Sport

Deutsche Tennisfrauen steigen aus der Weltgruppe im Billie Jean King Cup ab. – Sport | ABC-Z

Der letzte Gang fiel ihr schwer, das war ihr anzusehen und allzu verständlich. Der Reihe nach klatschte Ella Seidel ihre Teammitglieder ab, die hinter ihr gesessen waren, sie angefeuert und mitgelitten hatten. Keine fünf Minuten später waren alle verschwunden, es galt, erst mal gemeinsam diese Enttäuschung zu verdauen. Nach zwölf Jahren in der Weltgruppe des Billie Jean King Cups steigen die deutschen Tennisfrauen ab. Nachdem die Auswahl von Teamchef Rainer Schüttler am Freitag in der Dreiergruppe, die beim TC Ismaning in der Nähe von München die sogenannten Playoffs bestritt, mit 1:2 gegen die Türkei verloren hatte, unterlag sie am Sonntagabend Belgien ebenfalls. Nach den Einzelniederlagen von Anna-Lena-Friedsam gegen Jestine Vandromme und Ella Seidel gegen Hanne Vandewinkel wurde das Doppel nicht mehr gespielt.

„Es ist schon sehr schade, dass wir abgestiegen sind“, sagte Dietloff von Arnim, Präsident des Deutschen Tennis Bundes (DTB), „für unsere Spielerinnen tut es mir leid. Aber auch für die Zuschauer und die vielen Kräfte hier, die mit Herzblut die Veranstaltung möglich gemacht haben. Wir wussten immer, dass es schwer wird, zu den besten Teams der Weltgruppe zu gehören.“ Der sichtlich niedergeschlagene Schüttler gab zu: „Das ist natürlich sehr enttäuschend. Wir sind alle am Boden zerstört. Wir haben uns das anders vorgestellt.“ Das DTB-Team muss sich damit 2026 in der Europa/Afrika-Gruppe erst mal wieder hocharbeiten, im Idealfall in zwei Qualifikationsrunden im Frühjahr und Herbst.

Eine gewisse Dramatik war bereits am Samstag geboten. Denn beinahe wäre das deutsche Team da schon abgestiegen. Und das ohne deutsche Beteiligung. Die Türkei musste, nach dem Erfolg am Freitag gegen die DTB-Frauen, nur ihre zweite Partie gewinnen, und der Abstieg der Deutschen wäre perfekt gewesen. Die Türkinnen gingen auch Führung, Belgien glich aus, dann kann das Doppel, mit dem für die Türkinnen so bitteren Ausgang. Mehrmals schienen sie die Partie für sich entscheiden zu können, doch immer, wenn das Pendel in die eine Richtung schwang, schwang es zurück. „Das war nichts für schwache Nerven“, gab Präsident von Arnim zu. Der 65-Rheinländer aus Düsseldorf habe stets seiner Tochter per Handy geschrieben, sobald es einen neuen Trend gab. Und das war permanent der Fall. Als die Türkei im Tiebreak des dritten Satzes zwei Matchbälle hatte, schien das deutsche Schicksal besiegelt zu sein. Doch das Duo Ayla Aksu/Ipek Öz ließ die Chance verstreichen, die Belgierinnen Magali Kempen und Sofia Costoulas siegten 4:6, 7:6 (1), 7:6 (7) und bewahrte Deutschland vor dem vorzeitigen Abstieg.

Für den Abstiegskampf am Sonntag griff Arnim zu einer besonderen Maßnahme. Der 65-Jährige hielt eine interne Ansprache und schwor alle noch einmal darauf ein, „dass wir alle den Traum haben, einmal als Team nach China zum Finalturnier zu kommen“. Dieses findet in Shenzhen statt. Das deutsche Verletzungspech hatte sich nur auch vor dem Sonntag fortgesetzt. Schon vor den Playoffs in Ismaning mussten Tatjana Maria, 38, und Laura Siegemund, 37, ihre Teilnahmen zurückziehen. Und Eva Lys, 23, die deutsche Nummer eins als 40. der Weltrangliste, die am Freitag ihr Einzel gegen die Türkin  Zeynep Sonmez verloren hatte, musste mit einer Oberschenkelblessur passen.

Tapfer gewehrt und doch verloren: Anna-Lena Friedsam. (Foto: Mathias Schulz/dpa)

So kam die loyale Anna-Lena Friedsam zum Einsatz, die 31-Jährige ist seit Jahren im Team dabei, wenn Bedarf besteht. 192. der Weltrangliste ist sie derzeit, 2016 war sie mal 45., sie ist also erfahren. Diese Qualität half ihr allerdings nicht im Duell mit Jeline Vandromme, die am Sonntag 18 Jahre alt wurde, bei den US Open im September den Juniorinnen-Titel holte und als großes Talent gilt. Vandromme siegte dann auch 7:6 (0), 2:6, 6:3, beide hatten am Ende körperliche Probleme. Nun war klar: Seidel, auch erst 20, musste gewinnen, um dem deutschen Doppel überhaupt die Chance auf den Sieg und damit Klassenerhalt zu geben.

Die Aufgabe war groß, vielleicht noch zu groß, auch wenn sich Seidel ab Mitte des zweiten Satzes deutlich steigerte und ein 0:3 aufholte. Vandewinkel hielt dagegen und sicherte Belgien, von der internationalen Trainergröße Wim Fissette gecoacht, den Klassenerhalt. „Wir haben drei Top-50-Spielerinnen, und heute hat keine gespielt. Mehr braucht man nicht sagen“, sagte Schüttler. „Sie fehlen an allen Ecken und Kanten. Wenn man allein die Rangliste sieht, was für ein Potenzial sie hätten.“ Nur wollte der 49-Jährige nicht lamentieren. „Wenn, hätte und aber zählt nicht.“

Die Bilanz des DTB fiel auch als Veranstalter etwas nüchtern aus. Wobei der Präsident betonte: „Wir bereuen überhaupt nicht, dass wir uns um das Heimrecht beworben hatten“, sagte Arnim der SZ, „es war ein einheitlicher Beschluss im Präsidium, dass wir diese Runde hier austragen wollten.“ Dafür hätte man eben „auch Geld in die Hand genommen“. Unterm Strich kostet die Veranstaltung den Verband ein sechsstelliger Betrag. „Unser Team ist trotzdem zusammengewachsen“, hob Arnim hervor. Ob Schüttler, wie immer mit einem jährlichen Vertrag ausgestattet, als Teamchef weitermacht, ist noch offen. Der frühere Australian-Open-Finalist sagte, dass es wie immer im Dezember Gespräche mit seinen Spielerinnen geben werde. „Es gibt ein paar Kleinigkeiten, die man verändern sollte. Und dann schauen wir, was dabei herauskommt.“ Schüttler ist seit 2019 im Amt.

Back to top button