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Deutsches Radsport-Team: Alles für Einen – Red Bull setzt auf Evenepoel | ABC-Z

Stand: 05.08.2025 22:06 Uhr

Das deutsche Radsport-Team verpflichtet Belgiens Radsport-Star Remco Evenepoel. Der Olympiasieger ist damit künftig Kollege von Tour-Sensation Florian Lipowitz. Das Team hat sich damit auch eine Kapitäns-Debatte eingekauft.

Am 5. Juli, dem Starttag der Tour de France in Lille, wurde Ralph Denk mit der Nachricht konfrontiert, Belgiens Radsportstar Remco Evenepoel werde sehr bald bei seinem Team einen Vertrag unterschreiben. Denk, Geschäftsführer der deutschen Mannschaft Red Bull-Bora-hansgrohe, stellte in diesem Moment schauspielerisch durchaus wertvoll den Begriff “Ahnungslosigkeit” dar, gemischt mit einer Prise “Überraschung”. Das Theater gipfelte in einem gespielten Lachanfall von Denk, der später, als er sich etwas beruhigt hatte, sagte: “Remco hat Vertrag. Wir sprechen nicht mit Fahrern, die gebunden sind.”

Drei Wochen später, nach der finalen Etappe der 112. Frankreich-Rundfahrt, sagte Denk in der Dämmerung auf der Avenue de Friedland, die auf den Triumphbogen zuläuft, vor dem Bus seines Teams dasselbe: “Remco hat noch Vertrag. Solche Fahrer sind nicht interessant für uns. Wenn sein Vertrag ausläuft, werden 18 Teams Schlange bei ihm stehen. Wir auch.”

Für Red Bull „mehr als nur ein Meilenstein“

Am Dienstagnachmittag nun, noch einmal neun Tage später, durfte Denk endlich den Schleier dessen lüften, was schon kein Geheimnis mehr war, trotz seiner Dementis und Schauspiel-Einlagen: Remco Evenepoel, 25 Jahre alt, Doppelolympiasieger, Weltmeister, Zeitfahr-Weltmeister, Gewinner der Spanien-Rundfahrt 2022, 64 Karrieresiege bisher, wechselt nun doch ab 2026 zu Red Bull. Über die Vertragslaufzeit erteilt diese Mannschaft konsequent keine Informationen.

Denk konnte seine Euphorie in der internen Pressemitteilung kaum bremsen: “Remco bringt nicht nur außergewöhnliche sportliche Fähigkeiten mit, sondern auch eine bemerkenswerte Mentalität. Seine Zielstrebigkeit, seine Professionalität und sein unbedingter Wille zum Erfolg begeistern mich.” Außerdem stehe Evenepoel “für einen Anspruch. Er will nicht mitfahren – er will prägen”. Die Mitteilung endete mit den Worten: “Die Ankunft von Remco Evenepoel markiert für Red Bull-Bora-hansgrohe mehr als nur einen Meilenstein.” Mit einem “neuen Selbstverständnis” und “klarer Ambition” wolle sich Denks Auswahl “als attraktivste Adresse auf der internationalen Radsportbühne etablieren”.

Evenepoel bringt ein Paket an Vertrauten mit

Prägen wird Evenepoel sein neues Team bereits jetzt, ohne dass er einen Meter für Red Bull gefahren ist. Denn mit ihm wird sich das komplette Team deutlich verändern. Innerhalb der Formation wird es eine Evenepoel-Blase geben, der zunächst einmal sein wichtigster Helfer Mattia Cattaneo angehören wird. Der Italiener wird genauso zu Red Bull wechseln wie der einstige belgische Nationalcoach Sven Vanthourenhout, ein enger Vertrauter Evenepoels, und Klaas Lodewijk, sein bisheriger sportlicher Leiter bei Soudal-Quick Step. Mit dabei im Paket Evenepoel sind auch dessen Masseur David Geeroms und sein Mechaniker und Cousin Dario Cloeck.

Das große Stühlerücken bei Red Bull setzte gleich nach der Tour ein, als zunächst die Trennung von Rolf Aldag bekanntgegeben wurde, dem Chef der sportlichen Leiter des Teams. Kurz darauf musste auch Aldags Kollege Enrico Gasparotto gehen, der in Auto 1 des Teams bei der Tour agierte. Und zwar äußerst fragwürdig. Die misslungenen taktischen Entscheidungen und wenig nachvollziehbaren Manöver der beiden und vor allem die bisweilen hanebüchenen Rechtfertigungen sind bereits jetzt legendär. Niemals bekam das Duo etwa den egoistischen Veteranen Primoz Roglic in den Griff, der bei der Tour eine Solonummer abzog und dabei seinen viel besseren Teamkollegen Florian Lipowitz ignorierte.

Was wird aus Florian Lipowitz?

Dass Lipowitz letztlich das Weiße Trikot des besten Jungprofis gewann und Rang drei in Paris belegte, hatte er sich bei seinem Tour-Debüt ganz allein erarbeitet. Die Zusammenstellung des Tour-Teams war misslungen, Lipowitz war im Hochgebirge schon nach ein paar Kilometern isoliert. Roglic hielt zwar hin und wieder mit, war der deutschen Tour-Entdeckung aber nie eine Hilfe.

Das Problem Roglic hat Lipowitz noch allein durch seine herausragenden Leistungen in den Griff bekommen. Wie aber wird das Zusammenspiel mit Evenepoel, Belgiens Sportstar Nummer eins sich entwickeln, der für sich den Anspruch hat, alle drei Grand Tours zu gewinnen, vor allem in absehbarer Zeit die Tour de France? Aus dem Umfeld von Red Bull ist zu hören, dass es für beide Fahrer genug Einsatzmöglichkeiten und Chancen geben werde. Und dennoch: Mit Evenepoel hat man sich auch eine Kapitänsdebatte eingekauft.

Verstärkung für die Monumente

Evenepoel ist auch stark im Frühjahr, Monumente wie Mailand-Sanremo oder Lüttich-Bastogne-Lüttich kann er auf Sieg fahren, ein Element, das nach dem Abgang von Peter Sagan im Portfolio von Denks Team völlig fehlte. In Lüttich etwa gewann Evenepoel bereits zweimal.

Dennoch wird sich Evenepoel, den Denk im Gespräch einmal “als einen der ikonischen Fahrer der Gegenwart” geadelt hatte, neben einer üppigen Gehaltserhöhung vor allem auch einen Start bei der Tour 2026 zugesichert haben lassen. Lipowitz, das war ebenfalls aus dem inneren Zirkel der Teamleitung zu erfahren, soll dort 2026 ebenfalls fest eingeplant und gesetzt sein. Im besten Fall als Teil einer Doppelspitze. Im schlechtesten als Evenepoel-Helfer.

Hohe Ablösesumme wird fällig

Evenepoels Vertrag bei dem belgischen Team Soudal-Quick Step, für das er seit seinem Einstieg in die Word Tour 2019 fuhr, lief noch bis Ende 2026. Die belgische Zeitung “Het Laatste Nieuws” vermeldet, dass die fällige Ablösesumme, im Radsport eigentlich ein unübliches Mittel, deutlich über den weithin kolportierten zwei bis drei Millionen Euro liegen dürfe. An dem nötigen Kleingeld jedenfalls fehlt es dem Brausekonzern nicht.

Und so präsentierte Red Bull seinen neuen Star Evenepoel bereits am Dienstagnachmittag groß und stolz in den sozialen Medien. Vor dem ikonischen Jubelbild des Belgiers nach seinem Sieg im olympischen Straßenrennen von Paris 2024 – der Kopf liegt im Nacken, ausgebreitete Arme und im Hintergrund erhebt sich mächtig der Eiffelturm – platzierte der Brausekonzern sein Zeitschriftenlogo mit Namen: “The Red Bulletin” und dichtete dazu: “Willkommen Remco. Die Gespräche sind vorüber. Eine neue Ära beginnt.“”

Think big, drunter macht es Red Bull nicht. Das wird nun auch im Radsport zunehmend deutlich.

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