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Der König der Canadier tritt ab: Ein Rückblick auf die Karriere von Sebastian Brendel | ABC-Z

Olympiasieger Sebastian Brendel

Der König der Canadier tritt ab


Fr 04.07.25 | 19:34 Uhr | Von Jörg Klawitter

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Audio: rbb24 Inforadio | 04.07.2025 | Guido Ringel | Bild: imago/CTK Photo

Kanu-Olympiasieger Sebastian Brendel – das Aushängeschild seines Sports – hat mit 37 Jahren sein Karriereende verkündet. Ein Rückblick auf seine lange, von vielen Erfolgen gekrönte Laufbahn – und auf das, was jetzt kommt. Von Jörg Klawitter

Sebastian Brendel hat alles gewonnen, was ein Kanute gewinnen kann – unter anderem drei olympische Goldmedaillen, 13 WM-Titel und insgesamt 29 EM-Medaillen. Aber zum Größten seines Sports macht ihn auch der Umgang mit Niederlagen, aus denen er immer gestärkt herauskam. Im August 2011 in Szeged (Ungarn) zerbricht beim damals 23-jährigen Kanuten kurz nach dem Start das Paddel. Es ist nicht irgendeine Regatta, es ist die Weltmeisterschaft und damit auch die Qualifikation für die Olympischen Spiele in London ein Jahr später. Ungläubig starrt er auf das Karbon-Stechpaddel. Das Rennen wird nicht wiederholt, die Qualifikation ist verpasst. Ein Paddelbruch ist ihm vorher und auch hinterher in einem Rennen nie passiert. Nur dieses eine Mal.

Und wie reagiert Sebastian Brendel? Erst wütend und enttäuscht, aber dann entschlossen: Sebastian Brendel trainiert noch härter, denn im Juni 2012 gibt es noch eine Nachqualifikation, eine letzte Chance. Er gewinnt dort überlegen und wird drei Monate später Olympiasieger im Canadier Einer. Sein großer Traum, der ihn antreibt seit er mit acht Jahren in Schwedt an der Oder mit dem Paddeln begann, ist erfüllt.

Sebastian Brendel küsst seine Partnerin Romy (Quelle: imago/Eibner)
Der große Rückhalt für Sebastian Brendel: seine Frau Romy. | Bild: imago/Eibner

Seine Familie ist sein größter Rückhalt

Schon 2012 in London ist seine heutige Frau Romy an seiner Seite und seine fast zweijährige Tochter Hanna. Heute ist Hanna 14 und Kanutin auf der Sportschule in Potsdam. Sie tritt im Kajak an, wie früher ihre Mutter Romy. Hannas drei Jahre jüngerer Bruder Edwin ist im Canadier unterwegs – talentiert und fleißig.

Die Familie, die Brendel so früh gegründet hat, ist sein Rückhalt, sein Antrieb und die Basis, die sein extremes Training erst möglich macht. Sein ehemaliger Trainer Kay Vesely hat mal gesagt: “Ich kenne keinen, der so hart trainieren kann wie Basti.” Diese Fähigkeit hat ihn zu einem außergewöhnlichen Sportler gemacht, der von Freunden und Gegnern gleichermaßen geschätzt wird.

Sebastian Brendel und der Brasilianer Isaquias Queiroz schlagen ein (Quelle: imago/ITAR-TASS)
Konkurrenten und Freunde: Sebastian Brendel und der Brasilianer Isaquias Queiroz. | Bild: imago/ITAR-TASS

Sein größter Konkurrent benennt seinen Sohn nach ihm

Der Brasilianer Isaquias Queiroz gehört bei den Olympischen Spielen in seiner Heimatstadt Rio zu den Goldfavoriten. Doch er holt zweimal Silber, jeweils hinter Sebastian Brendel. Es ist der Höhepunkt der Karriere des Potsdamers, der im Canadier Einer seinen Titel verteidigt und im C2 gemeinsam mit Jan Vandrey gewinnt. Gold im C1 und C2, das hat vorher noch keiner geschafft.

Isaquias Queiroz könnte enttäuscht sein, doch auch für ihn ist es das größte Erlebnis seiner Laufbahn. Und es sind zwei Niederlagen gegen sein großes Vorbild. Als Queiroz im Jahr nach Rio zum ersten Mal Vater wird, nennt er seinen Sohn Sebastian. Vornamen haben in Brasilien eine größere Bedeutung als in Deutschland, umso größer ist die Ehre, die Sebastian Brendel empfindet, als er von der außergewöhnlichen Namensgebung erfährt.

Inzwischen haben sich die Sebastians (Brendel und Queiroz) in Brasilien kennengelernt, als Geschenk gab es ein kleines Stechpaddel aus Holz.

So einen Sportler bekommst du als Trainer nur einmal im Leben.

Brendels Trainer Ralph Welke

Sebastian der Ehrwürdige

Vielleicht hat Isaquias Queiroz zusätzlich auch die Bedeutung des Namens Sebastian gefallen. Erhaben, ehrwürdig oder auch kaiserlich. Kaum könnte ein Name besser zu einem Sportler und Menschen passen. Sein langjähriger Trainer und Wegbegleiter Ralph Welke sagt über Sebastian Brendel: “So einen Sportler bekommst du als Trainer nur einmal im Leben.”

Welke selbst hat seine Karriere bereits beendet, nun folgt also auch sein bester Schüler – nach fünf Olympischen Spielen (in Peking war er als Ersatzmann schon dabei). Im vergangenen Jahr in Paris hat er keine Medaille gewinnen können. Sein sonst so grandioser Endspurt kam diesmal nicht. Es wäre der perfekte Abschluss gewesen, doch auch mit dieser Niederlage hat er schnell seinen Frieden gemacht. Nach einer Aufstiegsausbildung bei der Bundespolizei hat Brendel sich im Februar gefragt, ob noch genug Motivation da ist für eine weitere Saison. Ist sie nicht. Und jetzt?

Trainer und Polizeioberkommissar

Sebastian Brendel hat natürlich einen Plan. Der Polizeioberkommissar wird im Herbst bei der Bundespolizei in Potsdam anfangen, sich dort im Referat Aus- und Fortbildung weiter mit dem Spitzensport beschäftigen. Außerdem hat er seinen Trainerschein gemacht, die A-Lizenz. Aktuell trainiert Brendel Kinder in seinem Verein KC Potsdam. Es geht ihm auch darum, dem Sport und dem Verein etwas zurückzugeben.

Eine Rückkehr in den Spitzensport als Trainer kann er sich aktuell nicht vorstellen, dafür genießt er es zu sehr, endlich mal wieder dauerhaft zu Hause zu sein. Romy, Hanna und Edwin genießen mit. Ein, zweimal trainiert er schon noch pro Tag, erzählt Sebastian Brendel, aber eben nicht mehr viermal. Und mit einem Blick auf seine Arme sagt er: “die sind schon dünner geworden”. Doch bereuen tut er den Schritt auf keinen Fall. Und in einem Kanu war Sebastian Brendel in diesem Jahr noch kein einziges Mal. Er hat sein Boot verlassen.

Der König der Canadier ist zurückgetreten.

Sendung: Brandenburg aktuell, 04.07.2025, 19:30 Uhr

Beitrag von Jörg Klawitter


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