine Familie, es war dunkel, ich weiß es nicht“. Ob die Täter Gewalt angewendet hätten? „Nein, ich bin nicht geschlagen worden.“ Sie hätten sie auf den Boden geworfen und ins Badezimmer gezogen. Sie sei überrascht gewesen, dass die Täter schon so alt waren, dass habe sie in der Tatnacht nicht so wahrgenommen. Sie sei gleich am nächsten Morgen nach Los Angeles zurückgeflogen.
„Ich habe Paris immer geliebt“, sagte sie. „Ich liebte es, nachts auf der Straße spazieren zu gehen, wenn ich aufwachte, mitten in der Nacht spazieren zu gehen. Ich habe mich in dieser Stadt immer sicher gefühlt. Ich habe Schaufensterbummel gemacht, wir haben heiße Schokolade getrunken … Und dann, als ich zur Fashion Week kam, hat sich alles verändert.“
„Ich fühle mit Ihnen“
Kardashian war in der Nacht zum 3. Oktober 2016 in einem Luxusquartier im 8. Pariser Arrondissement überfallen worden. Die Täter erbeuteten Schmuck im Wert von etwa neun Millionen Euro, darunter den Verlobungsring des Stars mit einem 18,88-karätigen Diamanten. Seit Ende April stehen wegen des Überfalls neun Männer und eine Frau in Paris vor Gericht. Die Angeklagten im Durchschnittsalter von 60 Jahren werden von der französischen Presse als „Opa-Gangster“ beschrieben. Zwei von ihnen sind geständig, einer hat zu dem Überfall sogar ein Buch veröffentlicht. Die übrigen leugnen eine Tatbeteiligung.
Als sei auch dieser Tag im Pariser Justizpalast irgendwie eine Folge Tele-Reality, kommt es dann noch zu einer Versöhnung zwischen Opfer und Täter. Aomar der Alte, einer der Haupttäter, hat Kardashian einen Brief geschrieben. Er kann ihn nicht selbst vorlesen, weil er Sprechstörungen hat und fast taub ist. Der Richter liest ihn vor. „Madame, nachdem ich Sie in einer französischen Fernsehsendung gesehen habe und mir bewusst geworden bin, welchen psychologischen Schaden ich Ihnen zugefügt habe, habe ich mich entschlossen, Ihnen zu schreiben“, heißt es in dem Brief. „Ich möchte (…) Ihnen sagen, wie sehr ich es bereue, wie bewegt und berührt ich war, als ich Sie weinen sah. Ich fühle mit Ihnen und kann Ihr Leid nachempfinden.“
Kardashian gelang es nicht, sofort zu antworten. Sie weinte und man reichte ihr ein Taschentuch, mit dem sie sich ihr perfekt geschminktes Gesicht abtupfte. „In den Vereinigten Staaten arbeite ich im Justizwesen, ich möchte Anwältin werden“, sagte sie. „Ich möchte, dass Menschen rehabilitiert werden, und ich habe immer an zweite Chancen geglaubt“, so Kardashian. Sie wisse den Brief zu schätzen: „Ich vergebe Ihnen!“