Interview mit Kräuterpädagogin: „Beifuß galt als mächtige Frauenpflanze“ – Fürstenfeldbruck | ABC-Z

„Dreimal drei Zauberpflanzen – das war einst das Rezept der Kräuterkundigen gegen Gift und Ansteckung.“ Unter diesem Titel lädt das Bauernhausmuseum Jexhof Erwachsene für Freitag, 13. Juni, zu einem Kurs für mit Daniela Gottstein ein. Dabei erklärt die Kräuterpädagogin, welche heilkräftigen Pflanzen für Kräutertee und Tinkturen verwendet werden. Dabei handelte es sich jedoch nicht um exotische Pflanzen, sondern um gewöhnliche Wildkräuter, die heute wieder ihren festen Platz in Küche und Naturheilkunde haben. Daniela Gottstein stellt diese alten Heilpflanzen vor, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bereiten eine Spitzwegerich-Tinktur sowie Teemischungen zu. Der SZ hat Gottstein im Interview schon einiges verraten.
SZ: Welche sind die Dreimal-drei-Zauberpflanzen?
Daniela Gottstein: Der Begriff Zauberpflanzen stammt von unseren Vorfahren, die haben das so formuliert. Während meiner Ausbildung durfte ich ihn nicht verwenden. Es sind Pflanzen mit teils psychedelischer Wirkung. Dazu gehörten früher Tollkirsche, Alraune, Bilsenkraut, Stechapfel. Giftpflanzen, die wir natürlich nicht verwenden. Heute sind Gundermann, Beifuß, Spitzwegerich, Schafgarbe, Holunderblüten, Lindenblüten, Brennnessel, Thymian und das Gänseblümchen für mich ganz zauberhafte Pflanzen.
Was macht sie „zauberhaft“?
Wir dürfen uns an ihrem Aussehen und Duft erfreuen, sie bieten uns oft unerwartete Geschmackserlebnisse, und auf Grund ihrer Inhaltsstoffe sind sie für uns Menschen und auch Tiere wertvolle Nahrung und Heilmittel. Als Kräuterpädagogin darf ich keine Heilaussagen machen, und deshalb bereite ich mit den Teilnehmern Schniefnasen- oder Bauchgrummel-Tee zu. Zauberhaft sind auch die Geschichten über die Pflanzen. Der Beifuß etwa galt als mächtige Frauenpflanze für die Fruchtbarkeit. Die Frauen sind mit einem Beifußgürtel über das Sonnwendfeuer gesprungen, wenn sie schwanger werden wollten. Und bei der Geburt hat man ihnen zum Schutz Beifuß in die Hand gegeben. Oder der Gundermann: Als Zeichen der Verbundenheit mit der Natur hat man sich Kränze daraus geflochten. In der Walpurgisnacht konnte man damit Hexen erkennen. Oder: Gab eine Kuh keine Milch mehr, war sie bestimmt verhext, und das Euter wurde mit Gundermann behandelt. Beim Almabtrieb bekamen die Tiere Kränze aus Gundermann, um sie vor dem bösen Blick zu schützen.

Welche Rolle spielt überhaupt das mystische Element in der Kräuterheilkunde?
Das ist eine sehr schwierige Frage. Das muss man jedem Einzelnen überlassen. Der eine sieht im Gänseblümchen eine Pflanze in der Wiese, die nach dem Mähen gleich wieder kommt, der andere sieht eine heilkräftige Pflanze. Und der Dritte sieht auch eine Marienpflanze. Es gibt auch Menschen, die in Pflanzen beseelte Mächte sehen. Ich selbst sehe eher die fundierte biologische Seite, also welche Inhaltsstoffe in der Pflanze stecken.
Wo findet man diese Kräuter, und kann jeder sie verwenden?
Wilde Kräuter findet man überall, wenn man die Augen aufmacht und das Grün vom Grün unterscheiden kann. Am besten ist der eigene Garten, wenn man die Kräuter wachsen lässt, kommen oft Pflanzen, die man wirklich gut brauchen kann. Nicht sammeln sollte man an Hunderennstrecken und gespritzten Flächen. Im Naturschutzgebiet darf man nicht sammeln. Man darf der Natur auch nur eine Handvoll entnehmen, für den eigenen Bedarf. Wir sollten dankbar sein für die Pflanzen, die uns ihre wertvollen Inhaltsstoffe schenken. Das Kräutersammeln hat etwas Meditatives, man kommt zur Ruhe, man entspannt.
Wie stellt man sicher, dass man das Richtige mitnimmt?
Die Pflanzen, die ich nehme, die kenne ich zu hundert Prozent. 99 Prozent reichen nicht. Die Blätter von Bärlauch und Maiglöckchen sehen sich ähnlich, aber sie fühlen sich ganz unterschiedlich an. Das Haptische spielt da eine große Rolle. Wenn man natürlich mit einer Sichel in den Wald geht oder den Bärlauch büschelweise ausreißt, kann es schon zu Verwechslungen kommen, die im schlimmsten Fall tödlich enden können.
In der Ankündigung heißt es, die Zauberpflanzen seien eingesetzt worden gegen Gifte und Ansteckungen. Wie ist das gemeint?
Früher wussten die Menschen wenig über Ansteckungen bei Krankheiten wie Cholera, Pest, Pocken, Typhus oder Ruhr. Sie räucherten deshalb zum Beispiel mit Pestwurz und Schafgarbe und nahmen den Schlangenknöterich gegen Schlangenbisse. Dahinter steckt die Signaturenlehre – danach geben die Pflanzen durch ihre Form und Farbe Hinweise darauf, bei welcher Krankheit sie genutzt werden können. Heute weiß man, dass man das natürlich nicht eins zu eins übertragen kann.
Die Teilnehmer dürfen an dem Kursabend selbst eine Spitzwegerich-Tinktur herstellen. Ist das schwierig?
Überhaupt nicht. Dazu schneidet man frische Spitzwegerichblätter fein und setzt sie mit Alkohol an, Weizenkorn zum Beispiel. Darin lasse ich die Blätter vier bis sechs Wochen ziehen und schüttle sie täglich. Dann seihe ich die Tinktur ab und fülle sie in ein leeres Deo-Roll-on-Fläschchen.
Wobei hilft die Tinktur?
Bei Insektenstichen, egal ob von einer Biene oder einer Mücke, oder wenn man in die Brennnesseln gefasst hat, hilft das super. Und ein bisschen was fülle ich in eine kleine Tropfflasche, ein paar Tropfen sind gut gegen Halsweh. Das habe ich immer dabei, wenn ich wandern gehe. Im Spitzwegerich, der auch super schmeckt, zum Beispiel im Salat, befindet sich ein pflanzliches Antibiotikum, das beim Erwärmen aber zerstört wird.
Dreimal drei Zauberpflanzen mit Daniela Gottstein, Freitag, 13. Juni, von 18 bis 19.30 Uhr, am Jexhof. Kurs für Erwachsene zum Thema Kräutertee und Tinkturen. Kosten: 14 Euro zuzüglich zwölf Euro Materialkosten. Anmeldung über die Jexhof-Website.