Der große VW-Sparplan steht – das sind die Gewinner und Verlierer | ABC-Z
Einigung im Tarifkonflikt bei Volkswagen: Die Schließung von VW-Werken in Deutschland ist vorerst abgewendet. Dafür müssen die Mitarbeiter auf Geld verzichten. Zudem sollen 35.000 Stellen abgebaut werden. Es gibt aber auch eindeutige Verlierer im Standortpoker.
Fünf Tage und vier Nächte haben IG Metall und die Vertreter von Volkswagen in Hannover miteinander verhandelt. Jetzt stehen die Eckpunkte eines Kompromisses im Streit um milliardenschwere Einsparungen bei den Arbeitskosten und Werken in Deutschland. Die IG Metall spricht von einem weitreichenden „Paket an Sicherheiten für die Beschäftigten und die VW-Standorte“. Betriebsbedingte Kündigungen soll es nicht geben. Laut Unternehmen sollen aber 35.000 Stellen bis 2030 abgebaut werden.
Tatsächlich werden nun keine Fabriken geschlossen, stattdessen werden die Werke aber drastisch verkleinert. Die Produktions-Kapazitäten sollen laut Unternehmen insgesamt um 734.000 Einheiten verringert werden. Das entspricht fast dem Umfang des Werks in Wolfsburg. Es endet lediglich die winzige Fertigung in der „Gläsernen Manufaktur“ Dresden, die aber als Standort erhalten beleibt. Die Fabrik in Osnabrück erhält eine Gnadenfrist bis 2027. Dort wird bis dahin das T-Roc Cabrio gebaut. Ein winziger Produktionsauftrag.
Der wohl größte Verlierer unter den Fabriken ist Zwickau in Sachsen. Dort werden bis auf den Audi Q4 alle Modelle abgezogen. Zugleich soll die Fabrik ins Recycling-Geschäft einsteigen.
Bei den Gehältern nehmen die Beschäftigten dafür deutliche Einschnitte hin. Die Tariferhöhung wir nach Angaben der IG Metall „zunächst ausgesetzt“, um Kündigungen bis 2030 zu vermeiden. Die sogenannte Ergebnisbeteiligung fällt für zwei Jahre ganz weg und wird danach bis 2030 nur reduziert ausbezahlt.
Frühestens ab 2027 könnte es wieder Lohnerhöhungen geben, dann soll der Jahrzehntealte Haustarif komplett überarbeitet werden. Die Beschäftigungsgarantie soll wieder in Kraft gesetzt werden und bis Ende 2030 laufen.
Schon zu Beginn des Konflikts hatte Betriebsratschefin Daniela Cavallo rote Linien gezogen: keine Werkschließungen und Deutschland, keine Massenentlassungen, keine Einschnitte in die laufenden Gehälter. Diese Forderungen seien nun erfüllt.
Maximalpositionen sorgten für Kopfschütteln
„Zwar gibt es tarifliche Zugeständnisse jenseits der monatlichen Einkommen – dem gegenüber stehen aber der solidarisch erwirkte Erhalt aller Standorte samt Zukunftsperspektiven, eine neue Beschäftigungssicherung bis Ende 2030 und nicht zuletzt die Gewissheit für den Vorstand, dass bei Volkswagen Veränderungen gegen den Willen der Belegschaft zum Scheitern verurteilt sind“, sagte Cavallo nach Ende der Verhandlungen.
Immer wieder hatten sie und IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger diese Forderungen bekräftigt, auch auf Bühnen vor Tausenden VW-Mitarbeitern. „Mit mir, Daniela Cavallo, Gesamt- und Konzernbetriebsratsvorsitzende der Volkswagen AG, wird es hierzulande keine Werksschließungen geben. Und natürlich auch keine Massenentlassungen. Und auch keine harten Einschnitte in unseren Haustarif, die dessen Niveau dauerhaft absenken“, hatte die Betriebsratschefin Anfang Dezember auf der Kundgebung vor dem VW-Markenhochhaus in Wolfsburg in die Menge gerufen.
Aufseiten des Unternehmens hatten diese Maximalpositionen für Kopfschütteln gesorgt. Das Management hatte zwar selbst für VW-Verhältnisse extreme Forderungen in den Raum gestellt, sich aber rhetorisch immer ein Hintertürchen offengelassen.
Ziel des Vorstands der Marke VW um den Vorsitzenden Thomas Schäfer war es, zwei Milliarden Euro an Arbeitskosten zu sparen. Dazu sollten zwei bis drei Werke geschlossen werden und die Lohnkosten um zehn Prozent sinken.
Im Interview mit WELT AM SONNTAG hatte Schäfer diese Forderung bekräftigt. Auf die Frage, ob man auf Werkschließungen verzichten könne, antwortete er: „Wir sehen das aktuell nicht.“
Nach mehr als 70 Stunden Tarifverhandlungen hat sich die Sichtweise offenbar verändert. Offenbar hat VW mit dem nun erzielten Kompromiss sein Sparziel trotzdem erreicht.
Die Drohszenarien auf beiden Seiten waren in diesem Konflikt enorm. Im Sommer hatte VW den 30 Jahre alten Vertrag zur Beschäftigungssicherung gekündigt. Er hatte seit den 1990er-Jahren betriebsbedingte Kündigungen im Unternehmen ausgeschlossen. Jetzt hätte VW ab Juli 2025 Kündigungen aussprechen können.
Die IG Metall antwortete auf diese Drohung im Tarifkonflikt mit massiven Warnstreiks in ganz Deutschland. Und sie kündigte einen harten Arbeitskampf für das kommende Jahr an, sollte es keine Einigung geben. Dann hätten unbefristete Streiks bei VW gedroht.
Daniel Zwick ist Wirtschaftsredakteur und berichtet für WELT über alle Themen aus der Autoindustrie.