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Jahn Regensburgs neuer Trainer Michael Wimmer: Gereift in Schottland – Sport | ABC-Z

Im Jahr 2010 tat Michael Wimmer das, was viele in Dingolfing tun: Er arbeitete für einen großen Autobauer, gleichzeitig studierte er Elektrotechnik. Seine Fußball-Karriere hatte er gerade beendet, mit 30, sein Vater hatte sich dann auch noch zu dem Kommentar hinreißen lassen, dass der Sohn kein Geld verdienen werde mit dem Fußball. Das war letztlich falsch, denn fortan nahm Wimmer den großen Trainer-Umweg.

Zunächst machte er den A-Trainerschein, stufenweise entfernte sich der Niederbayer immer weiter von der Heimat. Beim 1. FC Nürnberg wurde er schnell zum Nachwuchs-Koordinator. Beim VfB Stuttgart rannte er am 14. Mai 2022 als Co-Trainer mit auf den Platz, als Wataru Endo die Schwaben in der 92. Minute in der Bundesliga hielt. Einmal, in der Zweitliga-Saison, spielte der VfB in Regensburg, und Wimmer dachte sich: „Wäre cool, hier mal hinzukommen. Die Atmosphäre im Jahnstadion war ansteckend.“

Sieben Spiele blieb er Cheftrainer der Schwaben, dann ging er zu Austria Wien, gewann zweimal das Derby gegen Rapid und erreichte die Meisterschafts-Playoffs. Im vergangenen Winter hatte er eigentlich einen Deal mit dem englischen Drittligisten Bristol Rovers geschlossen. Das scheiterte, weil ihm von 22 nötigen Monaten Erfahrung als Cheftrainer ein Monat fehlte. Nur wenige Wochen später fand er sich beim schottischen Erstligisten FC Motherwell wieder: „Mein Englisch ist okay, aber das bringt dir in Schottland eher wenig“, sagt er lachend.

Trotz Sprachbarrieren führte der das Team zum Ligaverbleib und zu einem viel beachteten Sieg gegen die Glasgow Rangers. „Und dann habe ich eine Woche nach Ostern lange mit der Familie darüber gesprochen“, erzählt Wimmer, weil sie ihn in Motherwell gerne behalten hätten. Doch die Zeit der Umwege sollte ein Ende haben. „Dass sich dann in der Heimat und dann auch noch beim SSV Jahn eine Option auftut, das war natürlich perfekt.“ Vor einer Woche unterschrieb Wimmer nach Kontaktaufnahme durch den Geschäftsführer Achim Beierlorzer beim bayerischen Zweitliga-Absteiger, eine Autostunde von Dingolfing und seiner Familie entfernt. Der Sohn habe sich sehr gefreut, denn jetzt könne er mit dem Opa zu Papas Spielen fahren.

Die erste Aufgabe des neuen Trainers ist es, „sofort Vertrauen aufzubauen“

Wimmer ist angekommen, aber natürlich sieht er sich, drei Wochen vor seinem 45. Geburtstag, noch nicht am Ziel seiner Karriere. Doch erst einmal bringt der Heimkehrer eine Menge höherklassiger Erfahrung mit, vor allem, wenn man die erste schottische Liga eher mit der zweiten deutschen Liga vergleicht als mit der dritten. Vor allem aber scheint der gelernte Elektrotechniker bei seinen Stationen gelernt zu haben, wie es ganz schnell funkt zwischen Mannschaft und Trainer, und wie man aus relativ wenig ziemlich viel herausholt.

Wimmer ist kein Feuerwehrmann, wenngleich in seiner Cheftrainer-Vita das langfristige Engagement noch fehlt. Worauf kommt es also nach einem Abstieg erst einmal an? Nicht in den Rückspiegel sehen, sagt der neue Trainer. Und: „Es geht darum, sofort Vertrauen aufzubauen.“ Beim wochenlang erfolglosen FC Motherwell habe er zuerst gar keine Einheit mehr vorgefunden, sondern „vier, fünf Cliquen“. Wimmer suchte nach denen, „die Bock haben, den Karren aus dem Dreck zu ziehen“.

So tief steckt der Karren in Regensburg nicht fest, die dritte Liga ist in der Oberpfalz kein Weltuntergang. Aber Wimmer dürften sie auch deswegen geholt haben, weil er Aufbruchsstimmung erzeugen kann. „Ich gehe rein und freue mich auf einen sehr ambitionierten Drittligisten, das ist mein Ansatz“, sagt er. Erst einmal spricht freilich niemand vom direkten Wiederaufstieg, gerade befindet sich der Verein noch in der Kader-Zusammenstellung, die Wimmer schon mitgestaltet.

Zu aktiven Zeiten wurde der Spieler Wimmer von Trainern geprägt, die bundesweit nicht so sehr bekannt sind, im Münchner Raum aber als Legenden des gehobenen Amateursports gelten: Anton Plattner und Ludwig Trifellner etwa. Ein Höhepunkt seiner aktiven Karriere war ein Eckball im Jahr 1999, als er damit im Dress des SV Lohhof das 1:0 gegen seinen einstigen Jugendklub 1860 II einleitete. Lohhof stieg trotzdem aus der Regionalliga Süd ab, weil man den Weggang des Stars der Mannschaft, Stefan Leitl, nicht kompensieren konnte. Was bleibt, sind Erinnerungen an Trainer, die „sehr menschlich waren, und mit einer Mannschaft alles versucht haben, die nicht die Qualität hatte für die Liga“. Das ist bei Jahn Regensburg jetzt freilich anders. Für Wimmer wird es darum gehen, nahe der Heimat auch mal eine Mannschaft länger zu begleiten – und zu einem Favoriten zu formen.

In Motherwell blieb er nur wenige Monate, doch Wimmer spricht lange über die Ehrfurcht der Talente im Verein, darüber, dass sich jeder im Klub unterordnete. Er selbst empfindet es als „Privileg“, jetzt einer von 56 deutschen Profitrainern sein zu dürfen. Das hört sich so an, als ob er von allen Beteiligten sehr viel Demut einfordern wird.

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