Deutschland zahlte pro Asylbewerber weniger als andere EU-Länder | ABC-Z
Das Teilen von Screenshots ohne genauen Kontext führt oft zu Fehlinterpretationen. Das zeigt auch dieses Beispiel auf Facebook: Auf dem Bild sollen angeblich die monatlichen Leistungen für Asylbewerber in zehn europäischen Ländern aufgelistet sein, in den meisten demnach weit weniger als 100 Euro. In Deutschland erhält man der Liste zufolge deutlich mehr Sozialleistungen als in den anderen neun Staaten. Stimmt das so?
Bewertung
Nein. Die Wissenschaftlichen Dienste (WD) des Bundestags haben sich 2023 ausführlich mit dieser Frage beschäftigt. Demnach ragt Deutschland bei Ausgaben für Asylbewerberinnen und -bewerbern pro Kopf und Monat in Europa nicht heraus. Einige Nachbarländer zahlen sogar mehr.
Fakten
Sozialleistungen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber unterscheiden sich nach einer Untersuchung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags in Europa erheblich.
Der WD des Bundestags recherchiert und analysiert im Auftrag einzelner Abgeordneter und Gremien des Parlaments zu bestimmten Themen und erstellt dazu Dokumentationen, Ausarbeitungen oder auch Gutachten. In diesem Fall wurde es im Auftrag von CSU-Abgeordneten des Parlaments erarbeitet.
So erhielten Menschen aus sogenannten Drittstaaten im Jahr 2023 in laufenden Asylverfahren in Frankreich umgerechnet rund 426 Euro pro Monat, in Österreich 425 Euro und in Deutschland 410 Euro. In Großbritannien, Schweden und Griechenland gab es im Durchschnitt etwa 160 Euro. Nur in Ungarn waren es lediglich 60 Euro.
Dabei ist zu beachten, dass sich diese Angaben je nach Sozialsystem des jeweiligen Landes aus unterschiedlichen Leistungen zusammensetzen können. Dazu gehören beispielsweise Ausgaben für Unterbringung und Verpflegung, medizinische Versorgung, Kleidung, Fahrkarten sowie ein Taschengeld. Mitunter werden diese Leistungen jedoch isoliert betrachtet.
Unterschied zwischen Taschengeld und Gesamtleistung
Es wird behauptet, Österreich zahle nur 40 Euro im Monat an Asylbewerber. Diese Summe umfasst aber lediglich das Taschengeld. Darüber hinaus übernimmt der Staat zum Beispiel die Kosten für Wohnraum, oft in Gemeinschaftsunterkünften samt Verpflegung. Rechnet man diese Leistungen hinzu, lag Österreich im Jahr 2023 mit 425 Euro Gesamtleistung pro Person sogar mit auf den europäischen Spitzenplätzen.
In Italien konnten die Ausgaben für das Jahr 2023 nicht pro Kopf beziffert werden. Aufnahmezentren waren grundsätzlich dafür zuständig, Geflüchtete unentgeltlich mit Verpflegung und Unterkunft zu versorgen.
Auch in Spanien gab es keine festen Beträge, da Sozialleistungen nicht in die Zuständigkeit der Zentralregierung fallen. In einigen spanischen Regionen wurden pro Person jedoch bis zu 350 Euro monatlich plus Wohngeld gezahlt.
Polen gewährte Geflüchteten bis zum Abschluss ihres Verfahrens außerhalb der Aufnahmezentren ein Taschengeld von umgerechnet etwa 174 Euro. Für Tschechien lagen keine Angaben vor.
Leistungen in Deutschland
Die Leistungen für Asylbewerber in Deutschland sind im Jahr 2024 gestiegen, da sie gesetzlich an die Entwicklung der Preise und Nettolöhne gekoppelt sind. Nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erhalten alleinstehende Asylbewerber nun 460 Euro im Monat. Ein aktueller Vergleich mit anderen EU-Ländern für dieses Jahr liegt noch nicht vor. Zur Diskussion steht zudem die Einführung von Bezahlkarten anstelle von Bargeld für Sozialleistungen.
In Deutschland erhalten alleinstehende Asylbewerber nach Angaben des Mediendienstes Integration derzeit rund 18 Prozent weniger Sozialhilfe als deutsche Staatsbürger, anerkannte Geflüchtete und Flüchtlinge aus der Ukraine. Erst nach ihrer Anerkennung als Geflüchtete erhalten sie das volle Bürgergeld, das momentan bei 563 Euro pro Monat liegt.