Der Fotograf Robert Conrad: Die Stadt, der Schutt und die Leere | ABC-Z
Robert Conrad fotografierte Architektur: Häuser, U-Bahnhöfe, Werkshallen. Aber man könnte auch sagen: Robert Conrad fotografierte die Zeit, die ihre Spuren an Fassaden und Mauern hinterlassen hat. Er fotografierte die monumentale Leere dort, wo leergeräumte Plattenbausiedlungen der DDR Anfang der 2000er Jahre auf ihren Abriss warteten. Er hielt den Stillstand und die Trauer fest, die als letzte zwischen verbarrikadierten Hansehäusern und einsinkenden Fachwerkhäusern wohnten, als in Greifswald in den 1980er Jahren die Altstadt zerfiel, in der er aufgewachsen war.
Er war mit seinen Kameras dem Verschwindenden auf der Spur, als in den Jahren nach dem Zusammenfügen von Ost- und Westdeutschland die repräsentativen Bauten der Ost-Moderne niedergerissen wurden. Seine Bilder legen Zeugnis ab gegen das Verstummen und Vergessen dort, wo Geschichte getilgt wurde aus dem Körper einer Stadt.
Sehen kann man seine mit so viel Geschichte aufgeladenen fotografischen Serien jetzt in der Galerie Parterre. Robert Conrad, 1962 geboren, ist im Mai 2023 gestorben. Sein Nachlass ist mit 45.000 Fotos Teil des Archivs der DDR-Opposition der Robert-Havemann-Gesellschaft. Die Ausstellung mit dem Titel „Angst + Wut“ ist die erste Retrospektive des Fotografen, von dem auch in der taz Bilder zu sehen waren.
Dass es in der DDR gefährlich werden konnte, das Bröseln der Fassaden, den Zusammensturz von Dachstühlen zu dokumentieren, hat Conrad als junger Mann erfahren. Seine Bilder aus Greifswald zeigte er zum Beispiel bei Treffen mit der evangelisch organisierten Jugend aus Westdeutschland. In einem Text „Meine Zeit in Greifswald – wie ich Architekturfotograf wurde“ erzählt er, dass er lange keinen Zusammenhang hergestellt habe zwischen seinen Ablehnungen zum Studium und seinen Bildern. Wie lange ihn die Stasi beobachtet hat, wie sie ihm Fallen stellte und seinen Lebensweg mit viel Aufwand blockierte, erfuhr er erst aus seinen Stasi-Akten.
Robert Conrad, Galerie Parterre, Di.–So. 13–21 Uhr, Do.10–22 Uhr. Bis 2. Februar 2025. 23. 12.–2. 1. geschlossen.
Veranstaltung: Do., 16. 1. 2025, 19 Uhr: Tanz den Kommunismus: Punkrock DDR. Lesung mit Henryk Gericke
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen.
Mehrfach erlebte er Verfall und Zerstörung
Opposition zu sein: Seine Fotografien machen daraus keine große Sache. Sie scheinen vielmehr einer Notwendigkeit zu folgen, dort zu dokumentieren, wo Zeitschichten im Gesicht der Stadt zum Verschwinden gebracht werden. Conrad erlebte das immer wieder. Als er in den 1990ern im Prenzlauer Berg in Ostberlin lebte, waren es Straßenzüge aus der Gründerzeit, die abgerissen werden sollten. Er sammelte die Schriftzüge von alten Geschäften, oft noch aus den 1920er Jahren, von Werbung auf Brandmauern, aber auch die Graffiti, die gegen Erneuerung, Verteuerung und Verdrängung protestieren.
Mit der Ausstellung erlebt man eine Zeitreise. Es geht noch einmal zu den Geisterbahnhöfen der S-Bahnen, die aus Westberlin kommend unter der Hauptstadt der DDR ohne Halt durchfuhren. Kurz nach der Maueröffnung war Conrad mit Freunden durch Lüftungsschächte hinabgestiegen: Am Potsdamer Platz liegt der herabgerieselte Schutt vor einem grün gekachelten Block. Auf dem sind Reste eines Plakates von 1950 zu erkennen, das für das unter Walter Ulbricht neu eröffnete Stadion der Jugend warb.
Man sieht noch einmal das Berliner Ahornblatt, eine Gasstätte in Berlin Mitte, von Betoningenieur Ulrich Müther entworfen, die mit ihren geschwungenen Dachelementen zu den elegantesten Bauwerken der DDR gehörte. Im August 2000 versinkt sie langsam zwischen den Schuttbergen ihres Abrisses.
Die Schwächen der Systeme
Die meisten Bilder von Robert Conrad sind menschenleer. Und dennoch zeigen sie immer die Auswirkungen von menschlichem Handeln und Entscheidungen, das Ergebnis von bürokratischen Strategien, die oft aus ideologischen Gründen auf einem Auge blind sind.
Robert Conrad, Oderberger Straße, 1988, im Prenzlauer Berg
Foto:
Robert-Havemann-Gesellschaft/Robert Conrad/unverzeichnet
Der Ausstellungstitel „Angst + Wut“ geht auf ein Schild zurück, das Robert Conrad bei einer Mieter-Demonstration hochhielt, am 3. März 1990. Am Alexanderplatz wurde gegen Grundstücksspekulationen demonstriert. Auf dem Ausstellungsplakat sieht man unter dem Titel ein Foto von Robert Conrad, 1983 aufgenommen, bei einer versuchten Sprengung des Sortenbunkers am Gaswerk Dimitroffstraße, (nicht weit vom Standort der Galerie Parterre). Halb schief hängt der Bunker in der Erde, gerade ein Bild technischen Versagens, aus der Ferne aufgenommen.
In der Gesamtschau wird deutlich, dass Robert Conrad mit dem, was er in den Fokus rückte, auch immer die Schwächen politischer Systeme traf.