Deutscher Sportpresseball feiert die „notte olimpica“ und träumt von Olympia in Deutschland | ABC-Z

Zumindest für deutsche Ohren klingt Italienisch immer ein wenig mehr nach Zauber, als wenn der gleiche Sachverhalt auf Deutsch oder in anderen Sprachen ausgedrückt wird. „Vino“ schmeckt besser als Wein, das „dolce vita“ ist schöner als das gute oder süße Leben. Und so steht selbst der Begriff „Sommermärchen“, der vermutlich zu den bewegendsten Begriffen deutscher Sprache nicht nur in der nationalen Sportgeschichte zählt, irgendwie im Schatten von „un’estate italiana“, jenem Titel des legendären Songs von Gianna Nannini, der als offizieller Song der Fußball-Weltmeisterschaft 1990 zur Begleitmusik des Titelgewinns der deutschen Nationalmannschaft wurde.
Der Deutsche Sportpresseball am Samstagabend in der Alten Oper in Frankfurt, sozusagen der „Vecchia Opera“, begann mit eben jenem Song, live vorgetragen von Gianna Nannini, die auch im Alter von 71 Jahren noch ihre gewohnte Energie auf der Bühne versprüht und unweigerlich mit ihrer Rockröhrenstimme in jenes Jahr 1990 zurückführt.
Wenn ein Abend so bemerkenswert beginnt, dann kann ein Ball schon kaum noch misslingen. Und tatsächlich war die Choreografie so gelungen wie nur selten: Der Bogen wurde über den Hauptpreisträger Rudi Völler, der 1990 in eben jenem „estate italiana“ Weltmeister und nun zur Legende des Sports gekürt wurde, gespannt in Richtung der Olympischen Winterspiele in Cortina d’Ampezzo und Mailand. Wegen dieses Wintersport-Höhepunkts in Italien war nicht nur die musikalische wie auch die kulinarische Seite des Abends geprägt von Pasta, Vino und eben Gianna Nannini. Auch das Motto des Balls lautete auf Italienisch „una notte olimpica“.
Das klingt nun nicht nur schöner als auf Deutsch. Es ist eben auch realitätsnäher, selbst wenn der Samstagabend voll war von Bekenntnissen zum Traum Olympischer Spiele in Deutschland. Kürzlich bekam dieser ein bisschen Nahrung, nachdem eine Mehrheit der stimmberechtigten Münchner für eine Bewerbung der Stadt um die Ausrichtung der Sommerspiele 2036, 2040 oder 2044 votiert hatte. In Frankfurt wurde nun immer wieder auf diesen kleinen Teilerfolg auf dem langen Weg zu Spielen auf deutschem Boden hingewiesen. Aber der Weg ist noch sehr weit, ehe der Deutsche Sportpresseball dereinst einmal unter dem Ballmotto „Eine olympische Nacht“ auf ein olympisches Jahr mit Wettbewerben in Deutschland einstimmen könnte.
Daran ändern die Sonntagsreden, die dieses Mal am Samstagabend gehalten wurden, recht wenig. Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) betonte wie schon in den beiden vergangenen Jahren als Schirmherr des Balls mit starken Worten seine Zustimmung zu einer Bewerbung. Zu dieser muss und kann sein Bundesland fern der Alpen und der nötigen Sportstätteninfrastruktur für Sommerspiele freilich weder finanziell noch sachlich allzu viel beitragen. „Ja, Deutschland kann Olympia“ oder „Die Zeit ist reif für Olympische Spiele in Deutschland“ lässt sich da recht einfach behaupten.
Stiftung will mehr Sport in Schulen
Die Diskrepanz zwischen der laut verkündeten Olympia-Sehnsucht und der Wirklichkeit des deutschen Sports brachte derweil der Spendenempfänger des karitativen Teils des Abends, die Laureus Sport for Good Foundation, zum Ausdruck. Und das, ohne dass ihr Geschäftsführer Paul Schiff unhöflich darauf hinweisen musste. Es genügte ein kurzer Einspielfilm, der über die Sport for Good Session informierte, die Laureus mit großem finanziellen Einsatz, unter anderem finanziert aus dem Erlös der großen Tombola des Sportpresseballs, auf den Weg bringen will. Noch immer ist Bewegungsarmut gerade von Kindern aus prekären Verhältnissen, die ihren Alltag in Ganztagsschulen ohne garantierte tägliche Bewegungseinheit verbringen, ein Grund, weswegen vielen Kindern aus schwierigeren Verhältnissen Chancen verbaut werden.

Bei den olympischen Sonntagsreden schwingt die Hoffnung mit, dass Olympische Spiele wie von selbst auch diese Situation durch eine Art gesamtgesellschaftlichen Salto oder wenigstens Felgaufschwung verbessern. Nur Wenige äußern den Gedanken, dass vielleicht erst einmal das Land in Bewegung kommen muss, ehe eine wirkliche olympische Bewegung ans Ziel einer erfolgreichen Bewerbung führt.
Bewegung gab es immerhin zu später Stunde beim Ball: Nach vielen Stunden der Gala schwangen die 2500 Gäste des größten Balls dieser Art in Deutschland das Tanzbein, beim Mitternachtskonzert von Gianna Nannini oder in einer der Locations, in denen in der Alten Oper zu unterschiedlicher Musik zum Tanz animiert wurde.

Zuvor waren neben Legende Rudi Völler, der passenderweise seine in Hanau und Offenbach begonnene Karriere in Italien bei AS Rom sowie bei der dort ausgetragenen WM krönte, auch die Radsportolympiasiegerin Kristina Vogel, die seit einem Trainingsunfall auf den Rollstuhl angewiesen ist, zur Sportlerin mit Herz ernannt und der 87 Jahre Heusenstammer Hartmut Scherzer mit dem Sportmedienpreis ausgezeichnet worden. Scherzer, der in über sechs Jahrzehnten als Fußball-, Radsport- und Boxreporter auch zahllose Artikel für die F.A.Z. verfasst hat, ist bis heute tätig und fühlte sich nach eigenen Worten „sehr geehrt“. Der gebürtige Hanauer Völler wiederum, der von den Ballgästen mit dem Evergreen „Es gibt nur ein’ Rudi Völler“ gefeiert wurde, quittierte seine Ehrung auf seine typische bodenständige Art mit den Worten, dass der Begriff Legende einen daran erinnere, dass man älter werde.
Für die Preisträger stellen die Organisatoren, der Verein Frankfurter Sportpresse als Initiator des mittlerweile zum 42. mal ausgetragenen Balls, der Verband deutscher Sportjournalisten und die Veranstalteragentur Metropress jeweils eine wertvolle Porzellanskulptur aus Meissner-Porzellan bereit, die angelehnt an die Kupferfigur auf dem Giebel der Alten Oper Pegasos darstellt. Diese Mischung aus dem Körper eines Pferdes und den Flügeln eines Adlers vereint Vitalität und Kraft mit dem Streben nach Freiheit.

Heidi Beckenbauer nahm zudem posthum für ihren 2024 verstorbenen Ehemann Franz Beckenbauer einen Pegasos entgegen. Als Beckenbauer bereits 2010 zur Legende gekürt wurde, gab es die Porzellanskulptur noch nicht. Zu Lebzeiten fand Veranstalter Jörg Müller keine Gelegenheit, Beckenbauer den Pegasos zu übergeben. Nun war es ihm ein Anliegen, diese Ehrung auch nach dem Tod nachzuholen. Müller verband die Übergabe mit einer Rüge des deutschen Sportjournalimus für den aus seiner Sicht ungerechten Umgang mit Legenden wie Beckenbauer.
Der Weltmeister-Trainer von 1990 war in seinen letzten Lebensjahren mit Vorwürfen wegen Korruption im Zusammenhang mit der Vergabe der der von ihm als Chef des Organisationskomitees organisierten WM 2006 konfrontiert. Ob just der von der Organisation der Sportjournalisten initiierte Deutsche Sportpresseball für eine solche Äußerung zu Vorgängen, die auch viele Jahre lang von Ermittlungsbehörden und der Justiz beleuchtet wurden, der richtige Ort war, sei einmal dahin gestellt.
Eindrücke vom Ball vermittelt am Sonntagvormittag der Radiosender FFH von 9 bis 12 Uhr in seinem Programm. Die Ballorganisatoren selbst zeigen Höhepunkte vom späten Nachmittag an in einer eigens produzierten halbstündigen Sendung auf Youtube.





















