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Deutsch-syrischer Bürgermeister sieht AfD-„Abschiebeticket“ – seine Reaktion ist bezeichnend | ABC-Z

Die AfD in Karlsruhe lässt 30 000 „Abschiebetickets“ drucken und will sie als Wahlwerbung verteilen – ähnlich wie schon einmal die rechtsextreme NPD. Das führt zu empörten Reaktionen in Baden-Württemberg und Ermittlungen der Polizei.

Abflugort: Deutschland. Zielort: „Sicheres Herkunftsland“. 30 000 solcher Flyer will die AfD Karlsruhe gedruckt haben und in den kommenden Wochen bis zur Bundestagswahl am 23. Februar an Wahlkampfständen oder in Briefkästen verteilen.

Karlsruher OB Mentrup: „Hier ist eine Grenze überschritten“

Die Meldung über diese Aktion hat für Aufregung gesorgt, viele empört und sogar zu Ermittlungen der Polizei geführt – wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Der Karlsruher Bundestagstagskandidat der Linken, Marcel Bauer, hat die rechtspopulistische Partei zudem angezeigt.

Auch Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) zeigt sich besorgt. Der SPD-Politiker betont zwar, dass er zur Neutralität verpflichtet sei, äußert sich aber deutlich zur Wahlkampfaktion der rechtspopulistischen Partei – ohne sie dabei konkret zu nennen. 

„Hier ist eine Grenze überschritten“, sagt Mentrup mit Blick auf die „verhöhnenden Abschiebetickets“.

Migranten-Verband verurteilt „derartige Wahlwerbung“

Der OB versetzt sich in die Lage einer syrischen oder ukrainischen Familie in seiner Stadt, wenn jene den Flyer in ihren Briefkästen vorfinden sollten: „Die fühlen sich verunglimpft. Da wird eine Grundangst durch die persönliche Ansprache noch einmal verstärkt.“ 

Er mache sich Sorgen um das Sicherheitsgefühl von Migrantinnen und Migranten: „Seit den Correctiv-Recherchen stellen wir eine große Verunsicherung bei den Menschen fest, inwieweit sie hier noch willkommen sind“, berichtet Mentrup.

Der Landesverband der kommunalen Migrantenvertretungen Baden-Württemberg (LAKA) verurteilt eine „derartige Wahlwerbung“, wie deren Geschäftsführerin Argyri Paraschaki-Schauer mitteilt: „Migrantinnen und Migranten sind zunehmend beunruhigt.“ 

Die „Abschiebetickets“ zeigten, „wie sich menschenfeindliche Rhetorik schleichend in den politischen Diskurs eingeschlichen hat – ein Ergebnis jahrelanger Toleranz gegenüber entmenschlichenden Aussagen und Narrativen“, heißt es.

Deutsch-syrischer Bürgermeister: Parteien „plappern“ AfD nach

Wie eine solche Kampagne bei syrischstämmigen Bürgern ankommt, berichtet Ryyan Alshebl, der deutsch-syrische Bürgermeister von Ostelsheim (Kreis Calw): „Die Stimmung unter gut integrierten Menschen ist dermaßen schlecht.“ 

Zunehmend bekomme er in Gesprächen mit etwa syrischen Ärzten zu hören: „Wenn es sich ergibt, bleibe ich nicht hier.“ 

„So hat es damals auch angefangen“

Wirklich willkommen fühle man sich nicht, eher als „Bürger zweiter Klasse“, heißt es von Menschen mit einer ähnlichen Biografie wie er, der 2015 nach Deutschland floh und 2023 zum Bürgermeister der schwäbischen Gemeinde gewählt wurde.

Das Problem sei, so Alshebl, dass auch Parteien der Mitte das „Narrativ der AfD nachplappern“. Als er am Montag das mit den „Abschiebetickets“ gelesen hat, musste der Deutsch-Syrer an die Worte der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer denken: „So hat es damals auch angefangen.“

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