Deutsche Ukraine-Hilfen: „Sorge um Arbeitsplatz und unsichere Aussichten führen dazu, dass Solidarität zurückgeht“ | ABC-Z

Knapp die Hälfte der Bürger lehnt weitere Ukraine-Hilfen ab. Die SPD hat eine Erklärung für die abnehmende Solidarität. Sie und der mögliche Koalitionspartner Union halten aber an den Hilfen fest. Die Linke hingegen äußert Verständnis für die Ablehnung – die bei jungen Leuten besonders stark ausgeprägt ist.
Fast die Hälfte der Deutschen will ein Ende der Ukraine-Hilfen. Einer repräsentativen Befragung des Meinungsforschungsinstituts Insa zufolge plädieren 46 Prozent der Deutschen dafür, dass die kommende Bundesregierung die Ukraine weder mit Waffen noch mit Geld unterstützt.
28 Prozent wünschen sich hingegen, dass Deutschland der Ukraine sowohl Waffen als auch Geld zur Verfügung stellt. Sieben Prozent wollen laut der vom Nachrichtenportal „t-online“ in Auftrag gegebenen Umfrage derweil nur mit Geld, weitere acht Prozent nur mit Waffen helfen. Sechs Prozent sind unentschlossen, für drei Prozent der Befragten spielt das Thema keine Rolle.
Für die kommende Bundesregierung unter Führung des voraussichtlich nächsten Kanzlers und Ukraine-Unterstützers Friedrich Merz (CDU) sind die zunehmenden Zweifel in Teilen der Bevölkerung eine Herausforderung. Das gilt ebenfalls für den voraussichtlichen Koalitionspartner seiner Union, die SPD. Doch woran liegt es, dass die Solidarität mit dem überfallenen Land schwindet – und lässt sich der Trend noch umkehren?
„Wir müssen deutlich machen, dass es in der Ukraine auch um die Verteidigung Europas und seiner Werte geht“, sagt Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, WELT. Russland habe ohne jeden Grund ein demokratisches Land überfallen und überziehe es seitdem mit Bombenterror. Hunderttausende Menschen hätten ihr Leben verloren. So etwas dürfe niemals akzeptiert werden. „Ansonsten würde man Russland ermuntern, weitere Länder in seiner unmittelbaren Nachbarschaft anzugreifen – mit unabsehbaren Folgen für uns alle“, warnt Schmid.
Der Außenpolitiker sieht mehrere Ursachen für die zunehmende Skepsis in der Bevölkerung. Viele Menschen fühlten sich von den aktuellen Entwicklungen auf nationaler, aber auch auf internationaler Ebene überfordert. „Die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz und unsichere Zukunftsaussichten führen dazu, dass die Solidarität für die angegriffene Ukraine zurückgeht“, erklärt Schmid. Gleichzeitig gebe es aber immer noch eine Mehrheit für die Unterstützung des Landes.
„Die künftige Bundesregierung muss sicherstellen, dass die Ukraine-Hilfe nicht zulasten der notwendigen Zukunftsinvestitionen in Deutschland geht“, warnt Schmid. Wenn das gelinge, würden die Zustimmungsraten für die Unterstützung der Ukraine in der Bevölkerung auch unter den jungen Menschen wieder gesteigert werden können.
Tatsächlich gibt es bei der Frage der Unterstützung der Ukraine ein großes Altersgefälle: Bei Bundesbürgern zwischen 18 und 29 Jahren will eine Mehrheit von 57 Prozent, dass die Ukraine nicht weiter unterstützt wird. Bei Deutschen über 70 Jahre sind es hingegen nur 28 Prozent.
Jürgen Hardt (CDU), außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, erklärt, dass die Menschen in der Ukraine seit drei Jahren Krieg und Angriffe auf Wohnhäuser, Krankenhäuser und Schulen erlitten. „Erwartungsgemäß fragen sich nicht nur Ukrainer, sondern auch Deutsche, warum diese schreckliche Situation so lange anhält“, sagt Hardt. „Den Wunsch, das Töten und Zerstören so schnell wie möglich zu beenden, teilen wir alle.“
Gerade von deutscher und europäischer Seite habe es und gebe es bis heute unzählige Appelle an Russland, unverzüglich in Verhandlungen für einen Waffenstillstand einzutreten. „Da die Angriffe durch russische Truppen dennoch mit unverminderter Härte und Brutalität anhalten, ist eine weitere Unterstützung der Ukraine unverzichtbar“, mahnt Hardt.
Linke bezeichnet Skepsis junger Menschen als „verständlich“
Ähnliche Appelle wie aus der Union kommen von den Grünen. „Die Ukraine braucht weiterhin unsere volle Unterstützung – diplomatisch, humanitär und militärisch“, sagt die außenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Deborah Düring. Denn es gehe dabei nicht nur um die Unabhängigkeit der Ukraine, sondern auch um die eigene Sicherheit.
„Ein Kanzler, der bei der Unterstützung der Ukraine zögert und zaudert, handelt fahrlässig“, kritisiert Düring. „Für einen nachhaltigen gesellschaftlichen Rückhalt ist es dabei entscheidend, Sicherheit nicht gegen sozialen Zusammenhalt und Bildung auszuspielen.“ Sicherheit für alle werde es nur geben, wenn sowohl die Ukraine unterstützt, als auch in Infrastruktur und Klimaschutz investiert werde.
Verständnis für die Kritiker der Hilfen für das angegriffene Land zeigt indes die Linke. „Die Skepsis gerade bei der Jugend über die Ukraine-Hilfe ist verständlich“, sagt Sören Pellmann, Gruppenvorsitzender der Linken im Bundestag. „Aufrüstung und Waffenlieferungen gehen zulasten der sozialen Belange in der Gesellschaft und sollen laut Merz und Klingbeil noch weiter ausgeweitet werden.“ Lars Klingbeil ist Co-Parteivorsitzender der SPD und soll Fraktionsvorsitzender werden.
„Gerade die Jugend, die sich berechtigt um den Frieden und ihre wirtschaftliche Zukunft Sorgen macht, trifft diese Entscheidung hart“, fährt Pellmann fort. Die Linke setzte sich daher für eine diplomatische Lösung des Ukrainekrieges und ein Ende der Waffenlieferungen ein.
Die AfD-Fraktion antwortete auf eine WELT-Anfrage nicht.
Kaja Klapsa berichtet für WELT über deutsche Außenpolitik.