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Der Matheunterricht muss besser werden | ABC-Z

Es ist eines der traurigsten Kapitel zum Thema Bildung: der große Mathefrust, der an viel zu vielen Orten in Deutschland herrscht. Immer mehr junge Leute verfügen nicht über grundlegende mathematische Fertigkeiten. Zudem ruft die Disziplin in vielen Menschen negative Emotionen hervor bis hin zu einer regelrechten Angst vor der Mathematik. Psychologen forschen sogar dazu, denn Matheangst ist gar nicht so selten. Wer negative Gefühle gegenüber der Mathematik entwickelt, wird in seinem Leben nichts mehr damit zu tun haben wollen.

Das ist ein großes Problem, größer als vielen bewusst sein dürfte. Denn ohne Mathematik hat man es nicht nur in der Schule schwer, sondern auch im alltäglichen Leben. Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Altersvorsorge, Energieversorgung, Immobilienkauf – ohne ein grundlegendes Mathematikverständnis wird man sich damit nicht kompetent auseinandersetzen können.

Und wer wird schon Ingenieur oder Informatikerin oder wählt eine technische Ausbildung, der in der Schule schlechte Noten in Mathe hatte? Doch braucht es immer drängender junge Leute, die in diese Berufe gehen, um zum Beispiel dem Klimawandel mit intelligenten Lösungen zu begegnen und die Digitalisierung zum Wohle der Menschen und nicht zu deren Nachteil zu gestalten.

In PISA so schlecht wie noch nie

Im jüngsten PISA-Test von 2022 waren die Mathematikleistungen deutscher Neuntklässler so schlecht wie nie zuvor. Die Leistungen von Kindern aus Familien ohne Migrationsgeschichte sanken sogar stärker als unter Jugendlichen mit Zuwanderungshintergrund. Die besonders leistungsstarken Schüler machten nur noch rund neun Prozent aus, die leistungsschwachen etwa 30 Prozent im Vergleich zu 18 Prozent zehn Jahre zuvor. Ohne zusätzliche Förderung werden diese jungen Menschen eine weitere schulische oder berufliche Ausbildung nicht bewältigen können.

Die Mathematikmisere ist auch deshalb so traurig, weil sie viel Leid verursacht – und weil sie nicht sein müsste. Denn Mathematik kann, wie Fachleute unermüdlich betonen, jeder normal intelligente Schüler gut meistern; und normal intelligent sind die allermeisten Menschen. Doch müsste sich viel ändern, von Ein- und Vorstellungen über das Menschenbild bis hin zum Unterricht.

Mathe kann man oder eben nicht – dieser sich hartnäckig haltende Talentglaube stimmt einfach nicht. Er trifft weiterhin besonders Mädchen, da sich die Mutmaßung hält, sie seien allein wegen ihres Geschlechts mathematisch weniger begabt. In anderen Disziplinen billigt man sich und anderen hingegen zu, sie bei guter Begleitung und einiger Anstrengung durchdringen zu können. Und weil Matheleistungen mit dem Gesamt-IQ in Verbindung gebracht werden, schlägt ein schlechtes Abschneiden besonders stark auf das Selbstwertgefühl. Man sei einfach nicht so schlau, denken viele. Ganze Familien können in die Verzweiflung stürzen und um die Zukunft des Nachwuchses bangen, wenn der, oft schon in der Grundschule, in dem Fach nicht mehr mitkommt.

Die Matheangst der Grundschullehrerinnen

Statt falschen Vorstellungen anzuhängen, sollte die Gesellschaft lieber Energie in anderes stecken. Man könnte sich zum Beispiel mit der Matheangst von Grundschullehrerinnen befassen. Ist ihr Hauptfach nicht Mathematik, dann leiden sie überdurchschnittlich oft daran. Ihre negativen Emotionen können die Einstellungen ihrer Schüler gegenüber der Disziplin negativ verstärken, zeigen Studien.

Apropos Grundschule: Nichts dürfte wichtiger sein als die frühe mathematische Bildung, schon in der vierten Klasse gehört ein Viertel der Kinder zur Risikogruppe, ihnen fehlt es an grundlegenden mathematischen Fähigkeiten. Zu viele verlieren schon früh den Anschluss, weil im Gleichschritt gelernt wird, obwohl jedes Kind ein anderes Tempo hat.

Auch wird, wie Mathematikdidaktiker betonen, zu wenig Wert auf ein grundlegendes Verständnis gelegt. Oft würden einfach Aufgaben abgearbeitet („Päckchenlernen“), statt wirklich über Mathe nachzudenken und Warumfragen zu besprechen. Wichtig ist, Schüler kognitiv zu aktivieren, damit sie nachhaltig lernen. Aufgaben sollten zum Nachdenken anregen und nicht nach Schema F abgearbeitet werden können, wie es hierzulande noch zu oft der Fall ist. Motivierend ist, in Gruppen an Aufgaben aus der echten Welt zu tüfteln.

PISA hat auch die Einstellungen gegenüber Mathe untersucht, mit ernüchterndem Ergebnis: Deutsche Neuntklässler nehmen im Unterricht wenig Bezug zu ihrer Lebenswelt wahr, weniger als früher sehen sie einen Nutzen darin, Mathematik zu lernen. Gleichzeitig hat die Ängstlichkeit gegenüber dem Fach zugenommen.

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