Deutschlandtrend: Habeck stürzt ab – Mehrheit der Deutschen für vorgezogene Neuwahlen | ABC-Z
Der grüne Wirtschaftsminister und Spitzenkandidat für die Bundestagswahl verliert dramatisch in der Wählergunst. Auch das Vertrauen in die Ampel fällt rasant. Sogar die Anhänger von SPD und Grünen wenden sich inzwischen ab. Die Union muss sich trotz steigender Zustimmung ebenfalls Sorgen machen.
Angesichts der anhaltenden Querelen in der Ampel-Koalition spricht sich inzwischen eine Mehrheit der Deutschen für vorgezogene Neuwahlen aus. Nur 41 Prozent sind noch der Meinung, dass die Ampel noch bis zum regulären Wahltermin im September 2025 weiterregieren sollte, 54 Prozent sind für Neuwahlen zu einem früheren Zeitpunkt. Das ist das Ergebnis des Deutschlandtrends für Ende Oktober, den Infratest Dimap im Auftrag von ARD-„Tagesthemen“ und WELT erhoben hat.
Die Kritik an der Arbeit der Ampel ist riesig: Inzwischen sind 85 Prozent unzufrieden mit der Regierungsarbeit, noch einmal sechs Prozentpunkte mehr als vor drei Wochen. Vor allem die Zahl derjenigen, die sich „gar nicht zufrieden“ zeigen, ist gestiegen – und zwar um acht Punkte auf nunmehr 44 Prozent. Gravierender noch: Auch die Anhänger von SPD und Grünen, bei denen bislang noch eine knappe Mehrheit zufrieden mit der Ampel-Performance waren, wenden sich nun ab.
Den Umfragedaten zufolge ist die Zufriedenheit auch der Ampel-Anhänger innerhalb kürzester Zeit regelrecht erodiert. Im Vergleich zum Deutschlandtrend vom 10. Oktober sind die Zufriedenheitswerte bei den SPD-Anhängern von 44 auf 34 und bei den Grünen-Anhängern sogar von 51 auf 30 Prozent eingebrochen. Der Unmut entlädt sich besonders an Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Seine Beliebtheitswerte sackten um acht Punkte auf 20 Prozent ab.
Beliebtester Politiker ist nach wie vor Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit 55 Prozent Zustimmung. Auf dem zweiten Platz folgt inzwischen CDU-Parteichef Friedrich Merz, der sich um drei Punkte auf 30 Prozent verbesserte. Danach rangiert BSW-Chefin Sahra Wagenknecht mit 24 Prozent. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erreichte ebenso wie Finanzminister Christian Lindner (FDP) und die AfD-Vorsitzende Alice Weidel 19 Prozent Zustimmung.
Auch in der Sonntagsfrage konnte die Union zulegen. Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre, kämen CDU/CSU auf 34 Prozent. Das sind drei Punkte mehr als noch vor drei Wochen – der höchste Wert seit Februar 2021. Die AfD wäre mit unverändert 17 Prozent zweitstärkste Kraft, dicht gefolgt von der SPD mit weiterhin 16 Prozent. Die Grünen kämen auf elf Prozent (minus zwei), das BSW auf sechs Prozent (minus zwei). Die FDP wäre mit aktuell vier Prozent (plus eins) nicht mehr im nächsten Bundestag vertreten.
Die guten Werte für die Union übersetzen sich allerdings nicht in eine entsprechende Zuversicht, dass eine von Merz geführte mögliche Bundesregierung eine bessere Politik machen würde als derzeit die Ampel: Nur 23 Prozent sind der Meinung, eine CDU/CSU-geführte Bundesregierung würde „die anstehenden Aufgaben und Probleme in Deutschland besser lösen als die jetzige Bundesregierung“. 53 Prozent glauben, eine neue Regierung würde die Probleme „ähnlich gut/schlecht“ lösen wie die bisherige, 16 Prozent rechnen sogar mit einer Verschlechterung.
Was die Deutschen beunruhigt
Beunruhigt sind die Deutschen vor allem über die schlechte Wirtschaftslage. Knapp drei Viertel (73 Prozent) machen sich „sehr große/große“ Sorgen „um den Wirtschaftsstandort Deutschland“. 44 Prozent treibt die Befürchtung um, „dass Sie Ihren Lebensstandard künftig nicht mehr halten können“. Und knapp jeder fünfte wahlberechtigte Erwerbstätige ist in „sehr großer/großer“ Sorge um seinen Arbeitsplatz. Entsprechend kritisch fällt die Bewertung der Wirtschaftspolitik sowie der Haushalts- und Finanzpolitik der Bundesregierung aus. Jeweils 83 Prozent sind damit „weniger/gar nicht zufrieden“, auch einer Mehrheit der Ampel-Anhänger geht es so.
In der Wirtschaftspolitik entlädt sich der Unmut der Wähler in erster Linie an den Grünen. Auf die Frage „Welche der drei Regierungsparteien enttäuscht Sie in der Wirtschaftspolitik am meisten?“ nennen 50 Prozent die Grünen, 24 Prozent die FDP und 19 Prozent die SPD. In der Haushalts- und Finanzpolitik haben FDP und Grüne nahezu gleichermaßen den Schwarzen Peter: 38 Prozent der Befragten sind am meisten enttäuscht von der FDP, 36 Prozent von den Grünen und 17 Prozent von der SPD.
Vor allem an der Schuldenbremse scheiden sich die Geister. 48 Prozent wollen sie beibehalten, 45 Prozent sprechen sich für eine Lockerung aus. Dieser Wert hat sich seit August 2024 um vier Punkte erhöht. 67 Prozent der Befragten sind für eine „Gewährung von staatlichen Hilfen für die Unternehmen, die in Deutschland investieren“, 54 Prozent für eine „allgemeine Senkung von Steuern für die Unternehmen“.
Einen Blick warfen die Meinungsforscher auch auf die Wahlen in den USA. Hier ist die Meinung der Deutschen eindeutig: Im Vergleich zu Anfang Oktober musste die Demokratin Kamala Harris zwar vier Prozentpunkte abgeben. Aber eine klare Mehrheit von 74 Prozent gab an, dass Harris sie „eher überzeuge“ als der Republikaner Donald Trump, der auf elf Prozent kommt (plus drei). Nur die AfD-Anhänger sprechen sich mit einer relativen Mehrheit von 41 Prozent für Trump aus.
82 Prozent der Deutschen glauben, dass eine US-Präsidentin Harris „besser wäre für das Verhältnis zwischen USA und Deutschland“, gut Dreiviertel der Wähler glauben das auch für den „globalen Kampf gegen den Klimawandel“, „die Sicherheit in Europa“ und „die deutsche Wirtschaft“. Große Sorge herrscht bezüglich der Einhaltung der demokratischen Spielregeln nach der US-Präsidentenwahl. Von Harris erwarten zwar 74 Prozent, dass sie eine mögliche Niederlage „anerkennen“ würde. Auf die Frage, ob Trump „einen möglichen Sieg von Kamala Harris anerkennen wird“, antworten hingegen nur 13 Prozent mit Ja. Zumindest in Deutschland hat Trump also ein massives Glaubwürdigkeitsproblem.
Für den Deutschlandtrend wurden vom 28. bis 30. Oktober 2024 insgesamt 1333 Wahlberechtigte in Deutschland in 795 Telefoninterviews und 538 Online-Interviews befragt. Die Fehlertoleranz liegt zwischen zwei und drei Prozentpunkten.
Politikredakteurin Sabine Menkens ist bei WELT zuständig für die Themen Familien-, Gesellschafts- und Bildungspolitik.