Der „Tower“ wurde zum absoluten Novum in der City West | ABC-Z
Berlin. Graffiti an den Wänden, verrostete Technik: Ein weithin bekannter Büroturm hatte seine besten Tage gesehen. Dann kam die Verwandlung.
Wohnraum ist in Berlin knapp. Gleichzeitig gibt es in der Stadt einen nicht unerheblichen Büro-Leerstand. Knapp fünf Prozent der Büroräume in Berlin stehen leer. Ein Dilemma: Denn durch jahrelangen Leerstand summieren sich die Kosten für die verwaisten Gewerbeobjekte. In der City West reagierte jetzt ein Immobilienunternehmen. Der als „Tower“ bekannte Büroturm an der Karlsruher Straße aus den 1960er-Jahren wurde komplett entkernt und zu Wohnraum umgebaut. Die wichtigsten Infos zu dem ehemaligen Lost Place.
Das sind die Fakten zum Tower in Halensee im Überblick:
- Adresse: Karlsruher Straße 18, 10711 Berlin-Halensee
- Geschichte: Das sechzehn Stockwerke hohe Gebäude wurde Mitte der 1960er-Jahren als Bürohochhaus errichtet; mehrere Jahrzehnte als Büroturm genutzt, beherbergte es zuletzt einen Autohandel, Supermarkt und diverse Büros, danach Leerstand
- Führungen: Keine
- Denkmalschutz: Nein
- Status: Ehemaliger Lost Place. Zwischen 2015 und 2020 wurde der Büroturm entkernt und zum „High West“-Wohnhaus umgebaut
Wo liegt der „Tower“ genau?
Der ehemalige Büroturm liegt an der Kreuzung Karlsruher Straße zur Heilbronner Straße zwischen den Gleisen der Stadtbahn im Norden und dem Kurfürstendamm im Süden. Die Google-Koordinaten (Open-Location-Code) für das Grundstück lauten: G72V+GJ Berlin. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht man das Grundstück am besten mit den Buslinien M19 und M29 (Haltestelle Agathe-Lasch-Platz). Von der Busstation benötigt man etwa sieben Minuten zu Fuß entlang der Karlsruher Straße bis zu dem Grundstück. Alternativ kann auch der S-Bahnhof Charlottenburg (S3, S5, S7, S9) genutzt werden, von dem aus man etwa zehn Minuten entlang der Heilbronner Straße benötigt. Achtung: Es handelt sich um Privatgelände. Auch interessant: Lost Places: Diese Strafen drohen bei Hausfriedensbruch
Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte des „Towers“:
Ausgangslage: Büro-Wolkenkratzer am Rande des Kurfürstendamms
In den 1960er-Jahren entstanden im geteilten Berlin eine Reihe von Bürohochhäusern. Der Platz in Westberlin war beschränkt und das Versprechen, mit Hochhaus-Bauprojekten eine lukrative Einnahmequelle zu generieren, lockte Investoren aus ganz Westdeutschland. Gerade in der Nähe des Kurfürstendamms, der pulsierenden Lebensader der City West mit seinen Gründerzeitbauten, Boutiquen und des Zoo Palastes, schienen die Gewinnaussichten verlockend. Immer neue Wolkenkratzer schossen aus dem Boden. Einer von ihnen: der Tower genannte Hochhausturm an der Ecke der Karlsruher Straße zur Heilbronner Straße in Halensee.
Das Hochhaus wurde in den 1960er-Jahren als Büroturm entworfen. Baubeginn war Mitte der 1960er-Jahre. Mit der Fertigstellung 1967 hatte Westberlin eine neue Landmarke gewonnen: Als markanter Solitär ragte das 16-geschossige Hochhaus 70 Meter in den Berliner Himmel. Von den oberen Bürogeschossen hatte man gute Sicht auf den Funkturm und seit den 1970er-Jahren auf die Baustelle des topmodernen Prestigebaus des ICC-Kongresszentrums, auf den nahegelegenen Holtzendorffplatz – heute Kracauerplatz – den Ausläufern des Kurfürstendamm und einigen Bauten, die den Büroturm noch überragten wie das 1977 fertiggestellte Hochhaus der Deutschen Rentenversicherung Bund, damals noch Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), am Hohenzollerndamm oder das 1974 eröffnete Ku’damm-Karree-Hochhaus.
Am Fußsockel des im typischen Stil der Beton-Fensterfront-Hochbauten der 1960er-Jahre errichteten Towers an der Karlsruher Straße lagen Flachbauten, in denen sich Gewerbebetriebe einrichteten. Die Belétage des Hochhauses wurden an Westberliner Unternehmen vermietet.
Tower in Halensee: So war der Büroturm konzipiert
Für Generationen von Bahnfahrern wurde das Hochhaus zu einem vertrauten Anblick: Von der S-Bahnstrecke Wetzlarer Bahn zwischen den Bahnhöfen Westkreuz und Charlottenburg sowie der südlich davon verlaufenden Regionalbahntrasse hatte man einen guten Blick auf den Turm. Das Bürohochhaus war auf einer Grundfläche von rund 500 Quadratmetern mit einer Länge und Breite von etwa 32 mal 16 Metern konstruiert worden. Die Form war die eines Scheibenhochhauses mit längsrechteckigen Grundriss, wobei die Fronten leicht konvex gestaltet waren und aus der Bauflucht heraustraten. Der Turm erhob sich über einem zweigeschossigen Sockel mit größerem Grundriss, in dem sich Gewerbebetriebe befanden.
Die Geschosse waren neben dem Treppenhaus über ein Fahrstuhlsystem zu erreichen. Auf dem Flachdach des Gebäudes befand sich ein Dachaufbau mit Gebäudetechnik sowie Antennenmasten. Fast fünf Jahrzehnte lang wurde der „Tower“ als Büroturm genutzt, hatte aber in den Jahren nach der Wiedervereinigung deutlich an Anziehungskraft verloren. Das Objekt hatte – wie so viele Berliner Bürotürme in der City West – zunehmend Schwierigkeiten, genügend Mieter zu finden und mit Leerstand zu kämpfen. Zuletzt blieben ganze Etagen unbesetzt.
Tower in Halensee: Bausubstanz litt unter jahrelangem Leerstand
Mit den leeren Büros mehrten sich die Probleme des „Towers“. Das Areal an der Karlsruher Straße wirkte zunehmend verwaist. Vom Flair des Kurfürstendamms merkte man nur noch wenig in der Randlage zwischen Bahntrasse und Autobahn. Der in die Jahre gekommene Büroturm begann deutliche Alterungsspuren zu zeigen und bedurfte dringend einer Sanierung, sollte er nicht als verwaistes Bauwerk gänzlich zu einer modernen Ruine verfallen.
Zuletzt mehrten sich die Graffitis an der Außenfassade; weit sichtbar prangte der Schriftzug „Kantegeben!!!“ von der obersten Etage des Gebäudes Richtung Bahngleisen und die Gebäudetechnik im Inneren begann langsam Rost anzusetzen, bis das Grundstück mitsamt dem 60er-Jahre-Büroturm in den 2010er-Jahren von einem Immobilienentwickler gekauft wurde.
Tower in Halensee: Vom Lost Place zur Wohnturm „High West“
Die Bauwert Aktiengesellschaft verfolgte den Plan, den tristen Büroturm in einen luxuriösen Wohnturm zu verwandeln – bis dahin ein Novum für die City West. Der Plan: Ein grundlegender Umbau des Gebäudes sollte aus einem Ort leerstehender Büros eine gefragte Nobeladresse im Kiez machen – inklusive neuer Appartements, einem Penthouse-Neubau, einer großzügigen Tiefgarage und allerlei Annehmlichkeiten wie Fußbodenheizungen und barrierefreien Aufzügen. „Wohnen wie auf Wolke sieben“ versprach die Werbung des „High West“ getauften Wohnprojekts.
Ende 2015 begannen die Bauarbeiten. Die Pläne für den Umbau und die Modernisierung sowie die Bebauung des umliegenden rund 5000 Quadratmeter großen Grundstücks stammten aus der Feder des Architekten Arno Bonanni. In einem ersten Bauschritt wurde der Büroturm aus der Umklammerung flacher Gewerbebauten befreit. Die Altbauten wurden rundherum abgerissen, der Turm vollständig entkernt und mittels neuer Trennwände in 49 Wohnungen aufgeteilt.
Tower in Halensee: Bauprojekt 2020 fertiggestellt
Der Innenraum des Wohnturms erhielt ebenso wie die Fassade eine neue Gestaltung. Die Außenflächen wurden mit einer Natursteinfassade versehen. Als 17. Etage ziert seit dem Umbau ein zurückgesetztes Penthouse mit Dachterrasse und weitem Panoramablick den Wohnturm. „Weil uns an diesem Standort kein neues Hochhaus genehmigt worden wäre, haben wir den Büroturm bis auf die tragende Stahlbetonkonstruktion abgetragen und die bisherigen Dachaufbauten durch ein zurückgesetztes Geschoss ersetzt“, berichtete Jürgen Leibfried, Vorstand der Bauwert Aktiengesellschaft.
Flankiert wird der „High West“-Wohnturm von vier neuen sieben- bis achtgeschossigen Wohnhäusern an der Heilbronner Straße und der Karlsruher Straße mit insgesamt 121 Eigentumswohnungen, die zusammen mit dem Wohnturm einen begrünten Innenhof einschließen. An der Frontseite vor dem Foyer des Ex-Büroturms entstand ein Stadtplatz mit Terrasse und Sitzbänken. Bis 2020 wurde das Bauprojekt fertiggestellt; 2021 die letzten Eigentumswohnungen des Wohnensembles verkauft und das Revitalisierungsprojekt abgeschlossen.