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Debatte über Zinssenkungen: Herbststürme in der EZB | ABC-Z

Nach der Zinssitzung ist vor der Zinssitzung: In der Europäischen Zentralbank (EZB) hat eine Debatte begonnen, wie es nach der Oktober-Zinssenkung nun weiter gehen soll. Im November steht keine Zinssitzung an, die nächste findet am 12. Dezember statt. Bis dahin gibt es noch zweimal Inflationsdaten, die wohl wieder etwas höher ausfallen dürften als im September mit 1,7 Prozent. Aber wohl nicht dramatisch höher; zusammen mit der schwachen Wirtschaftslage dürfte vieles dafür sprechen, dass die Notenbank im Dezember die Zinsen abermals senkt. Manche Beobachter meinen sogar, sie werde einen großen Zinsschritt von 0,5 Prozentpunkten nach unten beschließen – andere rechnen mit 0,25 Prozent.

Eine ganze Reihe von EZB-Ratsmitgliedern haben sich schon zu Wort gemeldet, weitere Reden so wie die Inflationsdaten für Oktober stehen in dieser Woche an. „Wichtig wird sein, wie sich EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel, der französische Notenbankchef François Villeroy de Galhau und Bundesbankpräsident Joachim Nagel positionieren“, sagte Karsten Junius, Ökonom der Bank J. Safra Sarasin: „Sie reden alle an diesem Mittwoch.“ Im Durchschnitt hätten die Finanzmärkte derzeit eine Zinssenkung um 0,35 Prozentpunkte im Dezember eingepreist, sagte Junius: „Dies reflektiert die hohe Unsicherheit, und dass sowohl 25 als auch 50 Basispunkte für möglich gehalten werden.“

Breites Meinungsspektrum im EZB-Rat

Zuletzt mahnte der belgische Notenbankchef Pierre Wunsch, nichts zu überstürzen. Das portugiesische EZB-Ratsmitglied Mario Centeno hatte einen großen Zinsschritt um einen halben Prozentpunkt nach unten ins Spiel gebracht. Mit Blick auf den künftigen geldpolitischen Pfad hatte das italienische Ratsmitglied Fabio Panetta die Idee in den Raum gestellt, dass die Zinsen möglicherweise auf ein Niveau sinken müssten, das niedrig genug sei, um die Wirtschaft anzukurbeln. Der slowenische Zentralbankchef Boštjan Vasle widersprach: „Wir sollten weiterhin in maßvollen Schritten zur Neutralität übergehen.“

Der niederländische Notenbankchef Klaas Knot dämpfte die Erwartung an den Finanzmärkten, dass eine Zinssenkung im Dezember schon eine beschlossene Sache sei. „Es ist wichtig, dass wir uns alle Optionen offenhalten“, sagte Knot am Samstag. Er verglich die wirtschaftliche Lage im Euroraum mit dem Wetter in Amsterdam zu dieser Jahreszeit: „Es ist nicht so schlecht, wie einige Leute glauben machen wollen, aber es ist definitiv nicht großartig.“

Der französische Zentralbankchef Villeroy de Galhau äußerte, es gebe für die Zinsen noch Spielraum nach unten. Der gegenwärtige Einlagensatz von 3,25 Prozent sei noch „ziemlich weit“ von einer neutralen Höhe entfernt.

Das lettische EZB-Ratsmitglied Martins Kazaks deutete an, die Notenbank müsse die Zinszügel möglicherweise schneller lockern als zunächst angenommen. Es sei möglich, dass sie das Inflationsziel von zwei Prozent etwas früher erreiche: „Und das Ziel rascher zu erreichen, könnte bedeuten, dass die Geldpolitik etwas schneller gelockert werden muss, als wir bisher dachten.“

Bundesbankpräsident Nagel mahnte hingegen zur Vorsicht. „Wir gehen jetzt sicherlich in ein paar Wochen, die nicht nur durch die US-Wahl geprägt sein werden, wir werden auch weitere Inflationszahlen bekommen.“ Sogenannte statistische Basiseffekte könnten dazu führen, dass Monate dabei seien, in denen die Inflationsrate wieder nach oben gehe.

Österreichs Notenbank-Gouverneur Robert Holzmann sagte, er halte einen weiteren Schritt nach unten im Umfang von einem Viertelprozentpunkt im Dezember für möglich. Das sei aber „noch nicht beschlossen“. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte zuletzt insbesondere die Datenabhängigkeit des weiteren Vorgehens hervorgehoben.

„Die Meinungen gehen innerhalb des Rates offenbar weit auseinander“, kommentierte Holger Schmieding, der Chefvolkswirt des Bankhauses Berenberg. „Zumindest bei einigen Ratsmitgliedern setzt sich offenbar langsam die Erkenntnis durch, dass die EZB ihre Zinsen im vergangenen Jahr zu sehr angehoben und dann in diesem Jahr zu lange hoch gehalten hat“, meinte Schmieding: „Neben einer Reihe von Schocks von außer trägt dies zur Schwäche der Konjunktur bei.“ Ob die EZB darauf allerdings im Dezember mit einem Zinsschritt um 50 Basispunkte reagieren werde, sei weiterhin offen. Bisher sehe es eher nach einem weiteren Schritt um 25 Basispunkte aus. Ähnlich äußerte sich DZ-Bank-Ökonom Christian Reicherter.

„Selbst der irische Notenbankpräsident Gabriel Makhlouf sagte kürzlich, die EZB brauche starke Daten für eine große Zinssenkung“, sagte Marco Wagner, EZB-Beobachter Commerzbank: „Daher halte ich an meiner Prognose fest, dass die EZB die Leitzinsen um 25 Basispunkte senken wird.“

Die Inflation sei inzwischen nicht mehr weit vom Zielwert entfernt, sagte Konstantin Veit vom Anleiheinvestor Pimco: „Daher ist es nachvollziehbar, dass es unter den Mitgliedern des EZB-Rats mehr Meinungsverschiedenheiten gibt als früher.“

Einige Mitglieder des EZB-Rates legten mehr Gewicht auf das schwache Wachstum, andere hingegen seien stärker auf die noch immer etwas hartnäckige Inflation fokussiert. „Unserer Ansicht nach ist der Kampf gegen die Inflation noch nicht vorbei, da das Lohnwachstum und die Lohnforderungen weiterhin hoch sind und die Produktivität im Euroraum sehr schwach bleibt“, sagte Veit. Die Binneninflation liege noch immer bei rund 4 Prozent. Was die Märkte im Moment erwarteten, erscheine vernünftig, dazu gehörten aufeinanderfolgende Zinssenkungen bis zu einem Niveau von etwa 2 Prozent, was allgemein als weitgehend neutrales Niveau für den Euroraum gelte.

„Die Risiken im Zusammenhang mit diesem Zinsverlauf erscheinen derzeit relativ symmetrisch“, sagte Veit. Es sei gut möglich, dass die EZB die Zinsen deutlich stärker senke – genauso gut könnte sie an einem über dem neutralen Niveau liegenden Leitzins festhalten.

Verbraucherzinsen im Abwärtstrend

Was heißt das alles für Sparer und Hausbauer? Während die Tendenz für die Sparzinsen klar nach unten geht, haben die Bauzinsen zuletzt auch nachgegeben, aber nicht so deutlich. Aktuell liegen die Zinsen für Tagesgeld nach Zahlen der FMH-Finanzberatung in Frankfurt mit durchschnittlich 1,95 Prozent etwas niedriger als noch im September. Für Festgeld auf zwölf Monate bekommt man im Schnitt 2,45 Prozent. Festgeld auf zwei Jahre bringt nun 2,29 Prozent. Auch das bedeutete einen Rückgang. Matthias Neth, der neue Südwest-Sparkassenpräsident sagte am Montag, er rechne trotz der Zinssenkungen der EZB aber nicht mit einer neuen Nullzinsphase für Sparer.

Die Bauzinsen liegen für Darlehen mit zehn Jahren Zinsbindung jetzt im Schnitt bei 3,32 Prozent, das ist auch ein leichter Rückgang. Währen die Sparzinsen auf jede EZB-Zinssenkung relativ schnell reagieren, hängen die Bauzinsen an der Rendite der Bundesanleihe mit zehn Jahren Laufzeit und reagieren nicht so unmittelbar. Die Bundesanleihenrendite, auf die vielfältige Faktoren einwirken, lag am Montag bei 2,26 Prozent. Das ist etwas weniger als noch im Juli, eine richtige klare Abwärtsbewegung war aber zuletzt nicht zu erkennen.

Der Kreditvermittler Interhyp spricht davon, die Bauzinsen hätten sich „auf einem niedrigeren Niveau eingependelt“. Vorstandsmitglied Mirjam Mohr gab die Einschätzung ab: „Wir gehen davon aus, dass die Bauzinsen sich auch weiterhin um das derzeitige Niveau bewegen und die Immobilienpreise weiter steigen werden.“

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