Deutsche Autoindustrie im Blick: Das ist dran an der Krisenstimmung | ABC-Z
Deutsche Autoindustrie im Blick
Das ist dran an der Krisenstimmung
25.08.2024, 12:32 Uhr
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Die Zeiten der Rekordgewinne in der deutschen Autoindustrie scheinen vorbei. Stattdessen häufen sich die schlechten Nachrichten von Autobauern und Zulieferern. Steckt die Schlüsselbranche in einer Standort-, gar in einer Existenzkrise?
Folgt man den allgemeinen Medienberichten, befindet sich die deutsche Autoindustrie mitten in der Krise: Schichtkürzungen hier, Entlassungen da. Produktionskapazitäten werden eingedampft. Insolvenzen. Betroffen sind nahezu alle Hersteller und Zulieferer. Und selbst die Präsidentin des Automobilverbandes (VDA), Hildegard Müller, spricht von “Standortkrise” und drohender “Deindustrialisierung”. Eine sehr gewichtige Stimme für alleine mehr als 620 Hersteller und Zulieferer unter einem Dach.
Stellt sich die Frage: Was ist da passiert? Ist die Autoindustrie, der existenzielle Motor der deutschen Wirtschaft, tatsächlich in der Krise?
Zwei Punkte vorab
Eine zentrale Frage. Um sie ökonomisch fundiert und seriös zu beantworten, müssen zwei Punkte vorab geklärt werden: Worüber reden wir, wer gehört zur Autoindustrie? Was sind die Ursachen, dass diese Schlüsselbranche nach Rekordgewinnen in den Vorjahren quasi über Nacht in der öffentlichen Wahrnehmung plötzlich in die “Krise” geraten ist?
Zu Punkt 1: Die Autoindustrie als solche gibt es nicht. Es gibt sechs deutsche selbstständige Autohersteller und drei ausländische Autokonzerne mit Produktionsstätten in Deutschland. Hinzu kommen noch eine gute Handvoll Zulieferer von Weltrang, von denen jeder global, aber auf ureigenem Geschäftsfeld unterwegs ist. Dazu gehören aber auch Hunderte kleine und mittlere Zulieferer jeglicher Couleur und quer übers Land verteilt.
Zu Punkt 2: Seit Anfang 2020 geben sich hierzulande die Schreckensmeldungen aus Wirtschaft und Gesellschaft immer wieder die Klinke in die Hand: Coronavirus-Pandemie, Russlands Krieg in der Ukraine, Energiepreiskrise, Inflation und steigende Preise, Chip-Krise, Lieferkettenprobleme und, und, und. Trotzdem ging die Branche nicht in die Knie, sondern verkaufte weniger, dafür umso teurere Autos.
Da war doch noch was
Zusätzlich zu diesen externen Schocks hatte die Autobranche gravierende politische Sonderlasten zu schultern. Nach dem Willen einer “grünen” Klima-, Wirtschafts- und Umweltpolitik sollte die deutsche Autoindustrie sukzessive aus der Verbrennertechnologie aussteigen – ihrem Standbein seit etwa 100 Jahren. Stattdessen hieß es nun: Elektromobilität ausschließlich auf Basis aufladbarer Batterie-E-Autos (BEV). Diese Transformation wurde mit hohen staatlichen Investitionen in die Ladeinfrastruktur sowie Kaufprämien für die Kunden unterstützt. Parallel fielen CO2-Strafzahlungen für die Neuwagen-Verbrennerflotten der Autobauer an. Ein von der EU verhängtes Verbrennerverbot ab 2035 rundete das Marter-Instrumentarium ab.
Die Autoindustrie leistete keinen erkennbaren Widerstand gegen den Abbau ihres Verbrenner-Knowhows – im Gegenteil: Die Branche investierte Milliarden in die neue Technologie, die Hersteller freiwillig, die Zulieferer mehr oder weniger erzwungen.
Die Folgen waren verhängnisvoll: Mangels Finanzmasse zog sich die Politik aus der Förderkulisse zurück, ebenso Neukäufer von E-Autos, nachdem die Konsum-Pioniere ihre imageträchtige, hochpreisige Neugier befriedigt hatten. Hinzu kamen bei den Elektroauto-Nutzern zunehmende finanzielle Verluste in Form sinkender Restwerte oder steigender Versicherungsprämien. Die Lagerbestände im Handel wuchsen. All das drang mehr und mehr ins öffentliche Bewusstsein.
Nicht der Automarkt an sich, sondern nur der Markt für Elektroautos brach zusammen, angeführt vom “Solo-Stromer” Tesla, der binnen weniger Monate trotz hoher Rabatte über die Hälfte des Marktes einbüßte. Stattdessen erlebte die Autonachfrage eine Renaissance, generell nahmen die Aufträge, so der VDA, im Sommer 2024 wieder deutlich zu. Laut amtlicher Zulassungsstatistik waren vor allem elektrifizierte Vehikel mit dualer Antriebstechnik als Hybride (HEV) oder als aufladbare Plug-in-Hybride(PHEV) gefragt.
Intakter deutscher Automarkt
Damit ist die Frage nach der Branchenkrise beantwortet: Es gibt keine generelle Krise der deutschen Automobilindustrie, es gibt nur eine einmalige Ballung von Verlusten bei den Branchenmitgliedern im und aus dem Geschäft mit Batterie-Elektroautos.
Der deutsche Automobilmarkt für sich – und auf den kommt es in einer Marktwirtschaft mit “König Kunde” als Entscheider letztlich an – ist absolut intakt: Die Neuzulassungen liegen auf Jahresbasis zwar nach wie vor etwa ein Fünftel unter dem Vor-Corona-Niveau. Sie sind aber stabil bei 2,6 bis 2,9 Millionen Autos im Jahr. Statt BEV werden neben Verbrennerautos zunehmend Hybrid-Autos gekauft.
Die sogenannte Branchenkrise entpuppt sich letztlich als “Rentabilitäts- und Absatzkrise” einzelner Autohersteller. Am heftigsten trifft das auf jene zu, die wie VW zuvor mit besonders großen Schritten in die Batterie-Elektromobilität übergelaufen sind; der Konzern wollte Anfang des kommenden Jahrzehnts nur noch Elektroautos verkaufen und hatte ganze Werke (Zwickau und Emden) voll auf BEV-Autos umgerüstet, in Wolfsburg sollte sogar ein komplett neues Werk für E-Autos gebaut werden. Vorbei und vergessen!
Am stärksten betroffen sind die schwächsten Glieder der Wertschöpfungskette – die kleinen und mittleren Zulieferer. Sie waren und sind dem Nachfrage-Diktat ihrer Hersteller zumeist machtlos ausgeliefert. Ihnen stehen zumeist kaum Kompensationsmöglichkeiten mehr im Verbrennergeschäft zur Verfügung – und die Banken auf den Füßen. Hier brennen die Bilanzen.
Kurz: Eine Krise der deutschen Autoindustrie als Ganzes liegt nicht vor, lediglich eine historisch einmalige Ballung von Fehlinvestitionen. Eine drastische Kürzung der Kapazitäten wäre strategisch genauso fatal wie zuvor der lemminghafte Marsch in die BEV-Mobilität.