Deutsch-französische Beziehungen: Stilles Warten auf Merz | ABC-Z
Scholz bei Macron zur Feier des jährlichen deutsch-französischen Tages: Das ist ein Stück Normalität. Doch die Beziehungen sind schwierig. Hoffen die Franzosen schon auf einen anderen Kanzler?
Eine Botschaft vorweg: Der Wahlkampf in Deutschland beschäftigt die Französinnen und Franzosen derzeit kaum. Man hat genug eigene Probleme; etwa die galoppierende Staatsverschuldung oder die politische Krise, die in Frankreich zuletzt Regierungsstürze im Dreimonatstakt erzeugt hat. Dass Deutschlands Koalition krachend gescheitert ist und die Wirtschaft wankt, ist kein großes Thema in den Medien oder am Mittagstisch.
Eine neue Umfrage der deutschen Botschaft in Paris belege das, erklärt Politologe Paul Maurice, Generalsekretär des Studienkomitees für deutsch-französische Beziehungen bei der angesehenen Denkfabrik Ifri-Institut. Trotz der großen Probleme der deutschen Industrie hätten die Französinnen und Franzosen weiterhin eine sehr positive Vorstellung von der deutschen Wirtschaft.
Positives Image – egal ob gut oder schlecht informiert
Zwar sei dieses positive Image teils damit zu erklären, dass die Menschen einfach nicht gut über die deutsche Aktualität informiert sind. Doch auch unter denjenigen, die sich von Berufes wegen intensiv mit dem Nachbarn befassen, sei das Vertrauen in die deutsche Handlungs- und Kooperationsfähigkeit ungebrochen, stellt Patrick Brandmaier fest, Geschäftsführer der deutsch-französischen Industrie- und Handelskammer in Paris.
Die vergangenen Jahre mit der Ampelkoalition seien trotz des Koalitionsknatsches „erwartbar“ verlaufen: „Gerade im Verwaltungsbereich oder auf der zweiten politischen Ebene haben wir eine wirkliche Kontinuität.“
Merz frankophiler als Scholz?
Auf Kontinuität setzen die Akteure auch in Zukunft. Es gebe in Frankreich die weitverbreitete Überzeugung, dass Deutschland schnell aus der aktuellen Phase der Ungewissheit herauskomme, erklärt Brandmaier.
Man gehe in Frankreich zurzeit davon aus, dass die nächste deutsche von den Christdemokraten angeführt wird. Zwar werden sie vermutlich auf einen oder zwei Koalitionspartner angewiesen sein. Aber es gebe beim französischen Partner die Zuversicht: „Das werden die Deutschen auch wieder hinkriegen.“
Auch Politologe Paul Maurice glaubt, dass es auf eine Koalition unter Friedrich Merz hinauslaufen wird. Auf französischer Seite setze man große Hoffnungen in das Wahlergebnis in Deutschland. „In Teilen der Politik und der Wirtschaft wird Friedrich Merz als frankophil angesehen, frankophiler als Bundeskanzler Scholz.“
Nur ein kurzes Statement
Dass man in Paris eine zweite Amtszeit von Olaf Scholz nicht unbedingt herbeisehnt, wurde auch beim Blitzbesuch des Bundeskanzlers im Elyséepalast deutlich. Von deutscher Seite hätte man gerne eine ausführliche gemeinsame Pressekonferenz geplant. Im Elysée aber zog man ein kurzes gemeinsames Statement vor.
Präsident Emmanuel Macron, der bereits seit 2017 das Prinzip der militärischen und ökonomischen Souveränität in der Europäischen Union verficht, forderte erneut, Europa brauche „mehr Einheit, mehr Wagemut, mehr Unabhängigkeit“.
Macron begrüßte Scholz im Elysée-Palast herzlich. Doch der Rahmen für die Begegnung deutet auch auf eine Ernüchterung hin.
Scholz versicherte, Deutschland werde sich „nicht ducken“. So habe man etwa die deutsch-französische Zusammenarbeit in Verteidigungs- und Rüstungsfragen vertieft.
Das ist ein sensibles Thema. In Paris ist man weiterhin indigniert darüber, dass Deutschland viele US-amerikanische Waffen kauft, anstatt sie in Frankreich zu bestellen.
Fragen nach dem Aufstieg der AfD
Ob sich dies mit einem neuen Bundeskanzler Merz ändern würde, ist ungewiss, vielleicht sogar unwahrscheinlich. Aber ganz grundsätzlich, erläutert Politologe Maurice, verbinde man mit einem Wahlsieg von Merz positive Aussichten: „Man sieht in den hohen Umfragewerten der CDU eine politische Stabilität, während überall in Europa der Populismus um sich greift.“
Das sehen nicht alle so optimistisch. Studierende an der Politik-Hochschule Sciences Po in Paris stellen sich viele Fragen zum Erstarken der AfD in Deutschland.
Studentin Juliette glaubt: „Es wird eine große Aufgabe der traditionellen Parteien sein, die AfD zu integrieren. Aber Stabilität wird das in Zukunft nicht bringen.“ Student Tom findet, man müsse sich in Deutschland vor allem eine Frage stellen: „Warum hat die AfD so viel Erfolg, warum wählen die Menschen diese Partei? Gerade, wenn man die Geschichte Deutschlands bedenkt.“
Und Dan fürchtet: „Wenn die AfD viele Sitze bekommt, wird das die Bildung von Koalitionen nur noch schwieriger machen; weil dann der Teil schrumpft, mit dem man Bündnisse schmieden könnte. Irgendwann werden die Parteien nur noch sehr schwammige Programme vorlegen, um sich alles offen zu halten.“
Eine Entwicklung wie in anderen Staaten auch
Experten wie Politologe Maurice sehen im Aufstieg der AfD vor allem eines: eine „Normalisierung“ Deutschlands. Das Erstarken der AfD bereite in Frankreich zwar Sorgen, aber im Grunde gleiche sich Deutschland einfach mehr und mehr den anderen europäischen Ländern an. Allen voran dem engen Partner Frankreich. Denn hier stellt der rechtsradikale Rassemblement National von Marine LePen bereits die mit Abstand stärkste Oppositionsfraktion.