Der Wandertipp führt nach Neustadt am Main | ABC-Z
Still, fast unbemerkt jährten sich im vergangenen Jahr die Anfänge des Benediktinerordens vor 1300 Jahren. Abgesehen von Sonderausstellungen in Konstanz und auf der Klosterinsel Reichenau, deren Gründung anno 724 den entsprechenden Anlass bot, fand das Ordensjubiläum wenig Aufmerksamkeit.
Gewiss hat dies mit der abnehmenden Bedeutung des gesamten Klosterwesens zu tun, aber schon die tiefen Einschnitte durch Reformation und Napoleon konnten nie ausgeglichen werden. Vielfach Wiedergründungen, bestehen noch 52 Benediktinerklöster, darunter drei Frauenkonvente in Hessen.
Die Nichtbeachtung der monastischen Welt verwundert insofern, als sich mit ihr weitaus mehr als Gemeinschaften im Sinne des heiligen Benedikt von Nursia verbindet. Seit dem Aufstieg der Franken im achten Jahrhundert besaßen Klöster eine immanente Aufgabe bei Landnahme und Christianisierung. Schwert und Kreuz waren eins. Berühmte Niederlassungen, etwa Lorsch oder Hersfeld, entstanden damals, bevor sie später die Begehrlichkeiten geistlicher und weltlicher Mächte weckten.
Auch das machtvolle Kloster Neustadt am Main nahm eine solche Entwicklung. 769 durch das Bistum Würzburg zur Kolonisierung von Spessart und Waldsassengau im Maindreieck begründet, unterstellte es sich jedoch bald dem Frankenherrscher Kaiser Karl dem Großen. So konnten im Verbund mit Kloster Amorbach mehrere seiner Äbte zur Sachsenmission und als Bischöfe herangezogen werden.
Das rief den Widerstand von Würzburg hervor – es begann eine jahrhundertelange Auseinandersetzung, bei der jedes Mittel, einschließlich Urkundenfälschung, gerechtfertigt schien, um die Zugehörigkeit Neustadts zu belegen. Spätestens im ausgehenden zehnten Jahrhundert verlor das Kloster seine Eigenständigkeit, akzeptierte dies aber nie. Alles Protestieren – selbst bei Papst und König – nützte nichts, einmal mehr wurde der Abtei ihre Ohnmacht vor Augen geführt.
Säkularisation und Großbrand zerstörten des Kloster
Schlussendlich zog man vors Reichskammergericht. Das entschied zwar 1794 gegen den Konvent, aber das spielte fast keine Rolle mehr. Mit dem Hochstift Würzburg fiel Neustadt 1803 der Säkularisation zum Opfer und, als sei es der Schicksalsschläge nicht genug, zerstörte ein Großfeuer die leer stehende Anlage 1857 vollständig.
Beim baldigen Wiederaufbau der jetzt der Pfarrgemeinde dienenden Klosterkirche orientierte man sich unter Verzicht nachgotischer Veränderungen an der doppeltürmigen Basilika des zwölften Jahrhunderts. Einige der ruinösen Klausurgebäude wurden erst seit Einzug von Dominikanerinnen 1907 instand gesetzt, das meiste allerdings in den Sechzigerjahren für karitative und sozialtherapeutische Einrichtungen neu aufgeführt.
Hänge wurden für Weinbau genutzt
Auch das ist schon Geschichte: Die letzten Dominikanerinnen verließen Neustadt 2023, und nurmehr zwei Tagespflegedienste verlieren sich in dem ausgedehnten Komplex.
Kloster Neustadt war nicht zuletzt wegen seiner Einkünfte begehrt. Die steilen Uferflanken nutzte man für den Anbau von Wein und Obst, während das fruchtbare Hochplateau des Waldsassengaus der Landwirtschaft entgegenkam. Ortschaften wie Waldzell und Ansbach gehen auf die dortigen Klosterhöfe zurück. Sie sind teilweise erhalten und bilden das verbindende Element einer Wanderung durch Naturwälder über den Gestaden des Mains.
Wegbeschreibung
Die Verhältnisse in Neustadt sind überschaubar. Von Parkplätzen hinter und vor dem ausrangierten Bahndamm erreicht man mit wenigen Schritten den früheren Klosterbereich. Aus der Megingaudstraße – benannt nach dem Abteigründer und zweiten Bischof von Würzburg – gelangt man links in den angedeuteten Kreuzgang und in eine Rekonstruktion der vormaligen Kirche St. Peter und Paul. In der Vierung steht ein Modell der mittelalterlichen Gesamtanlage.
Über die Fußgängerbrücke wechseln wir zum linksmainischen Erlach. Dort beginnt der Hauptbegleiter der gesamten Runde, ein Spessartkulturweg (gelbe Sternchen auf blauem Grund). Naheliegend thematisiert er die Sakralgeschichte des Waldsassengaus und die Besonderheiten seiner Gotteshäuser. Das Erlacher Kirchlein Sankt Johannes mit romanischem Kern und Ausmalungen des 16. Jahrhunderts kann bis zum Schluss warten.
Flussabwärts lassen wir den kleinen Ort auf der Uferstraße zurück. Wenn es auch gen Süden keine Anbindung gibt, ist gelegentlich mit Fahrzeugen zu rechnen, die eine Nebenstrecke nach Ansbach nutzen. Deren Linksabzweig meidet das Zeichen. Es schwenkt erst hinter dem Krebsbach in den Hang ein.
Gotische Bauwerke auf dem Weg
Knapp unter Bäumen, gewinnt man an Höhe, ehe die Talung gekreuzt und rechts – jetzt über die Straße – auf Ansbach zugehalten wird. Der Kulturweg weist zielsicher zur nachgotischen Kirche Sankt Hubertus aus dem frühen 17. Jahrhundert, der im 19. Jahrhundert die Ausstattung neugotisch angepasst wurde. Etwas darunter liegt der Klosterhof. Seine archaisch wirkenden Bruchsteinmauern reichen ins Spätmittelalter, eine Erweiterung samt Krüppelwalmdach stammt aus dem 18. Jahrhundert.
An der Kreuzung Dorfstraße und Erlacher Weg sind mehrere Gemarkungssteine aufgereiht. Die Besitzer wechselten häufiger, das „N“ von Kloster Neustadt stand für Kontinuität. Schräg gegenüber eröffnet das Zeichen roter Doppelstrich die Möglichkeit, unter Auslassen von Waldzell direkt zur Gertraudenkapelle zu laufen.
Ansonsten führt der Spessartweg rechts durch Dorfstraße und links Waldzeller Straße aus der Bebauung. Außerhalb schlägt der Weg rechts per Pfad einen „Haken“ zwischen Wacholder und Buschwerk, bevor er auf abgesetztem Graspfad ein Stück die Landstraße begleitet, fortdauernd linksseitig, und dann über befestigten Feldweg Waldzell entgegen.
Anders als Ansbach war es eine Gründung des Klosters und der Wirtschaftshof weitaus größer, wie erhaltene Außenmauern und einige in Wohn- oder Gewerbebauten umgewandelte Gebäude erwarten lassen. Eine Kirche kam später in neugotischer Manier zur Ausführung.
Noch jünger ist die Sandsteinplastik der heiligen Gertraud vor dem Chor. Sie schuf der Bildhauer Alexander Trenner-Schwarz im Jahre 2000 zum Gedenken an den damals 150 Jahre zurückliegenden Umbau der 1742 Gertraud geweihten Kapelle.
Ergänzt durch den roten Strich, finden wir aus der Hauptstraße links in den Gertraudenweg und damit in Streuobstwiesen, endend vor dem Wald. Nach gut 500 Metern tritt er für die an einen offenen Hang gelehnte Kapelle zurück. Angeblich von höchstem merowingischen Adel, soll Gertraud ihrer Verheiratung im (belgischen) Nivelles ins Kloster Karlsburg am Main entflohen sein.Vom Wunsch beseelt, einer Ordensgemeinschaft vorzustehen, habe sie Mitte des siebten Jahrhunderts an „neuer Statt“ ihr Kloster begründet. Von Karlsburg kommend, entdeckte sie eine Quelle, an der die 1849 veränderte Kapelle entstand.
Der Rest ist rasch geschildert, aber angesichts des Geläufs nur langsam zu begehen. Ein Stück heißt es unter ausnehmend hohen Buchen bergan, bis mit dem Kipppunkt gen Tal ein abenteuerlicher Pfad einsetzt. Über Stock und Stein komprimiert er den jetzt auch dort vorherrschenden Naturwald. Insbesondere Nässe erfordert Trittfestigkeit.
Später sind es wieder breitere Wege, die übergangslos in den von Eigenheimen geprägten Außenbereich Erlachs führen. Unterhalb steht die restaurierte Johanneskirche. Fast in einer Linie, leitet sie visuell zur Neustädter Klosterkirche auf der anderen Mainseite.
Dort eingetroffen, kann der Tag mit dem Gang hinan zur barocken Michaelskirche ausklingen. Die vormalige Gemeinde- und heutige Friedhofskirche entging ebenso dem Großfeuer 1857 wie das Sommerhaus des Abtes von 1734 und die Umfassungsmauer, an der man zurückläuft.
Sehenswert
Der erste Eindruck täuscht. Die doppeltürmige Kirche von Neustadt am Main ist nicht romanisch. In fast perfekter Manier wurde die Basilika eines bis 1803 bestehenden Benediktinerklosters der Architektur des 12. Jahrhunderts angepasst, nachdem ein Feuer 1857 die gesamte Anlage zerstört hatte. Die Ausstattung, Altar, Bildwerke und die Ausmalung im Chor entstammen dem frühen 20. Jahrhundert. Grabungen 1968 erlaubten die Rekonstruktion der frühmittelalterlichen Vorgängerkirche St. Peter und Paul; in Modellgröße steht sie unter der erneuerten Vierung. Den Brand überstand die abseitige Barockkirche St. Michael. Die jetzige Friedhofskapelle auf älteren Fundamenten diente früher als Pfarrkirche Neustadts. Reich begütert, besaß die Abtei Ländereien, die von teils erhaltenen Klosterhöfen bewirtschaftet wurden. Aus ihnen gingen die Gemeinden Erlach, Ansbach und Waldzell hervor.
Öffnungszeiten
Die im Text genannten Kirchen und Kapellen stehen tagsüber offen; die Wirtschaftshöfe werden privat genutzt.
Anfahrt
Die kürzere Strecke führt von der A 3, Abfahrt Aschaffenburg, über die B 26 bis Lohr und weiter rechtsmainisch zehn Kilometer Richtung Marktheidenfeld. So heißt auch die Ausfahrt, wählt man die etwas längere, aber schnellere Anfahrt auf der A 3, von der man sich Richtung Lohr hält.
Mit der Regionalbahn RE55 nach Lohr und von dort mit dem Bus 630 nach Neustadt oder 614 in den Ortsteil Erlach am linken Mainufer (Fahrzeit gut zwei Stunden).