Deutsche Spuren in Mikronesien: Traumziel Palau | ABC-Z

„Ihr wollt nach Palau? Das ist doch das Land, wo die Menschen Fledermäuse essen…“ Die Frage unserer taiwanischen Freundin Skylir während des Zwischenstopps in Taipeh ist ehrlich interessiert und voller kulinarischer Neugier. Berechtigt ist sie obendrein, denn Flughunde, um die es sich in Wirklichkeit handelt, gehören unverändert zum kulinarischen Erbe des winzigen Landes.
Eine meiner ersten Fragen beim Einchecken auf dem Safarischiff Explorer lautet dann auch „haben Sie Flughunde?“. Jack Nicholson in As good as it gets (Besser geht’s nicht) lässt grüßen. Kreuzfahrt-Direktorin Angela Gitaprakasa muss lächeln: „Wir servieren die hier an Bord nicht, können aber auf Wunsch einen Tisch in einem örtlichen Spezialitäten-Restaurant reservieren.“
Wichtiger ist im Moment aber, wie es hier an Bord läuft. Keine Schuhe, Yoga um 5.45 Uhr bevor es zu heiß wird, Frühstück ab 6.30 Uhr, Tauchen um acht. Fast alle Besucher Palaus haben die Riffe und Korallengärten am Westrand von Mikronesien auf dem Zettel, denn sie gehören zu den Top Ten der Welt. Schon der erste von einem Dutzend Tauchgängen in dieser Woche macht klar, warum das so ist: Die gefürchtete Korallenbleiche ist bis jetzt ausgeblieben. Hartkorallen zeigen sich in gesunden Farbtönen von beige bis oliv. Weichkorallen in betörender Vielfalt und die Fischwelt lässt mit mehr als 1300 verschiedenen Arten keine Wünsche offen. Dazu kommen zahlreiche Meeresschildkröten, in Mangrovennähe scheue Salzwasserkrokodile, die seltenen Dugongs und andere Meeressäuger von Delfinen bis zu großen Walen. Begleitet werden wir auf den Tauchgängen von Aces, die morgens schon die Yogastunde geleitet hat und von der Japanerin Sayaka. Eigentlich ist sie gelernte Ingenieurin, aber schon nach ihrem ersten Tauchgang hat sie den Job vor drei Jahren hingeschmissen und umgeschult: „Tauchen hat mein Leben komplett verändert. Etwas Schöneres kann ich mir nicht vorstellen.“
Ihre alte Firma, so erzählt sie uns, hat vor rund 20 Jahren die größte und wichtigste Brücke des Landes gebaut – die Japan-Palau Friendship Bridge. Sie verbindet die größte kleine Stadt des Landes Koror mit der Hauptinsel Babeldaob. Japan ist historisch stark mit Palau verbunden. Es hatte Deutschland 1914 als Kolonialmacht abgelöst und bis zu seiner Niederlage im Zweiten Weltkrieg als Mandatsgebiet des Völkerbundes geführt.
Die Spuren der heftigen Kämpfe zwischen Japanern und US-Amerikanern sind heute unter Wasser in Gestalt vieler Wracks und an Land vor allem auf Peleliu zu sehen. Bei einem der vielen Landausflüge steuern wir mit dem erstaunlich faktenkundigen Bordgelehrten Hassan von den Malediven die „Tausend-Mann-Höhle“ an. In den 284-Meter langen künstlichen Höhlengängen hatten sich bis zum September 1944 viele japanische Soldaten unter großen Entbehrungen verschanzt. Mit Flammenwerfern beendeten US-Marines dieses düstere Kapitel. Noch heute ist der Boden in der Höhle mit zahllosen japanischen Flaschen, Blechnäpfen und Gefechtskartuschen übersät. Ganz in der Nähe liegt der Kommandobunker der Japaner. Faszinierend zu sehen, wie sich die Natur die Betonruine langsam zurückerobert. Nur die vier mächtigen Stahltüren vor einer Art Panic Room haben sich erstaunlich gut gehalten.
Die 16 Jahre deutscher Kolonialzeit in Palau haben Spuren vor allem in deutschen Völkerkundemuseen, in den Werken von Max Pechstein und sogar in manchen Namen der Palauer von heute hinterlassen. Da gibt es noch so manchen Franz und Friedrich und wie Tourist-Guide Fonzie fröhlich erzählt, kennt er auch einen Fischer namens Adolf und hat einen Freund, der auf den Namen Stalin hört.
Fonzie selbst hat ein paar Jahre auf Hawaii gelebt, aber wie viele seiner Landsleute wieder die Kurve in seine Heimat gekriegt. Mit hintergründigem Witz zeigt er uns das 2006 fertiggestellte Parlamentsviertel 40 Autominuten außerhalb von Koror, hoch oben auf einem Tsumami-sicheren Hügel mit atemberaubender Aussicht auf die vorgelagerten Inselchen. Im Volksmund hat das deutlich überdimensioniert wirkende Ensemble den Namen „The Beige House“. Die mächtige Parlamentskuppel, eindrucksvolle Säulengänge (aus Kunststoff) und mittendrin ein stilisiertes Langhaus sind meistens menschenleer. Nur ein paar Reinigungskräfte und Handwerker gehen ihrer Arbeit nach. Den Präsidenten treffe ich hier nicht, aber per E-Mail beantwortet mir Surangel S. Whipps Jr. ein paar Fragen. Der 56-Jährige ist in den USA geboren, wurde gerade für vier weitere Jahre im Amt bestätigt und will Palaus kulturelle Identität schützen und bewahren. Auffällig ist etwa, dass amerikanische Fastfood- oder Kaffee-Ketten hier nicht vertreten sind: „Wir unterstützen eher unsere heimischen Unternehmen.“ In den Schulen werde das kulturelle Erbe stark betont und Touristen sollen noch stärker als bisher damit vertraut gemacht werden.
Der Besuch eines traditionellen Bais, eines Männerklubhauses, mit expressiven Storyboards an den Fassaden gehört zu den stärksten Eindrücken, die man hier erfahren kann. Das schönste und älteste steht in Airai. Es ist immer noch in Gebrauch. Hier hat einer von 16 Chiefs oder Häuptlingen das erste Wort. Gewählt wird der allerdings ausschließlich von den Frauen seines Clans. Und auch wieder abgewählt, falls er sich nicht bewährt. Der Platz vor dem gewaltigen Holzhaus ist regelmäßig die Bühne für Touristen-Koordinatorin Velma und sechs Schülerinnen aus der Dorfschule. Sie tanzen in traditionellen Baströcken, singen dazu rituelle palauische Lieder und halten so uralte Traditionen am Leben. Danach geben sie auf neugieriges Nachfragen in perfektem Englisch erstaunlich offen Auskunft über ihre Berufswünsche und Lebensträume.
Genau für diese jungen Landsleute will ihr Präsident das Land wieder attraktiver machen. Denn bei einem so kleinen Volk wie den Palauern ist stetige Auswanderung eine ernste Gefahr – schon seit den 1960er-Jahren. Surangel S. Whipps Jr.: „Wir wollen die Wirtschaft stärken, mehr Chancen für Existenzgründer schaffen, haben den Mindestlohn erhöht und investieren in Bildung.“ So sollen auch Exil-Palauer zur Rückkehr von Guam, Hawaii oder anderen US-Staaten bewegt werden.
Bei Tourguide Fonzie hat das bereits geklappt. Mit ihm geht es weiter zu den Badrulchau Stone Monoliths, dem palauischen Stonehenge: Ein paar Dutzend dunkle Basaltsteine, die gemäß mündlicher Überlieferung, einst die Basis für ein riesiges von Halbgöttern geschaffenes Männerklubhaus bilden sollten. Tiere spielen auch eine große Rolle in der heimischen Mythologie. Fonzie zählt ein paar heilige Spezies auf: die gestreifte Wasserschlange, den gepunkteten Adlerrochen, den Leopardenhai und die Riesenmuschel, aus der alles menschliches Leben einst entsprungen sei. Einem dieser Halbgötter ist er selbst einmal sehr nahe gekommen, einem gewaltigen Mantarochen, der ihm mit weit geöffnetem Maul beim Schnorcheln entgegen kam: „Der war so unglaublich majestätisch. Ich habe vor Begeisterung geschrien, obwohl ich dachte, dass der Manta mich gleich verschlingen würde.“
Bei unseren Tauchgängen mit Sayaka und Aces lassen sich leider keine Mantarochen blicken, dafür aber zahlreiche Schildkröten, große Schwärme von Barrakudas und natürlich viele Riffhaie. Die meisten am Blue Corner, einem der berühmtesten Tauchplätze der Welt. Hier fällt das Riff an einer 90 Grad-Kante senkrecht in scheinbar bodenlose Tiefen ab. In der starken Strömung warten hunderte Stachelmakrelen auf Beute und werden ihrerseits von einem Dutzend grauen Riffhaien ins Visier genommen. Mit Riffhaken haben wir uns wegen der Strömung behutsam an einer stabilen Stelle mit totem Korallengestein fixiert und genießen staunend das dynamische Schauspiel. Ständig tauchen neue Darsteller aus der Tiefe auf, gleiten majestätisch unmittelbar vor unseren Tauchermasken vorüber und scheinen uns vollständig zu ignorieren. Nur den Blick zur Seite sollte man sich bei starker Strömung verkneifen: Da kann es sonst vorkommen, dass dem Unvorsichtigen die Maske vom Gesicht gespült wird.
Eine Überraschung hält die Unterwasserwelt später noch bereit. Zurück geht es durch den rund einen Kilometer langen German Channel, eine Abkürzung durchs Riff, die die deutsche Marine 1908 mit großer Präzision frei gesprengt hat: „Manta – direkt vor uns.“ Einer der Bootsleute zeigt auf den überdimensionalen Schatten dicht voraus. Behutsam überholen wir den schnellen Schwimmer, streifen Masken und Flossen über und lassen uns ins Wasser fallen. Es ist hier nur fünf Meter tief. Jedem Moment muss der Manta kommen. Mit zum Fressen geöffneten Maul kommt der Riese zwei Meter tiefer direkt auf mich zu. Fünf Meter misst er von Flossenspitze zu Flossenspitze. Er scheint auf die unerwartete Begegnung zu reagieren, legt sich, ohne abzubremsen leicht schräg und gleitet majestätisch unter mir hinweg. Das Ganze hat fünf Sekunden gedauert, aber ich weiß sofort: Die Erinnerung daran wird nie verblassen.
Die Reise wurde von Four Seasons unterstützt.