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Deutschlands Männer mit Problemen in dieser Saison | ABC-Z

Knapp 730 Straßenkilometer liegen zwischen Hochfilzen in den Tiroler und Le Grand Bornand in den französischen Alpen. Pausen eingeplant, lässt sich diese Strecke mit dem Auto in gut neun Stunden zurücklegen. Das bietet viel Zeit zum Nachdenken. Über das zurückliegende Weltcup-Wochenende. Darüber, warum es am Schießstand für die Biathleten des Deutschen Ski-Verbandes (DSV) derzeit nicht so läuft, wie sie es sich wünschen.

Lediglich zwei Top-Ten-Platzierungen in Sprint und Verfolgung erreichte Philipp Nawrath als einer von sechs gestarteten Deutschen – das genügt den eigenen Ansprüchen nicht. Nachdem die Frauen am Sonntag über ihren Staffelsieg gejubelt hatten, folgte mit dem fünften Platz der Männerstaffel – mit insgesamt 13 Schießfehlern – der Tiefpunkt der Wettkämpfe in Österreich.

„Mechanisch haben sie das nicht verlernt“

„Das fuchst mich extrem“, sagte DSV-Sportdirektor Felix Bitterling über die vielen Fehler, „weil ich weiß, die Jungs können clean schießen und sie können schnell schießen.“ Das hätten sie im Training eins um andere Mal bewiesen. Dass es lediglich Nawrath und Justus Strelow, bester Schütze der Vorsaison, in den Rennen einigermaßen gut umsetzten, sei „eine Geschichte im Kopf“, weil die Gedanken ratterten, wenn der Druck steige.

Bitterling ist sicher: „Mechanisch haben sie das nicht verlernt.“ Darüber zu sprechen, was den Athleten aus der Gedankenspirale heraushelfen könnte, sei ein Lösungsansatz. Ob die gemeinsame Autofahrt nach Frankreich erste Ideen gebracht hat, könnte sich an diesem Donnerstag im Sprintrennen von Le Grand Bornand zeigen (14.20 Uhr in der ARD und bei Eurosport). Dort hofft Bitterling auf ein Schlüsselerlebnis, denn es sei „eine Frage der Zeit ist, bis der Knopf aufgeht“.

Es war aber nicht nur der Part am Schießstand, der den deutschen Biathleten in Hochfilzen, wie schon eine Woche zuvor in Finnland, zu schaffen machte. Auch auf der Langlaufstrecke taten sie sich schwer. „Es fehlt leider momentan die Spritzigkeit“, sagte Philipp Nawrath, der im Sprint zwar fehlerfrei schoss, aber als Achter trotzdem langsamer war als die jungen Norweger Martin Uldal und Vebjörn Sörum, die jeweils zwei Scheiben verfehlten.

„Wir haben sehr stark in die Vorbereitung investiert, intensive und lange Programme gemacht“, berichtete Nawrath, „das kann noch ein bisschen in den Beinen hängen.“ Er hofft nun, dass die fehlende Frische über die Renn-Kilometer und Ruhetage zwischen den Jahren zurückkehrt. Dann bleiben noch gut sechs Wochen bis zur WM in der Schweiz.

Die Norweger sind derzeit weit entfernt

Das noch in der Vorsaison ausgerufene Ziel der Deutschen, erster Verfolger der Norweger zu werden, erscheint in diesen Tagen so weit weg wie lange nicht. Es sind die Franzosen, die den Skandinaviern derzeit die Spitzenposition streitig machen.

Schon zu Saisonbeginn in Kontiolahti und nun auch in Hochfilzen brachte Schlussläufer Emilien Jacquelin sein französisches Quartett als Erster ins Ziel. Man gratuliere der Konkurrenz im Ziel fair, wenn sie besser sei, sagte Felix Bitterling. Aber: „Ich habe das Gefühl, dass wir es ihnen mit dieser Fehleranzahl schenken“ – so ähnlich klangen die Analysen bereits am Ende der vergangenen Saison.

Innovativ am Schießstand: der Norweger Martin Uldal
Innovativ am Schießstand: der Norweger Martin UldalAFP

Dass die Musik bei den Siegerehrungen derzeit nicht für die DSV-Sportler spielt, liegt auch daran, dass zu wenige junge Athleten nach oben drängen. Während das Kontingent an frischen Kräften bei den Frauen schier unerschöpflich erscheint, gibt es bei den Männern wenig Veränderung im Weltcup-Team. Lediglich der 25-jährige Simon Kaiser kam in Hochfilzen zu einem ordentlichen Debüt.

Generationsloch bei den Männern

Als „fettes Generationsloch“ bezeichnet Bitterling die fehlenden Nachrücker aus dem zweitklassigen IBU-Cup. Erst darunter, bei den Junioren, seien wieder vielversprechende Talente in Sicht. Warum das so ist? Darüber herrscht beim DSV Ratlosigkeit – was vor allem mit Blick auf die Olympischen Spiele, die bereits in gut einem Jahr in Norditalien anstehen, beunruhigt. Der Sportdirektor hat bereits die Zeit danach im Blick: „Wir müssen die jüngeren Athleten schnellstmöglich in den nächsthöheren Wettkampf bringen, damit wir nach 2026 zwei, drei in Weltcup-Form haben.“

Auch in diesem Bereich sind die Norweger die Benchmark. Ihr Bester, der fünfmalige Olympiasieger Johannes Thingnes Bö, hat sein Karriereende für 2026 nach den Winterspielen angekündigt. Die Nachfolger stehen längst bereit, reihenweise. Martin Uldal etwa, 23 Jahre alt, dominierte die ersten Rennen im IBU-Cup, erhielt in Hochfilzen seine Chance im Weltcup und nutzte sie.

Nicht nur seine Ergebnisse, Platz fünf und sieben, beeindrucken, sondern auch die innovative Art und Weise, wie er am Schießstand Zeit gut macht: Er zieht das Gewehr mit dem linken Arm vom Rücken direkt in den Anschlag, und nicht, wie die allermeisten anderen, mit dem rechten Arm über den Kopf nach vorn.

Mit dieser Methode gelang ihm in weniger als 13 Sekunden das wohl bisher schnellste Stehendschießen der Biathlongeschichte. Auch das zeigt: Die norwegischen und französischen Biathleten übertrumpfen die deutschen derzeit in allen Belangen.

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